Mommy! (Teil 32)

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„Dein Sohn?", fragt die Fremde mit Blick auf mich, als wir wieder zurück zu meinem neuen zu Hause gehen.

„Ja, könnte man so sagen", entgegnet Lena schmunzelnd und streicht mir sachte durchs blonde Haar.

„Elliot", meint sie dann, „das ist Ella, meine Schwester."

Ich schüttle ihr die Hand, was mein Gegenüber zum Lächeln bringt.


Unruhig wälze ich mich auf die andere Seite und blicke Kitty-Blue an, die mich mit ihren blauen, großen Augen anguckt und dauerhaft schnurrt. Die Frau mit den dunkelbraunen, langen Haaren ist mit zu uns nach Hause gekommen. Auch wenn ich heute eine Gutenachtgeschichte mit verteilten Rollen vorgelesen bekommen habe, ich kann einfach nicht einschlafen. Warum genau, weiß ich nicht so Recht. Und so setze ich mich auf und schwinge die Beine über den Bettrand. Kitty-Blue hat sogar schneller umgesetzt, was ich vorhabe. Ausgiebig streckt sie sich, ehe sie vom Bett springt und zur Tür hinausläuft.

‚Warte!'

Ohne zu überlegen laufe ich ihr hinterher.


Kaum biege ich um die Ecke, entdecke ich Lena und unsere Besucherin. Die beiden sitzen auf dem Sofa im großen Raum, wo auch der Tisch steht, an dem wir zuvor zu Abend gegessen haben.

„Du verstehst das nicht", höre ich Lenas Schwester leiste sagen, „Ich bin schwanger!"

Einige Sekunden ist es still.

„Weißt du, wer der Vater ist?"

Lena scheint ihre Stimme wiedergefunden zu haben.

Betroffen blickt unsere Besucherin zu Boden.

„Also nicht", stellt Lena trocken fest.

„Es könnte Chris sein..."

„Was ist mit John?", fragt ihre Schwester, „Mit dem bist du doch nach...."

„Nein", wird Lena von ihrer zittrigen Stimme unterbrochen, „Außerdem sind wir umgezogen. Deshalb bin ich ja überhaupt hier."

Scharf zieht Lena die Luft ein.

„Ihr seid nach Detroit gezogen. Warum? Ich dachte ihr wolltet nach Chicago?"

„Lange Geschichte", blockt Ella ab.

Offensichtlich will sie nicht darüber sprechen.

„Macht nichts", entgegnet Lena. Ihre Stimme noch immer ruhig. „Du kannst es mir erzählen. Meinetwegen auch morgen."

„Ich glaube, da will jemand was von dir?", mit diesen Worten werde ich entdeckt und nun dreht sich auch Lena zu mir um. Sofort erhebt sie sich und kommt zu mir.

„Elliot", meint sie, „du solltest doch schon längst in den Federn liegen."

„Kann nicht schlafen", entgegne ich und hoffe, dass Lena es mir nicht krumm nimmt, dass ich sie und ihre Schwester beim Gespräch unterbrochen habe. Lena zeigt jedoch keine böse Reaktion und ist weiterhin lieb zu mir. Mit den Worten: „Na komm her", werde ich hochgehoben und wenig später sitze ich auch schon auf ihrem Schoß ihrer Schwester gegenüber, die mir ein freundliches, aber durchaus müdes Lächeln schenkt.


„Hast du gehört worüber wir gesprochen haben?", will Lena von mir wissen. Wahrheitsgemäß nicke ich. Meine Fragestellerin seufzt.

„Willst du noch eine Geschichte hören?", fragt sie dann.

Au ja!

Sofort nicke ich.

„Wieder mit verteilten Rollen?", hakt Lena nach.

Erneut ein Nicken meinerseits. Die letzte Gutenachtgeschichte dieser Art hat mir besonders gut gefallen. Auch wenn unsere Besucherin daraufhin Lena einen mürrischen Blick zuwirft, lässt sie sich letztlich doch von ihrer Schwester überreden und so sitzen wir drei wenig später auf dem Sofa und Lena beginnt zu erzählen.

„Es war einmal in einem fernen Land, da lebte ein König. Aber nicht irgendein König. Es war ein Herrscher, der immerzu traurig war. So etwas wie Freude kannte er nicht. Auch wenn die Prinzessin, seine Tochter, ihr Bestes versuchte.

Sie kaufte ihm Edelsteine, Juwelen, schaffte die teuersten Instrumente für ihn an und kochte ihm sogar selbst etwas in der Küche. Ganz egal, ob sie ihm vorsang, vorlas oder ihn versuchte mit Witzen zum Lachen zu bringen... es wollte ihr einfach nicht gelingen ihren Vater glücklich zu machen. An einem Sommermorgen, als die Königstochter gerade an der Tafel im geräumigen Speisesaal saß, kam sie auf eine Idee. Es musste doch einfach jemanden auf dieser Welt geben, der ihren Vater wieder glücklich machen konnte.

Und so sannte sie Boten mit einer Nachricht aus. Die Botschaft war eigentlich ganz simpel. Sie lautete: Derjenige, der ihren Vater wieder glücklich machte, würde für den Rest seine Lebens ausgesorgt haben.

Und so kamen viele, die dem König helfen wollten.

Jedoch schaffte es kaum einer. Egal was auch versucht wurde, der Vater der Prinzessin blieb weiterhin traurig und die Königin, verlor langsam die Hoffnung. Die Tochter aber blieb frohen Herzens und guten Mutes. So schnell würde sie ganz bestimmt nicht aufgeben. Und eines Tages sollte sich ihr Durchhaltevermögen bezüglich ihres Vaters auch ausgezahlt haben. Denn nach Wochen Aussichtslosigkeit kam er. Derjenige, der im Leben ihres Vaters alles ein für alle Mal verändern sollte.

Es war ein Junge von kleiner, unscheinbarer Gestalt. Aber als er letztlich vorm König stand, der geknickt mit schiefer Krone auf seinem Thron saß, machte er ihm ein ungewöhnliches Angebot. Er sagte...", Lena endet und sieht zu ihrer Schwester. Diese wiederum blickt jedoch aus dem Fenster.

„Aber als er letztlich vorm König stand", wiederholt Lena ihren bereits gesagten Satz, „der geknickt mit schiefer Krone auf seinem Thron saß, machte er ihm ein ungewöhnliches Angebot. Er sagte..."

Ihre Schwester reagiert noch immer nicht. Scheint in Gedanken zu sein.

„Ella, du bist dran", Lena lässt nicht locker, „Hier, schau, da sind wir stehen geblieben." Sie deutet auf die Zeile.

„Ich kann das nicht, tut mir Leid."

„Was?"

„Ich kann nicht hier sitzen, dem Jungen vorlesen und dabei nicht dran denken, dass ich schwanger bin! Ich werde nie mit meinem Kind das tun können, was du jetzt machst!"

Lena klappt das Buch zu.

Schade.

Was ist mit meiner Geschichte?

Ehe ich mich weiter mit dieser Frage beschäftigen kann werde ich auf den Schoß genommen und hochgehoben.

„Warte hier", sagt Lena, „ich bring nur Elliot zu Bett, dann reden wir."

Damit setzt sie sich in Bewegung. Als ich über Lenas Schulter schaue, erblicke ich ihre Schwester. Den Kopf auf ihre zierlichen Hände gestützt sitzt sie da. Ihre Augen wirken so traurig, und wenn ich mich nicht irre, kann ich sogar etwas Nasses darin glänzen sehen.



Fortsetzung folgt...

Fifty Shades of Elliot (Band 1) #wingaward2019 #traumtaenzerawards2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt