Mommy! (Teil 24)

26 1 0
                                    

Müde öffne ich die Augen.

Als ich jedoch bemerke, dass Seth weit und breit nirgends zu sehen ist, bin ich sofort hellwach. Hastig setze ich mich auf und scanne abermals die Gegend. Wachsam huschen meine blauen Augen durch den Raum, während mir das Herz vor Aufregung bis zum Hals schlägt.

Am Schreibtisch sitzt Linn. Ich höre ihre Finger. Geschwind und beschäftigt huschen/gleiten sie über die Tastatur des Rechners. Als wäre Schreiben das Leichteste auf dieser Welt. Wer weiß, vielleicht ist es das für sie ja auch... aber das kann ich nur vermuten.

Noch einmal lasse ich den Blick durch den Raum schweifen.

Kein Seth.

Gut. Ich werde ihn suchen gehen.

Schnell aufgesetzt, dann werden die Beine über die Couch geschwungen und ich erhebe mich auch schon. Linn am Schreibtisch scheint mich nicht zu bemerken. Sie ist viel zu vertieft ins Schreiben, was auch immer sie da gerade in die Tastatur tippt.

Eins, zwei, drei.

Die ersten Schritte sind leicht und vor allem schnell gemacht... dann jedoch werde ich angesprochen.

„Elliot, wo willst du denn hin?"

Reflexartig drehe ich mich um.

Sehe Linn, die mich hinter ihrem Rechner neugierig anblickt.

„Ich suche Seth", sage ich artig, „Hast du ihn gesehen?"

Für einen Moment wirkt die Beamtin verwirrt.

„Seth?", fragt sie und erhebt sich von ihrem Stuhl.

Ich nicke und komme zu ihr.

Linn wird mir bestimmt helfen ihn wiederzufinden. Und sie kann mir auch ganz sicher verraten, wo er hin ist. Leute die bei der Polizei arbeiten, helfen immer, das hat Mommy mir einmal erklärt. Also kann mir Linn ganz bestimmt helfen. Das muss sie einfach!

Einige Sekunden kramt sie auf den Unterlagen am Tisch herum, dann nimmt sie ein Bild, ich glaube es ist ein Foto, an sich und kommt damit auf mich zu.

„Du meinst ihn... oder?"

Kaum hat Linn das gesagt streckt sie mir das kleine Bild entgegen.

Ich nehme es an mich und betrachte das Foto. Auf ihm ist ein Junge mit pechschwarzen Haaren und strahlend blauen Augen zu sehen. Seth! Wie könnte ich ihn jemals vergessen.

Zaghaft nicke ich und schaue dann fragend zu Linn.

Diese streckt ihre Hände aus, nimmt mich auf den Arm und setzt sich, mit mir auf dem Schoß, auf die orange Couch. Dort beginnt sie mit mir zu reden. Ich höre ihr zu, während ich noch immer das Foto von Seth in meiner Hand halte.

Linn erzählt mir wieder von diesem wunderbaren Ort, wo jetzt Mommy und Daddy wohnen und sie berichtet mir, dass nun auch Seth dorthin gegangen ist.

Aber er war doch gerade noch...'

Gedanken überschlagen sich.

In mir ein einziges Durcheinander.

Wie kann er denn jetzt schon wieder im Wolkenhaus bei Mommy, Daddy und Oma sein, wenn er doch vor wenigen Minuten noch hier bei mir gewesen ist?'

Ich finde nichts, um diese Frage zu beantworten. Plötzlich ist in meinem Kopf nichts mehr außer Leere. Gähnende Leere und sie wird immer größer und größer. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen und dann ist da mit einem Schlag nichts außer Trauer in mir. Sie überwältigt mich. Ergreift in stürmischem Tempo Besitz von mir und überwälzt auch den letzten Hoffnungsschimmer, den ich noch in mir gehabt habe.

Seth war gar nicht hier. Und er wird auch nie wieder hier sein. Nie wieder.

Ich bin alleine. Ganz alleine.

Er ist weg.

Genauso wie Mommy, Daddy und Oma.

Keiner ist mehr da.

Ich bin alleine.

Völlig allein.

Ich habe alle verloren.

Nein', schreit eine kleine Stimme in meinem Inneren, ‚Er ist nicht tot, ich habe ihn doch gerade eben noch gesehen.'

Doch ich weiß, dass Seth weg ist... genauso wie meine Eltern und meine liebe Oma. Alle sind sie weg. Niemand ist mehr bei mir.

Hilflosigkeit!

In mir nichts als Hilflosigkeit.

Ein heftiges Zittern durchfährt meinen kleinen Körper.

Mit einem Mal ist mir eiskalt und dann fließen auch schon die Tränen. Viel zu schnell bahnen sie sich ihren Weg über die Wangen. Ein Schluchzer entkommt meiner Kehle und der unerträgliche Schmerz meldet sich wieder in mir zu Wort.

„Sch... sch", Linns warme, freundliche Stimme. Zarte Hände, die mich umarmen und mir zeigen, dass ich nicht alleine bin. Aber das nehme ich nur am Rande wahr, denn im Vordergrund steht dieser schreckliche Schmerz, gegen den es kein Heilmittel gibt... und gegen den ich einfach nicht ankomme. Ich bin alleine auf dieser Welt. Ganz allein!

Wie ein Häufchen Elend sitze ich auf Linns Schoß und fühle mich von allen verlassen, während ich meiner Trauer freien Lauf lasse und mit jeder Sekunde mehr in mir zusammenfalle. Immer mehr Tränen kommen aus meinen Augen und kullern über die Wangen. Auch wenn Linn ihr Bestes tut um mich zu trösten... und sie mir wirklich zeigt, dass ich nicht alleine bin... so weiß ich doch, dass es nie wieder, wirklich einfach nie mehr wieder, so sein kann wie früher!

Nie wieder auf den Spielplatz mit Mommy und Daddy!

Nie wieder leckeres Essen von Omi!

Nie wieder lustige, freche Sprüche von Seth!

ICH bin alleine.

Ganz alleine.

Für immer!

Hilfe!

NEIN!


Fortsetzung folgt...

Fifty Shades of Elliot (Band 1) #wingaward2019 #traumtaenzerawards2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt