Kapitel 46

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Mit meinem Koffer laufe ich wieder zurück zu Sammys Wohnung. Dieses Mal begegne ich niemandem. Sammy liegt noch immer schlafend auf seinem Bett. Ich stelle meinen Koffer neben der Tür ab und lege mich wieder neben ihn. Draußen ist es zwar noch immer dunkel, wieder einschlafen kann ich aber trotzdem nicht. Die nächsten Minuten liege ich nur auf dem Rücken neben Sammy und starre die Decke an.

Wo sind meine Eltern jetzt wohl? Sehen sie mich hier, wie ich neben einem Lehrer in seinem Bett liege? Was würden sie von mir denken? Meine Eltern haben mich eigentlich immer in allem unterstützt was ich gemacht habe, aber was würden sie hierzu sagen?

Ich werde von Sammy, der sich neben mir bewegt, aus meinen Gedanken gerissen. Er setzt sich auf, ich schließe meine Augen, er bleibt einige Sekunden reglos sitzen, ich höre die Bettdecke rascheln und seine Hand streicht über meine Wange, dann spüre ich seine Lippen auf meiner Stirn. Noch immer bewege ich mich nicht, ich weiß nicht warum ich das überhaupt mache, ich glaube ich fühle mich momentan einfach nicht in der richtigen Lage um mit irgendwem zu reden, ich will einfach nur meine Ruhe, allein sein, aber trotzdem will ich bei ihm sein. Sammy steht auf und ich höre wie er ins Badezimmer geht, wenige Minuten später geht die Dusche an. Ich vergrabe mich unter der Bettdecke, hier riecht alles nach Sammy.

Das Prasseln des Wassers in der Dusche wird in meinem Kopf immer leiser, bis ich schließlich doch wieder einschlafe.

Vor mir stehen meine Eltern, ich kann nicht reden, mich nicht bewegen, sie stehen neben einem Auto und mein Dad hat seine Hand bereits an dem Griff der Autotür. Ich will auf sie zulaufen, sie davon abhalten ins Auto zu steigen und in ihren Tod zu fahren, aber es geht nicht. Ich kann ihnen nicht einmal sagen dass sie in Gefahr sind. Mir kommt kein einziges Wort über die Lippen. Ich stehe steif vor ihnen, meine Eltern winken mir zu, lachen mich an, dann öffnet mein Dad meiner Mum die Autotür, sie steigt ein und er läuft um das Auto herum und steigt selbst auch ein. Er startet den Motor, meine Mum winkt mir noch ein letztes Mal durch das Fenster zu. Das Auto fährt die stark befahrene Straße entlang. Dann sehe ich ein anderes Auto, es fährt viel zu schnell, der Mann am Steuer versucht hektisch das Lenkrad herum zu reißen, doch es ist schon zu spät. Sekunden später kracht das Auto in das meiner Eltern, ich kann nicht einmal schreien oder mir die Hände vors Gesicht halten, ich muss alles mit meinen eigenen Augen ansehen. Passanten laufen auf das Auto zu, öffnen die Autotür, eine Menschenmenge sammelt sich am Straßenrand an und beobachtet das Geschehen, einige der Zuschauer schießen sogar mit ihrem Smartphones Bilder. Die Körper meiner Eltern und eines mir unbekannten Mannes werden aus dem Auto gezogen. Ich will wegsehen, kann aber nicht. Die Körper sind blutüberströmt, die Augen des Unbekannten sind weit geöffnet, meine Eltern haben beide ihre Augen geschlossen.

Plötzlich drängt sich eine Stimme in meinen Kopf.

"Mia? Mia? Ist alles in Ordnung."

Ich öffne meine Augen. Sammy beugt sich über mich.

"Mia, du hast im Schlaf geredet."

"Alptraum."

"Ist alles in Ordnung mit dir?"

"Ja."

"Ich merk doch dass es dir schlecht geht."

"Wie würde es dir gehen wenn deine Eltern beide tot sind und du im Schlaf den ganzen Unfall miterlebst?"

Sammy will sich neben mich setzen. Ich drehe mich weg.
Versteht er mich eigentlich? Kann er nachvollziehen wie es mir geht?

"Mia, bitte rede doch wenigstens mit mir."

Unmerklich schüttle ich meinen Kopf, ich traue mich nicht Sammy anzuschauen.
Ich weiß nicht was ich ihm sagen soll. Ich weiß dass er alles dafür geben würde dass es mir auch nur ein kleines bisschen besser gehen würde, doch wie sollte er das machen? Schon wieder spüre ich diesen Kloß in meinem Hals, doch weinen kann ich immer noch nicht.

Ich lehne mich zurück und starre die Decke über mir an.

"Mia, bitte."

Ich schweige. Sammy fährt sich gedankenverloren durch die Haare.

{682 Wörter}

Forbidden LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt