Bleich, kalt, starr und nass liegt er regungslos da, während der Regen auf ihn hinabfällt und seine Kleidung durchnässt.
„Mein lieber Junge", die verzweifelte Stimme von Seths Mommy, „das kann doch einfach nicht wahr sein."
Wie gebannt starre ich auf Seth, der mit offenen leeren Augen im Laub liegt.
„Dein ganzes Leben hattest du noch vor dir", wieder Seths Mommy. Ihr Junge bewegt sich keinen Zentimeter. Unfähig etwas zu tun oder zu sagen, starre ich ihn einfach nur an.
Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein.
Jegliche Geräusche rücken in den Hintergrund und das Einzige, was ich höre ist mein rasendes Herz.
Klopf. Klopf. Klopf.
Bumm, Bumm, Bumm.
Augenblicklich wird mir schlecht.
Ich stehe noch immer wie angewurzelt da und starre einfach nur geradeaus.
In meinem Kopf tauchen Bilder auf.
Ich sehe die drei Jungs, die laut Seth seine Freunde sein sollen.
Ich sehe die drei Katzen im Haus von Seths Mommy.
Ich sehe das Foto, von meinem Daddy auf Seths Schreibtisch.
In mir taucht die Frage auf, warum mein Daddy genauso aussieht wie seiner. Meinen Daddy gibt es doch nur einmal auf dieser Welt. Immerhin hat das einmal Mommy gesagt... ‚So jemanden wie dich gibt es wirklich nur einmal, Richard.'
Und was ist mit Seth? Den gibt es doch auch nur einmal! Niemand wird ihn jemals ersetzten können! Niemand. Kein einziger auf diesem Erdball, da bin ich mir ziemlich sicher.
Quietschende Autoreifen reißen mich aus meinen Gedanken.
Erschrocken zucke ich zusammen. Langsam drehe ich mich um und erblicke Männer. Männer in Uniformen. Blauen Uniformen mit weißem Schriftzug. Oh nein, gar nicht gut.
Ich will mich kleinzaubern, mich ganz schnell verstecken, aber es ist zu spät. Sie haben mich bereits bemerkt.
Leider.
Drei von ihnen, es sind drei Männer, kommen auf mich zugelaufen. Seths Mommy hat sie nun ebenfalls bemerkt und blickt auf.
„Mein Sohn", höre ich sie etwas lauter rufen, „mein Sohn... er braucht dringend Hilfe!"
Die Männer beschleunigen und in wenigen Sekunden sind sie bei uns. Reden auf Seths Mommy ein, dann ruft einer etwas einem anderen zu, der sich noch beim Auto mit dem blinkenden Blaulicht befindet. Wie erstarrt stehe ich einfach nur da und beobachte stumm, was um mich herum passiert.
Jetzt kommt noch einer. Wieder ein Mann, er schiebt ein längliches Ding auf Rädern vor sich her. Der schlafende Seth, ich weiß nicht, ob er wirklich tot ist, wird hochgehoben und darauf gelegt.
Dann kommt auch schon ein anderer Mann, ebenfalls in Uniform, zu Seths Mommy gelaufen. Er hat etwas Schwarzes in der Hand. Breitet es am Boden aus und macht wilde Bewegungen. Seths Mommy weint und kämpft mit den Tränen.
„Aber mein Junge", höre ich sie zittrig sagen, „mein Junge, er muss doch noch..."
Ihre Stimme verliert sich im strömenden Regen.
Ein weiterer Mann kommt angelaufen und zusammen mit einem anderen, hebt er Seth hoch und legt ihn in das Schwarze Ding am Boden, ehe er es zuzippt. Seths Körper verschwindet darin.
Ich höre den Regen.
Vernehme schnelle Schritte.
Zwei Männer gehen mit dem schwarzen länglichen Etwas an mir vorbei. Seths Mutter folgt ihnen panisch und wild gestikulierend.
Schnelle Schritte, die durch die Gegend hasten.
In meinem Kopf dreht sich alles und plötzlich wird mir speiübel.
Meine Beine werden weich wie Pudding und ich drohe in mich zusammenzufallen.
„Ms.?", höre ich eine fremde, tiefe Männerstimme gedämpft sagen, „gehört der Junge zu ihnen?"
Wieso hört sich die Stimme denn so komisch an?
Wieso ist mein Herz so laut?
Wieso ist mir so schwindlig?
Seths Mutter dreht sich um.
Schaut mich an.
Schüttelt den Kopf.
„Nein", sagt sie flüsterleise, „tut mir leid."
Was?
Mein Herz macht einen Sprung.
Ich fühle mich verraten, verkauft und vor allem allein!
‚Aber DU kennst mich doch? Warum machst du das?'
Fassungslos starre ich sie an.
Seths Mommy wendet sich von mir ab, ehe sie in das Auto mit dem blinkenden Blaulicht einsteigt.
Ich höre eine Autotür. Geräuschvoll wird sie zugeschlagen, dann höre ich einen Mann schreien: „Silver, übernimm bitte den Jungen! Ich kümmere mich um die Frau!"
Doch ich achte gar nicht so richtig auf die Stimme.
Starre einfach nur das Auto an, in dem Seths Mommy sitzt und weinend geradeaus schaut.
Ich vernehme Schritte, die näher kommen, dann geht jemand vor mir in die Hocke und blickt mich an.
„Hallo kleiner Mann", werde ich freundlich begrüßt, „ich bin Linn, kommst du mit mir mit?"
Ich blicke auf und schaue in strahlendblaue, gutmütige Augen.
Meine Mommy hatte auch solche Augen. So schöne blaue. Ja, und Seth hatte die auch... diese schönen blauen, lieben Augen... die ich jetzt nie wieder sehen werde.
„Ich tu dir nichts, versprochen. Ich will nur helfen", setzt die nette Blondine vor mir erneut an, „darf ich dir helfen, Kleiner?"
Kraftlos nicke ich.
‚Ja, bitte mach alles wieder gut, dann ist mir geholfen. Schick meine Mommy zu mir zurück, mach.. dass Omi wieder lebt... und Seth auch wieder da ist... Und bitte, bitte schick mir meinen lieben Daddy zurück.'
Ich muss an Seth denken und wie aufs Stichwort beginnt mein ganzer Körper zu zittern und salzige Tränen kündigen sich an. Ich lasse ihnen einfach freien Lauf. Im strömenden Regen sieht die doch sowieso keiner, oder?
„Na komm her", die liebevolle Stimme der fremden Frau. Mommy hat auch immer so mit mir gesprochen. In mir zieht sich alles zusammen und noch mehr Tränen kullern meine Wangen hinunter. Es werden immer mehr und mehr, während die Frau mich hochhebt und auf ihren Arm nimmt.
„Es wird alles wieder gut, Kleiner", höre ich sie freundlich flüstern, dann setzt sie sich in Bewegung.
Gemeinsam mit mir, steigt sie in ein warmes Auto. Ein Mann am Steuer wirft ihr kurz einen mitfühlenden Blick zu, ehe er den Wagen in Bewegung setzt.
„Ich fahr danach noch zum Rechtsmediziner, wegen dem Jungen, soll ich dich beim Revier rauslasen, Silver?"
Die Frau nickt.
„Ja, das wäre wirklich nett von dir, Morgan."
Der dunkelhäutige Mann schenkt ihr ein leichtes Lächeln, dann fährt er los und für mich beginnt eine Fahrt ins Ungewisse.
Der nasse Regen draußen wird immer stärker und stärker. Der Himmel scheint auch um Seth zu trauern. Denn er ist weg, kommt nie wieder zurück, ich bin allein und das kann einfach nicht gut sein.
Fortsetzung folgt...
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Fifty Shades of Elliot (Band 1) #wingaward2019 #traumtaenzerawards2019
FanfictionDas Leben kann so schnell zu Ende sein. Das ist etwas, dass dem kleinen Elliot sehr schnell bewusst wird. Den tragischen Verlust seiner Mutter einigermaßen überwunden, muss er feststellen, dass das Leben weitere böse Überraschungen für ihn bereithäl...