Es ist ein Mädchen

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Ich konnte es nicht fassen! In meinem Kopf wiederholten sich ihre Worte in Dauerschleife.

Sollte ich ihr vertrauen? Hatte sie wirklich die Wahrheit gesagt?

Milah würde furchtbar enttäuscht von mir sein, wenn ich jetzt aufgeben und nach Hause kommen würde! Doch wenn sie tatsächlich unser Kind bekommen würde......

In meinem Kopf schwirrten tausend Gedanken herum, die ich zu keiner Antwort zuordnen konnte. Ich schüttelte den Kopf.

Sie war bestimmt eine Schwindlerin! Das, was sie gesagt hat, musste nichts bedeuten! Milah hätte mir bestimmt gesagt, wenn sie schwanger wäre.

Mit diesen Gedanken ging ich in das Zelt, dass ich mir mit Remus und noch ein paar anderen teilte. Inzwischen war es schon dunkel geworden.

Auf einmal streckte Hordor sein Kopf hinein.

"Leute heute wird ein gewaltiger Sturm aufziehen! An eurer Stelle würde ich lieber alles festhalten, was euch lieb ist!", rief er und Zelt, lachte und verschwand wieder.

Was? Das konnte doch nicht sein! Die Seherin hatte eine stürmische Nacht vorausgesagt! Und das in der mein Kind geboren werden würde!

Vorsichtig stieg ich nach draußen und tatsächlich! Der Himmel war pechschwarz und der Wind fegte nur so übers Land. Schon in Kürze fing es ebenfalls an zu regnen.

Schon nach kurzer Zeit war ich komplett durchnässt.

Das durfte doch nicht wahr sein! Also hatte die Seherin doch recht!

"Rumpelstilzchen! Hilf mir mal!", schrie Hordor von weitem. Ich konnte durch den Sturm kaum was erkennen. Ich lief ziellos in eine Richtung und wurde grob am Arm gepackt.

"Hilf mir mal mit dem Verletzten!", brüllte er gegen den Sturm an.

Auf dem Boden lag eine Trage und auf der lag ein Mensch. Er war sehr schwer verletzt und schrie immerzu vor lauter Schmerzen. Er kam direkt aus dem Krieg.

Plötzlich bekam ich es mit der Angst zu tun!

Wollte ich da wirklich rausgehen? Ich konnte mein Kind nicht allein lassen! Ich wollte nie, dass mein Kind später vaterlos aufwächst, so wie ich!

Zusammen mit Hordor hob ich die Trage an und brachte sie in Zelt, wo sie alle Verletzten hinbrachten. Der Mann schrie immer mal wieder.

Oh gott, was hatte ich nur getan! Ich hätte niemals hierherkommen dürfen! Ich sollte jetzt bei meiner Frau und meinem Kind sein! Doch man kam nur hier weg, wenn man verletzt war.

Da kam mir auf einmal eine Idee. Ich schlich mich hinter einen Heuwagen und nahm mir einen Holzhammer.

Die Idee war komplett idiotisch, aber es war mein einziger Weg nach Hause zu meinem Kind.

Ich hatte Angst! Angst was passieren würde, wenn ich nach Hause käme.

Würde Milah dann wirklich unser Kind in den Händen halten? Wäre sie sehr enttäuscht von mir? Aber sie wollte ja auch zuerst gar nicht, dass ich gehe!

Ich atmete einmal ganz tief durch und schlug mir mit dem Holzhammer auf mein linkes Bein. Es knackte laut und ich schrie vor Schmerzen auf. Ich konnte nicht mehr stehen und lag, mich vor Schmerzen krümmend, am Boden.

Diese Schmerzen zogen sich durch mein ganzes Bein. Ich schrie mir fast die Seele aus dem Leib.

Irgendwann wurde ich hochgezogen und zu die Verletzten ins Zelt gebracht. Dort verband man mein Bein und man sagte mir, ich solle nach Hause humpeln.

Man gab mir einen langen Hirtenstab und so humpelte ich den Weg zurück in mein Dorf. Dabei redete ich mir die ganze Zeit ein, dass ich das nur für meine Familie tat. Ich wollte mein Kind in den Armen halten. Ich wollte nicht, dass es ohne Vater aufwächst.

Im Dorf hatte sich es bereits schon rumgesprochen, dass ich, Rumpelstilzchen, gekniffen habe. Von allen Seiten wurde ich ausgelacht.

Doch ich humpelte inbeirrt weiter zu unserem Haus. Der Morgen graute schon und der Sturm hatte nachgelassen.

Ich öffnete langsam die Tür und spähte hinein. Milah stand an der Feuerstelle und sang vor sich hin.

Schließlich trat ich ganz ein. Milah musste mich gehört haben, denn sie drehte sich um. Sie sah mich zuerst freudig, doch dann missmutig an.

"Dann ist es also wahr!", sagte sie und musterte dabei voller Enttäuschung mein verletztes Bein.

"Was ist wahr, Liebste?", fragte ich und trotz meiner Mühe konnte ich nicht verhindern, dass meine Stimme unsicher klang.

"Ich dachte das wäre nur wieder so ein Gerücht, das die Leute mal wieder über dich verbreiten!", fuhr sie unbeirrt fort.

"Und über was sollten die Leute reden?", fragte ich weiter nach, diesmal etwas ungeduldiger.

"Dass du dich selbst verletzt hast, nur um im Krieg nicht antreten zu müssen!", rief sie jetzt laut und ihre Stimme überschlug sich dabei.

Was sollte ich darauf erwidern?

Ich hatte mir keine Ausrede zurecht gelegt. So versuchte ich es einfach mit der Wahrheit.

Ich erzählte ihr von der Seherin, die mir von der Geburt meines Kindes und meinem Tod im Krieg erzählt hatte.

Doch sie glaubte mir kein Wort.

"Eine Seherin! Dass ich nicht lache! Dass du deinem Kind so etwas antust! Du hättest im Krieg als tapferer Soldat sterben sollen und eine gewisse Ehre behalten! Und du hättest Mut bewiesen! Doch jetzt halten dich alle für den Dorffeigling!", rief sie weiter.

Ich war von ihrem Ausbruch so entsetzt, dass ich mich hinsetzen musste.

"Milah!", sagte ich leise, aber so, dass sie mich noch hören konnte, "das meintest du doch jetzt nicht wirklich so oder?"

Ihre Worte hatten mich tief im Herzen getroffen. Das sie so etwas schreckliches sagen würde, mit dem hätte ich nicht gerechnet.

Auf meine Frage hatte sie diesmal keine Antwort mehr. Ihr Blick wechselte von wütend zu schlechtem Gewissen. Sie drehte sich um und holte etwas aus einer kleinen Wiege.

Sie ging langsam zu ihr und legte es mir in die Arme.

"Es ist ein Mädchen!", sagte sie leise, bevor sie sich einen Kübel schnappte und zum Melken hinausging.

Zum ersten Mal hielt ich mein Kind in den Händen. Mein Herz machte sofort einen rießigen Freudesprung, als die Kleine mit ihren großen braunen Rehaugen anschaute. Dann lächelte sich und legte ihre winzige kleine Hand auf meine Wange.

Ich konnte nicht anders, als zurückzulächen. Ich liebte sie jetzt schon so sehr. Ich hatte eine Tochter! Ich konnte es immer noch kaum fassen! Ich hätte gerade vor Freude platzen können.

"Mein kleines Mädchen! Egal, was auch geschieht, ich werde dich niemals im Leben im Stich lassen. Ich werde dich niemals verlassen! Ich werde immer bei dir sein! Jeden Tag solange ich lebe!", flüsterte ich ihr zu, "meine kleine Melody!"

Once upon a time ~ The beast's daughterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt