Sturm vor der Ruhe

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Es fühlte sich so leer an, nachdem ich zwei Menschen verloren hatte, die ich nicht hätte gehen lassen sollen. Mein bester Freund sprach nicht mehr mit mir, ging noch nicht einmal an sein Handy und lebte fast eintausend Kilometer von mir weg. Mein Herz wurde erneut zerrissen und das von meiner Wenigkeit. Ich hatte mich selbst zerstört und das nur, weil ich zwei Menschen gehen lassen hab und das aus einem unerklärlichen Grund. Eine Woche lang saß ich jetzt wieder in dieser Wohnung. Der Kühlschrank war leer, die Cornflakes nur noch Krümel und der Käse nicht mehr genießbar. Ich konnte nicht mehr. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte und ich fühlte mich leer und allein gelassen.

Ich seufzte schwer, Band mir nicht einmal meine Schuhe zu und ging dann vor die Tür. Es stürmte, was ich vorher nicht beachtet hatte. Ich ging trotzdem weiter und war der festen Überzeugung, dass wenn mich ein Baum treffen sollte, der Abgang sicher Würdevoller wäre, als in einem Krankenhausbett zu krepieren. Ich hielt mir also meine dünne sweatjacke vor dem Körper zu und lief zum Edeka. Dass mein Herz schmerzte und ich mich mit meinem rechten Bein zu diesen schleppte, ignorierte ich dabei.

"Du siehst ganz und gar nicht gut aus." Der Schwarzhaarige mit den glasklaren, hellblauen Augen, dessen Haare ihm nass ins Gesicht fielen, tauchte auf einmal neben mir auf und lächelte mich an. Ich stoppte also, obwohl ich mich schon etwas verfolgt fühlte und betrachtete meinen Gegenüber misstrauisch.

"Was tust du denn hier?" Fragte ich also den mir bekannten Mann, dessen Namen ich immer noch nicht kannte und starrte ihn fragend an. Ich wusste nicht genau, was ich nun von ihm halten sollte und ein wenig Angst hatte ich schon vor ihm, aber trotzdem lächelte ich ihn an und ließ seine Annäherung zu.

"Ich kam gerade vom Krankenhaus und jetzt gehe ich zum Edeka, um mir Pflaster zu kaufen." Er streckte seinen Arm aus, lächelte und deutete auf seine Ader in seiner Ellenbogenbeuge, die ziehmlich doll blutete. "Die Idioten beim Blut abnehmen haben wieder einmal ein wenig übertrieben." Er seufzte dann genervt, schob seinen Pullover wieder über den Arm und schwieg dann nur. Vielleicht wartete er auf eine Antwort, die ich ihm aber nicht geben konnte, weil ich selbst nicht so ganz wusste, was ich hier zu suchen hatte. Ich wusste selbst nicht so richtig, was ich tun sollte und was nicht. Ich hatte alles nur noch schlimmer gemacht und ich hatte alles verloren, was mir etwas bedeutet hatte.

"Hey, was ist los?" Der Schwarzhaarige sah mich an, legte seine großen Hände auf meine Schultern, die ich von ihm wegzog. "Tut mir Leid." Murmelte dieser dann erschrocken und ich nickte dann nur, drehte mich von ihm weg und ging wieder in Richtung Wohnung, die ich nie mein zuhause nannte, weil mein zuhause sechshundert Kilometer weit weg war. Und ich vermisste mein Zuhause. Ich vermisste es mehr, als alles andere. Und ich vermisste Timo und Max und Mario und Marco und die Spanier und den Schweizer und Schmelle und die Leverkuser, Kramer und Fiete.

Den aufdringlichen Schwarzhaarigen hatte ich abgewimmelt und dann zog ich den Schlüssel aus meiner Hosentasche, schloss die Tür auf und ging durch diese durch. Sobald ich in der Wohnung war und die Tür hinter mir geschlossen hatte, fiel mir ein, dass ich gar nicht einkaufen war, was eigentlich der ursprüngliche Grund, weshalb ich vor die Tür ging, war. Ich seufzte genervt von mir selbst und lehnte mich dann gegen die Tür.

Dann griff ich zu meinem Handy, wählte Max' Nummer und ließ das Piepen, das mich an das EKG erinnerte, durch mein Gehör reisen. Doch nach dem zweiten Piepton legte ich auf, weil ich Angst davor hatte, Max' Stimme zu hören.

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