Lena unterschreibt einige Papierbögen, ehe sie diese der Frau vis a vis von ihr zuschiebt, dann wendet sie sich an mich.
Ich weiß noch immer nicht, was wir hier wollen.
Heute sind wir schon relativ früh aus den Federn. Ihre Schwester Ella hat noch auf der Couch geschlafen, als wir die Wohnung verlassen haben. Die Katzen sind bei Lenas Schwester geblieben. Übrigens hat sie mir erzählt, dass es ihre große Schwester ist. Genauso wie sie mir auch ein bisschen von ihrer anderen, kleineren Schwester erzählt hat. Sie wäre die Mittlere, hatte sie gesagt.
Ich hatte nur genickt.
Geschwister habe und hatte ich, im Gegensatz zu ihr, keine. In meiner Familie gab es nur Mommy, Daddy und mich. Jetzt bin nur noch ich übrig. Auch wenn das manchmal sehr schlimm für mich ist, so weiß ich, jetzt ist Lena da und die kümmert sich um mich. Das hat sie zu Linn gesagt und Lena vertraue ich in der Zwischenzeit!
Aber als sie mir über den Kopf streicht und mich dann auch noch umarmt und ganz fest an sich drückt, gerät mein Vertrauen in sie ins Wanken.
„Du musst jetzt ganz stark sein", sagt sie und in meinem Kopf beginnen sich die Gedanken zu überschlagen. Stark sein? Warum? Ich bin doch bei ihr! Sie ist doch da. Passt auf mich auf. Oder etwa nicht?
Lenas Hände verschwinden und sie richtet sich wieder auf.
Fragt noch etwas die Frau vis a vis, die ihr auch gleich eine Antwort gibt.
„Ich kann das nicht erlauben", redet die Fremde einfach weiter, „Kein Bewohner dieses Heimes hat ein Haustier. Ich kann den Jungen nicht bevorzugen. Das wäre unfair den Anderen gegenüber."
„Es sind doch nur drei Katzen."
„Katzen, Hunde... völlig egal. Es sind Tiere."
„Und Kleintiere sind erlaubt?"
„Bei uns nicht, aber das ist von Heim zu Heim unterschiedlich."
„Können Sie in diesem Fall keine Ausnahme machen?", Lena lässt nicht locker, „Ich meine, es geht um ihn! Um sein Leben! Seine Bedürfnisse! Seine Zukunft! Seine Entwicklung! Seine Person!"
„Tut mir Leid."
„Gut", Lena nickt, „Vergessen Sie die Anmeldung!"
Ihre Arme schießen nach vorne. Finger schnappen sich den eben unterschrieben Zettel und dann wird das Papier auch schon zerrissen.
Einmal.
Zweimal.
Dreimal.
„Elliot", damit wendet sie sich an mich, „Wir gehen."
Geladen und sauer, aus welchen Gründen auch immer, stopft sie die zerrissenen Papierteile in ihre Jackentasche, dann nimmt sie auch schon meine Hand und verlässt mit mir gemeinsam das gigantische Gebäude.
Ich bin froh drüber.
Sehr sogar!
Als wir den Gehsteig im strömenden Regen entlang gehen, kramt Lena irgendwann ihr Handy aus der Manteltasche und ruft jemanden an.
„Hallo", beginnt sie schon in den Hörer zu sprechen, „hier ist Lena."
„Ja", sagt sie dann und erwähnt ihren Nachnamen. Irgendwann fällt mein Name, ehe sie meine drei Katzen erwähnt.
„Mit dem Jugendamt", höre ich sie dann sagen. Schwingt in ihrer Stimme Angst mit?
Kurz ist es still.
Die Stimme am anderen Ende der Leitung scheint zu sprechen. Die braunhaarige Frau mit dem Handy hört aufmerksam zu.
„Danke", sagt sie, wobei sie sehr erleichtert klingt, „Vielen Dank, dass Sie sich darum kümmern, eine andere Einrichtung zu finden."
Damit legt sie auf, steckt das Telefon zurück in ihre Jackentasche und wir gehen weiter den Gehsteig entlang.
„Wer war's?", frage ich.
Lena zuckt zusammen. Ganz so als hätte ich sie erschreckt.
„Weißt du", beginnt sie und macht eine kleine Pause. Sie will weitersprechen, aber ein Lastwagen, der an uns vorbeidonnert und in eine Pfütze fährt, hält sie davon ab. Kaltes Nass spritzt uns entgegen und im nächsten Moment ist Lena auch schon von oben bis unten klitschnass. Ich ebenso!
„Na komm", sagt sie und muss leicht grinsen, „nichts wie ab nach Hause."
Ich nicke. Mit wem sie telefoniert hat und worüber sie geredet haben, kann sie mir ja noch später erzählen.
Noch immer nass, aber heilfroh kommen wir endlich an. Stufen hinauf und dann stehen wir auch schon vor der Tür. Lena, bereits den Schlüssel in der Hand erstarrt. Sofort greift sie nach meiner kleinen Hand.
„Was wollen Sie hier?"
Fortsetzung folgt...
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Fifty Shades of Elliot (Band 1) #wingaward2019 #traumtaenzerawards2019
Hayran KurguDas Leben kann so schnell zu Ende sein. Das ist etwas, dass dem kleinen Elliot sehr schnell bewusst wird. Den tragischen Verlust seiner Mutter einigermaßen überwunden, muss er feststellen, dass das Leben weitere böse Überraschungen für ihn bereithäl...