Haselnussbraune Augen

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Fünf.

Fünf Striche, eine Linie für jeden Tag, den ich bisher hier ohne Thomas verbracht habe. Auch wenn ich mich mit meinen Vierbeinern beschäftige, ich schaffe es einfach nicht, den Jungen zu vergessen. Dafür hat er mir viel zu viel bedeutet. Dafür ist er mir viel zu wichtig!

Ein Klopfen an meiner Zimmertür lässt mich aus meinen Gedanken hochschrecken. Kurz darauf wird sie geöffnet und Fleur steht im Türrahmen.


„Svea meinte vielleicht, dass du mitkommen willst."

Leicht schräg hinter ihr erblicke ich das kleine strohblonde Mädchen.

Ich zögere einen Augenblick.

Sollte ich da wirklich mit?

„Kimberly begleitet uns ebenfalls."

Ah, das neue Mädchen. Das Mädchen weswegen sich die beiden Riesen über das Heim hier erkundigt hatten. Und weswegen Thomas ihnen, als sie hier gewesen waren, eine meiner Katzen gezeigt hatte.

Ich blicke sie an.

Kitty-Blue, die auf meinem Bett liegt schaut ebenfalls in ihre Richtung.

Während Bianca unter meinem Bett in einem Körbchen liegt und schläft, ist Sammy draußen im Garten auf Erkundungstour. Er ist allemal derjenige, der die ganzen Dinge, die uns in den letzten Monaten passiert sind, am leichtesten wegsteckt.

„Die sieht ja flauschig aus", erlangt Kimberlys kindliche Stimme meine Aufmerksamkeit. „Kann ich sie streicheln?", will dann das dunkelblonde Mädchen mit den Stirnfranzen und den blaugrauen Augen von mir wissen. Ich zögere einen Moment, dann jedoch erlaube ich es ihr. Das Mädchen, ich schätze sie auf sechs Jahre, kommt auf mich zu.

Streckt ihre Arme aus und streichelt mit ihren kleinen Fingern durchs Fell meiner Katze. Kitty-Blue schließt zwar nicht genießerisch wie bei mir die Augen, aber ich denke dennoch, dass sie nichts dagegen hat.

„Kommst du auch mit die Kaninchen streicheln?", werde ich nach einigen Minuten dann von dem Mädchen gefragt.

„Ich bleibe bei Kitty-Blue", erwidere ich, „sie soll nicht alleine sein."

„Das ist sie nicht, deine andere Katze ist doch bei ihr", schaltet sich nun die Frau ein, worauf sie auf Bianca unterm Bett anspielt, „Elliot du warst schon die letzten fünf Tage nur hier!" Auch wenn sie normalerweise sehr freundlich zu mir ist, höre ich etwas aus ihrer Stimme heraus das gar nicht so nett klingt. Und noch schlimmer: Ich kann es nicht einordnen.

„Irgendwann musst du auch einmal raus, Junge!", spricht Fleur strikt weiter.

„Muss aber nicht jetzt sein", kontere ich.

„Jetzt kannst du aber mit Kimberly Kaninchen streicheln gehen."

„Kann ich wann anders auch."

„Bitte komm mit uns", erwartungsvoll schaut mich das Mädchen an, „Svea ist auch mit dabei." Ich blicke zu dem strohblonden Mädchen hinüber, das kurz ihre Hand hebt und mir zuwinkt. Und genau diese Geste lässt mich erneut in meinem Leben all meine Kraft zusammennehmen. Ich rutsche vom Bett und entscheide mich dazu, die drei zu begleiten.


Das Fell der schwarzen, braunen und weißgefleckten Hasen ist weich. Ich finde jedoch, es reicht bei weitem nicht an das flauschige Fell meiner Katzen heran und schon gar nicht an das seidenweiche von Kitty-Blue.


Den Rest des Vormittags verbringen wir mit Fleur bei den Kaninchen. Kimberly zeigt Svea und mir sogar ihr Tier, das sie hierher mitgenommen hat. Es ist ein weißbraunes Meerschweinchen und trägt den zauberhaften Namen Fee. Für meinen Geschmack hat es etwas zu viel gegessen, aber Kimberly sieht das offenbar anders, denn erneut hält sie ihrem vierbeinigen Haustier eine Möhre entgegen. Eifrig knabbert es daran und ist sichtlich zufrieden. Fee ist sehr liebevoll. Man kann sie stundenlang streicheln. Beißen tut sie nicht.

Kimberly darf sie aber nicht, wie ich meine Katzen, in ihr Zimmer mitnehmen. Das mir das erlaubt wurde, dafür hat sich Linn eingesetzt. Oh, sie zählt definitiv zu den Personen, die ich niemals in meinem Leben vergessen werde. Genauso wie Daddy, Mommy, Omi und Seth.


„Entschuldigung, dass ich euch störe, Fleur, aber jemand ist da um sich den Jungen anzusehen." Der Junge? Zuerst begreife ich gar nicht, dass ich damit gemeint bin. Aber ich bin der einzige. Der einzige unter zwei Mädchen. Drei Frauen, wenn man unsere Aufpasserin mitzählt.

„Elliot", als mein Name ausgesprochen wird kann ich nicht verhindern, dass mein Herz einen Satz macht.

Ich drehe mich um.

„Kommst du mit mir mit?"

Ich blicke in das Gesicht Dianas. Dass sie so heißt weiß ich, weil sie sich einmal um Thomas und mich gekümmert hat, als wir letzten Monat einen Ausflug gemacht hatten. Wir sind zu einem großen Spielplatz in einem wundervollen Park gegangen. Wo der ist, weiß ich leider nicht. Ich weiß nur noch, dass mir der Tag zusammen mit den anderen und zusammen mit Thomas sehr gut gefallen hat. Thomas hat sie damals gefragt, wie lange sie hier bleibt. Damals meinte sie drei Monate. Ihre Zeit hier sei begrenzt, weil es sich hierbei um ein Praktikum handle. Was das genau ist, weiß ich nicht. Sie hat es uns auch nicht erklärt. Ob Thomas das wusste? Keine Ahnung.

„Elliot?", abermals Dianas Stimme. Das Mädchen mit den langen braunen Haaren blickt mich abwartend an.

„Kommst du mit?", wendet sie sich erneut an mich.

„Wohin?", frage ich.

„Ein Ehepaar ist hier. Sie interessieren sich für dich."

Jemand will mich kennenlernen?

Mich?

MICH!

Ich bin so überrumpelt, dass ich nichts weiter zustande bringe als zu nicken.


Bei den beiden Riesen angekommen, bleibe ich stehen. Der hochgewachsene Mann hat blondes Haar und sieht mich aus blauen Augen an. In seinem Blick entdecke ich Gutmütigkeit. Dieselbe Gutmütigkeit, die ich bei meiner Mommy und meinem Daddy immer gesehen habe. Er wirkt freundlich. Bei der Frau im beigen Mantel kann ich das nicht sagen, da sie gerade in die andere Richtung blickt. Sie hat sandfarbene Haare, die sie zu einem Dutt zusammengebunden trägt. Ich muss mich unbedingt von meiner besten Seite zeigen. Und Angst haben darf ich auch keine! Denn wer weiß, wann ich das nächste Mal bemerkt werde.

„Schatz", macht der Mann sie aufmerksam.

Die für mich fremde Person dreht sich um.

Ich schaue in zwei warme haselnussbraune Augen, die mich freundlich anblicken. Auch in ihnen kann ich, wie zuvor bei dem hochgewachsenen Mann, nichts als Gutmütigkeit und Liebe entdecken. Die für mich namenlose Person kommt auf mich zu.

„Hallo", freundlich und darauf bedacht mich nicht zu erschrecken, wird mir eine Hand entgegengehalten, „ich bin Grace. Willst du mir deinen Namen verraten?"

Fifty Shades of Elliot (Band 1) #wingaward2019 #traumtaenzerawards2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt