Mommy! (Teil 9)

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Seths Mutter hatte noch einige Male telefoniert. Mit wem weiß ich nicht, aber mir ist das auch egal. Nachdem sie mich angeschrien hat, habe ich ihr noch hinterhergeschaut. Jetzt sitze ich auf dem Sofa. Neben mir hat es sich Kitty-Blue bequem gemacht und mustert mit ihren großen, blauen Augen die Gegend. Sie scheint wohl schon lange kapiert zu haben, dass hier etwas nicht stimmt. Ob die graue Katze wohl schlauer ist als ich oder als Seths Mutter? Ehe ich noch weiter darüber nachdenken kann, kommt die schwarzhaarige, schlanke Frau wieder angerannt.

Oh, bitte, bitte schrei mich nicht mehr an!'

„Was, ihr seid nicht mehr befreundet, das ist mir ja ganz neu", höre ich sie verblüfft in ihr Handy sprechen, dann lauscht sie kurz und macht immer wieder „Hm" und „Aha." Zwischendurch vernehme ich auch ein „Völlig unmöglich" und ein „Davon hat mir Seth aber noch nie etwas erzählt."

Nach einer Weile höre ich nicht mehr so genau zu und widme mich Kitty-Blue. Langsam streichle ich ihr graues weiches Fell. Es ist so schön flauschig. Oh, hoffentlich kommt Seth bald. Und hoffentlich geht es ihm gut und er steckt nicht in Schwierigkeiten. Unwillkürlich muss ich an die drei Jungs in Lederjacken und Jeans denken, die ich damals vor Omas Hochhaus im Garten gesehen habe. Ich habe sie damals komisch gefunden... seltsam komisch sogar. Was, wenn Seth Problem mit ihnen hat? Nein, mir sagte Seth doch, es seien seine Freunde und Freunde sind nett zu einander.

Das Seufzen von Seths Mutter reißt mich aus meinen Gedanken. Die schwarzhaarige Frau steckt ihr Telefon in die Hosentasche, dann kommt sie zu mir und sagt, dass wir jetzt zu Frank fahren.

„Wer ist das?", will ich wissen.

„Ein Freund von Seth, komm her", damit streckt sie ihre Arme aus und nimmt mich hoch, trägt mich von der Katze weg, der ich eigentlich noch Tschüss sagen wollte, aber ihr scheint das ja egal zu sein.

Seths Mutter hilft mir in die kleinen Schühchen, ehe sie selbst in ihre und in die marineblaue Jacke hineinschlüpft. Mir hilft sie auch bei meiner, dann hebt sie mich hoch, nimmt mich auf den Arm und verlässt mit mir und ihrer Tasche zügig das Haus.

Draußen ist es kalt und es regnet leicht, als wir zum Auto in der Einfahrt gehen.

Dort angekommen, entriegelt sie den Wagen, setzt mich in den Kindersitz und legt mir den Gurt an, ehe sie die Tür zuschlägt. Die Autotür vor mir geht auf, von draußen weht ein kühles Lüftchen herein, dann fällt sie auch schon wieder geräuschvoll zu. Seths Mutter dreht den Schlüssel und gibt ordentlich Gas.

In hohem Tempo fegt sie durch die Straßen. Wir haben Glück und können sehr viele grüne Ampeln passieren. Mit einem heftigen Ruck hält der Wagen schließlich.

Hastig schnallt sich Seths Mutter ab, flieht regelrecht ins Freie, ehe sie meine Tür aufreißt. Mit zittrigen Fingern schnallt sie mich ab und hebt mich aus dem Sitz.

Wenige Sekunden später rennt sie in schnellen Schritten mit mir im Arm auf ein Haus zu. Das Gebäude hat einen weißen Anstrich und im Vorgarten des Hauses kann ich einige Gartenzwerge entdecken. An der Eingangstür angekommen betätigt Seths Mommy die Klingel.

Ein schrilles Läuten.

Einmal.

Zweimal.

Dann wird die Tür auch schon geöffnet und eine Frau lächelt uns freundlich aus dem Türrahmen entgegen.

„Hallo", begrüßt sie uns höflich.

„Das ist für mich, Mom", höre ich hinter ihr eine Stimme eines Jungen, der schnell auf uns zugerannt kommt, „dass ist für mich."

Seine Mutter dreht sich zu ihm um, dann schaut sie wieder uns an.

„Na, wenn das so ist, dann will ich mal nicht weiter stören", meint sie freundlich und verschwindet wieder zurück ins Haus.

Der Junge mit dem braunen verwuschelten Lockenkopf schüttelt Seths Mutter indes schon die Hand und lächelt dann mich an.

„Seth hat mir gar nicht erzählt, dass er einen kleinen Bruder hat."

Seths Mutter antwortet nichts darauf und folgt diesem Frank einfach durch das Haus bis in sein Zimmer.

„Also", sagt dann Seths Mutter, als sie mich auf Franks Bett abgesetzt hat, „wie sehen diese Typen aus, mit denen er jetzt befreundet ist."

„Einer von denen ist Ryan", entgegnet Frank freundlich und lächelt, „Moment, ich habe ein Klassenfoto." Der Junge mit dem braunen Lockenkopf dreht sich um. Einige Sekunden später öffnet er eine Schublade und kramt darin herum.

„Na bitte", sagt er schließlich lachend, eher zu sich selbst als zu uns. Er scheint gefunden zu haben wonach er gesucht hat. Seths Mutter schaut mich kurz an. In ihrer Mimik kann ich erkennen, dass sie sprichwörtlich auf heißen Kohlen sitzt und daher nicht ewig Zeit hat.

„Hier", mit diesen Worten dreht sich der Junge zu uns um und drückt Seths Mutter das Foto in ihre zierlichen Hände.

„Das hier ist er, Ryan, der Big Boss der Bande", erklärt der Lockenkopf und zeigt auf einen braunhaarigen, großgewachsenen Jungen in schwarzer Lederjacke, Jeans und Sneakers. Bei genauerem Betrachten fällt mir ein, dass ich diesen Typen kenne. Er war unten im Garten mit zwei anderen blondhaarigen Jungs. Seth meinte damals, er und die beiden anderen wären seine Freunde.

„Und das ist sein Freund?", hakt Seths Mutter ungläubig nach, „ich habe eine lebende Fantasie, wirklich, aber das übersteigt selbst meine Vorstellungskraft."

Frank lacht.

„Ich habe es am Anfang auch nicht glauben können, aber in letzter Zeit ist er öfters mit ihm abgehangen, mit ihm und zwei anderen Jungs... wobei jeder weiß, dass man sich eigentlich von denen eher fernhalten sollte."

„Fernhalten?", fragt Seths Mutter mit besorgter Stimme, die gleich um eine Oktave höher springt.

„Naja, sie haben schon viel Mist gebaut... und sind nicht gerade Musterschüler. Einmal hat man bei Ryan sogar Alkohol im Rucksack gefunden, da musste er unverzüglich zum Direktor."

„Das reicht, wo kann ich diesen Jungen finden?"

Frank blickt Seths Mutter daraufhin nur ungläubig an.

„Ist das Ihr Ernst, Ms?"

„Sehe ich etwa so aus, als ob ich Witze machen würde?", zischt sie sauer zurück und erhebt sich im selben Moment, „ich will meinen Sohn finden und wenn ich dazu mit diesem Typen", sie zeigt auf das Foto, „da reden muss, dann werde ICH das auch tun."

Sie bückt sich, streckt ihre Arme aus und nimmt mich hoch.

„Ich bitte Sie, mit diesen Leuten ist echt nicht zu spaßen", Franks Stimme, doch Seths Mommy dreht sich schon um und will den Raum verlassen. Da läutet plötzlich ein Handy.

„Das ist er", schreit Frank, „dass ist Seth!" Dann nimmt er auch schon den Anruf entgegen und Seths Mommy dreht sich wieder zu ihm und schaut den Jungen einfach nur stumm an.


Fortsetzung folgt....

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