Fassungslos sitze ich im Wagen, während Lena am Fahrersitz noch einige Sekunden in die Richtung schaut, in der Daddy verschwunden ist. Dann dreht sie sich zu mir um.
Schaut zu mir zurück.
„Na komm", sagt sie sanft, „wir gehen gemeinsam auf Seths Beerdigung. Ich bin mir sicher, er hätte das so gewollt."
‚Was ist mit Daddy?', will ich fragen, jedoch schaffen es die Worte nicht nach draußen. Und so nicke ich einfach nur.
Die Ampel vorne springt auf gelb um. Wenige Sekunden später wird sie grün und Lena gibt Gas. Auch wenn Mommys Freundin jetzt bei mir ist und ich so nicht alleine bin, fühle ich mich nicht wohl. Wünsche ich mir doch, dass Daddy in diesem Moment bei mir wäre.
Als das Auto zum zweiten Mal hält, steigt Lena aus. Wir müssen unser Ziel wohl erreicht haben. Und tatsächlich, wenige Sekunden später geht auch schon meine Tür auf und Mommys Freundin befreit mich von den Gurten des Kindersitzes, hebt mich hoch und schließt wieder die Wagentür. Ihr rotes Auto abgesperrt, setzt sie sich mit mir auf dem Arm in Bewegung.
Wir gehen in ein großes Gebäude, das aus hellem Sandstein gebaut ist. Mommy hat mir mal erklärt, dass man diese Bauten mit den hohen Türmen und einem Kreuz auf der höchsten Spitze, Kirchen nennt. Dieses Gebäude hat auch einige hohe Stellen, die ganz weit hinauf in den Himmel ragen.
Als wir die Kirche betreten, sehe ich viele Bänke. Einige Menschen sind hier und allesamt sind sie in Schwarz gekleidet. Unwillkürlich muss ich daran denken, dass Seth diese Farbe sehr oft selbst getragen hat. Ob er es wohl toll findet, dass wir hier alle in Schwarz auftauchen?
Mit mir auf dem Arm geht Lena über den hellen Steinboden. Wir gehen eine Art Gang entlang, der von zahlreichen dunkelbraunen Bänken gesäumt ist. Ich hebe meinen Kopf und schaue mich neugierig um. In einer Ecke kann ich eine Vorrichtung mit vielen hellen Kerzen entdecken, die jedoch immer kleiner und kleiner wird, da Lena noch immer einen Schritt nach dem anderen macht. Irgendwann bleibt sie stehen und setzt mich ab. Fragend schaue ich sie an.
„Komm mit", sagt sie freundlich, nimmt meine Hand und dann biegen wir nach links ab und stehen dann auch schon vor Melissa, die ich heute am liebsten gar nicht zu Gesicht bekommen wollte.
Ich schlucke einmal, während ich sie einfach nur anschaue.
Seths Mommy, von Kopf bis Fuß in Schwarz, wirkt zerbrochen und einsam. So habe ich sie nun wirklich noch nie gesehen. Sie wirkt so anders, so anders als sonst. Ich stehe ganz still da und schaue Melissa einfach nur an. Als Lena leichten Druck auf meine kleine Hand ausübt, folge ich ihr und mache einige Schritte nach vorne. Nun stehen wir beide direkt vor Melissa, die wie ein Häufchen Elend vor uns auf der Bank sitzt.
Die beiden reichen sich die Hände.
„Mein Beileid", höre ich Lena mitfühlend sagen.
„Danke", die gebrochene leise Stimme Melissas, dann bemerkt sie mich. Stumm blicken wir uns an. Kein Wort verlässt unsere Lippen, lediglich stille Tränen laufen Melissas Wangen hinunter.
Lena wendet sich ab, nimmt meine kleine Hand in ihre. Wir drehen uns um und entfernen uns von Melissa, um den Leuten hinter uns für ihre Beileidsbekundungen Platz zu machen.
Lena und ich suchen uns ein Plätzchen auf den dunkelbraunen Holzbänken in der großen Kirche. Ob das Gebäude wirklich so groß ist, weiß ich nicht genau, aber mir kommt es zumindest so vor. Groß. Viel zu groß.
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Fifty Shades of Elliot (Band 1) #wingaward2019 #traumtaenzerawards2019
FanfictionDas Leben kann so schnell zu Ende sein. Das ist etwas, dass dem kleinen Elliot sehr schnell bewusst wird. Den tragischen Verlust seiner Mutter einigermaßen überwunden, muss er feststellen, dass das Leben weitere böse Überraschungen für ihn bereithäl...