Ein Schluchzer, der mich aus dem Schlaf reißt.
Sofort bin ich wach. Hellwach, um genau zu sein!
Erneut ein wimmernder Laut. Er scheint aus dem Wohnbereich zu kommen.
Im Stockdunklen setzte ich mich auf, rutsche vom Bett und steuere die braune Zimmertür an. Dass sie braun ist, sehe ich jetzt natürlich nicht, aber ich habe sie ja schon bei Tageslicht gesehen, die Tür meine ich. Langsam öffne ich diese einen Spalt breit und schaue hindurch, in den größten Raum der Wohnung.
Ich erblicke Lena, mit dem Rücken zu mir sitzt sie am Esstisch. Ein Telefon in ihrer zierlichen, rechten Hand.
„Wieso hat sie uns nicht angerufen", höre ich sie weinend sagen, „Ich meine, sie ist doch unsere Schwester." Erneut ein Schluchzer.
Prompt muss ich an Daddy denken. Und plötzlich sind da Bilder in meinem Kopf, die ich einfach nicht mehr loswerden kann. Ich sehe Daddy, der auf unserer Couch sitzt, ein Foto von Mommy in den Händen. Seine traurige, gebrochene Stimme, eine Glasflasche neben unserem Sofa. Und dann sehe ich Daddy vor meinem inneren Auge, der wankend ins Elternschlafzimmer taumelt. Irgendetwas Unvollständiges nuschelt, sich letzten Endes ins große Bett legt und sofort einschläft.
Ich schlucke.
Versuche die Bilder in meinem Kopf zu verjagen.
‚Nur keine Angst. Sei mutig. Ganz mutig, du schaffst das!'
Ja, nur keine Angst!
Also dann, los!
Ich schlucke und treibe meine Füße an weiterzugehen.
Langsam und auf Zehnspitzen tapse ich auf Lena, die noch immer mit dem Rücken zu mir sitzt, zu.
„Du ahnst nicht, wie ich mich heute mit ihr gestritten habe."
Einige Sekunden ist es still, dann spricht sie weiter.
„Ich weiß nicht, was ich noch tun soll, Janina", schluchzt Lena dann, ehe sie zu der Box greift und sich ein Taschentuch herauszupft, um sich die Augen zu trocknen.
Arme Lena, ich muss ihr doch irgendwie helfen können.
„Ja, genau", schnieft sie, ehe sie, „Was?", hervorbringt.
„Aber", spricht sie stockend weiter, „Das kann ich ihm nicht antun."
‚Von wem sie jetzt wohl spricht?'
„Okay", Lena wischt sich abermals übers Gesicht, „Mach ich, ich schlaf drüber".
„Ja, bis morgen. Hm, ich melde mich."
Sie legt auf, schnäuzt sich und fährt sich einmal durch ihr wirres, braunes, langes Haar. Als sie sich umdreht und mich bemerkt, erstarrt sie kurz.
„Elliot", kaum ist ihr mein Name über die Lippen gekommen, erhebt sie sich auch schon und kommt zu mir. Lena nimmt mich hoch und umarmt mich. Ganz fest. Als ich über ihre Schulter blicke, entdecke ich ihre Schwester Ella. Schlummernd liegt sie auf der dunkelroten Couch. Ich finde, sie sieht aus wie Schneewittchen. Mit dem dichten Haar und der hellen Haut.
Lena steuert direkt das Zimmer an, in dem ich mit den drei Katzen zuvor geschlafen habe. Die Stubentiger liegen übrigens noch immer im Bett und schnurren. Lena setzt mich ab, legt sich auf die Matratze und ich darf mich sogar an sie kuscheln.
Und so liegen wir da. Ich in ihrem Arm, die schnurrenden Katzen um uns herum und, auch wenn Lena zuvor noch geweint hat, so fühle ich mich doch pudelwohl bei ihr. Weiß ich doch, dass sie auf mich aufpasst. Weiß ich doch, dass ich bei ihr in Sicherheit bin, komme da was wolle.
Zufrieden sie zu haben, schmiege ich mich an sie und schließe die Augen.
„Ich habe dich lieb", höre ich sie irgendwann leise zu mir sagen, jedoch bleibt die Trauer in ihrer Stimme bestehen. Wenn ich nur irgendetwas tun könnte, um sie zu verjagen. Diese Trauerwolke über Lena. Ich würde alles tun. Einfach alles!
„Ich habe dich auch lieb", erwidere ich, „ganz doll."
Lena lächelt, beginnt jedoch erneut zu weinen.
Leider weiß ich noch immer nicht, wie ich ihr helfen kann.
Daher kuschle ich mich einfach noch enger an sie. Drücke ihre Hand und hoffe, hoffe ganz fest, dass das reicht.
Fortsetzung folgt...
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Fifty Shades of Elliot (Band 1) #wingaward2019 #traumtaenzerawards2019
FanfictionDas Leben kann so schnell zu Ende sein. Das ist etwas, dass dem kleinen Elliot sehr schnell bewusst wird. Den tragischen Verlust seiner Mutter einigermaßen überwunden, muss er feststellen, dass das Leben weitere böse Überraschungen für ihn bereithäl...