Mommy! (Teil 6)

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Langsam öffne ich die Augen. Ich will mich aufsetzten, jedoch werde ich bestimmt, aber dennoch behutsam zurück in den Schoß gedrückt. Ich schaue auf und bemerke Seth, der jemanden anweist, mir ein Glas Wasser zu bringen. Ich höre hastige Schritte, die sich über hellen Kies weg schnell entfernen. Das letzte, das ich von meiner Mommy gehört habe, waren auch ihre Schritte.

Abermals Schwindel.

Schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen.

Ich kneife sie zu, nur um sie nach einigen Sekunden wieder zu öffnen.

„Es ist alles gut, Elliot", höre ich da Oma, „ich bin da." Endlich erblicke ich sie. Beruhigend streichelt sie meinen Arm und sofort fühle ich mich sicher. Oma ist da, es ist alles gut. Sie passt auf mich auf. Ich bin nicht allein.

„Kannst du aufstehen?", fragt sie an mich gewandt.

Ich nicke schwach und versuche wieder auf die Beine zu kommen.

„Warte, ich helfe dir, Großer", das ist Seth.

Seine starken Arme stützen mich, auch wenn Oma ihn böse anfunkelt. Sie hat ihm wohl noch immer nicht verziehen, dass er mir die schreckliche Wahrheit über Mommys Tod erzählt hat. Dafür bin ich dem Jungen mit dem schwarzen Haar und den blauen Augen sehr dankbar. Lange hätte ich Omas Geschichte mit den Wolkenhäusern sowieso nicht geglaubt. Wer weiß, was ich angestellt hätte, wenn ich immer älter und älter wurde. Irgendwann hätte meine Fantasie ganz einfach nicht mehr gereicht, um Oma das mit den Sternen und den Wolkenhäusern der Verstorbenen abzukaufen. Ob ich auf eigene Faust nachgeforscht hätte? Ja, der mutige Detektiv Elliot, der jeden noch so kniffligen Fall löst. Ja, wer weiß.

Sicher stehe ich auf meinen zwei Beinen im hellen Kies.

„Hier", eine nette Frau reicht mir ein Glas, ich glaube es ist Seths Mutter, immerhin ist es dieselbe Frau, die sich vorhin mit Oma im Auto unterhalten hat.

Zittrig führe ich das Glas zu meinen Lippen und mache einen Schluck.

Die kalte Flüssigkeit, die meine Kehle hinunterrinnt, tut mir gut. Hmh, wie angenehm.

Das Glas geleert fühle ich mich etwas kräftiger.

Seth nimmt es mir ab, gibt es seiner Mutter, die es wieder dahin zurückbringt, von wo sie es geholt hat.

Erleichtert kommt Oma auf mich zu und nimmt mich behutsam in den Arm. Wie froh ich doch bin, dass sie da ist. Die alte Frau, der ich so sehr vertraue, hebt mich hoch und trägt mich weg. Über ihre Schulter blicke ich zurück zu den anderen, die mir teils traurig, teils mit gemischten Gefühlen hinterher blicken. Ich konzentriere mich auf den gemächlichen Gang von Oma und auf die Gegend, die langsam an mir vorbeizieht. Lausche den regelmäßigen Schritten, die Oma durch den Kies macht und sehe den Personen nach, die langsam aber sicher immer kleiner und kleiner werden.

Oma hat mir erzählt, dass jetzt nach der Beerdigung von Mommy, alle Menschen noch etwas Essen gehen. Man nennt das Leichenschmaus. Aber da ich nichts essen möchte und auch wirklich keinen Hunger habe, fahren Oma und ich wieder nach Hause. Zuerst wollte Oma mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, aber Seths Mutter, hat es ihr nicht erlaubt. Oma sei zu müde und das würde sie nur weiter unnötig anstrengen und so war sie diejenige gewesen, die uns beide letztlich vor dem Wolkenkratzer in der schmalen Straße wieder abgesetzt hat.

Oma war ihr wirklich dankbar deswegen, aber Seths Mutter hatte das wohl für selbstverständlich gefunden. Sie hatte gelächelt, uns noch einmal kurz durchs Fenster zugewinkt, dann war sie aufs Gas getreten und der Wagen samt Seths Mutter und dem Jungen war die Straße entlang gefahren, während er immer kleiner und kleiner wurde.

Fifty Shades of Elliot (Band 1) #wingaward2019 #traumtaenzerawards2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt