you watch(ed) my heart burn

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"Wo willst du hin?"

Max und ich hatten noch zwei weitere Nächte in Dortmund verbracht und beschlossen, dass wir Morgenfrüh wieder abreisen würden. Die Tage mit Max in Dortmund vergingen wie im Fluge, wir waren in Schalketrikots Eisessen und shoppen gegangen. Auf unserer Tour war ich heilfroh, dass Max nur dreißig, vielleicht auch vierzig Mal erkannt wurde. Und nebenher war ich noch einen Ticken froher darüber, dass kein Dortmunder Hooligan drauf und dran war, uns zu verprügeln.

"Wollte noch eine Sache erledigen, geh doch schnell schlafen. Ich komme klar." Erklärte ich Max dann, der nur grimmig nickte. Er hasste es, mich alleine zu lassen, aber dennoch wusste er letztendlich, dass es keinen Sinn hatte, mit mir zu diskutieren, also zog ich mein Ding durch und machte mich auf den Weg. Obwohl es Sommer war, wurde es abends immer kälter und man konnte den Herbst schon erahnen. Nichts desto trotz, ging ich weiter, bis ich schließlich am Dortmunder Trainingsgelände ankam. Ich hatte zwar den Schlüssel abgeben, trotzdem wusste ich, dass die rechte Tür hinter den Plätzen immer offen war.

So eine Art Insiderwissen also.

Ich betrat nun dann den Platz, kletterte das Tor hinauf und sah den Sonnenuntergang entgegen. Es war halb Zehn, ich genoss die letzten Sonnenstrahlen und dachte über Dieses und Jenes nach. Irgendwann dann, es war sicher schon eine Stunde vergangen, sah ich auf einmal in die Augen eines mir bekannten Mannes.

Mats saß mir gegenüber, die Sonne ging hinter ihm unter und er sagte nichts, sondern sah einfach nur in die Luft. Ich hatte schon überlegt, irgendetwas zu rufen, jedoch entschied ich mich dagegen, sondern sah ihn stattdessen einfach nur an. Ich tat nichts, außer es ihm gleich: ich sah ins nirgendwo.

Ich entschied mich, nach mindestens zwanzig minütigem Schweigen, ihm zu winken. So ein ganz kleines, unscheinbares Wackeln mit der Hand. Vielleicht lächelte ich dabei sogar ein wenig verlegen, aber das war mir in diesem Moment egal. Mats wank sogar zurück, nicht unbedingt zu meiner Überraschung, weil er ja scheinbar auch hier war, um nachzudenken, oder sogar, um sich auszusprechen und das taten wir immer hier. Zusammen. Ich musste unwillkürlich anfangen zu lächeln und fragte mich, ob er nicht sogar zu mir rüber kommen würde.

Ich atmete also tief ein, wank ihn zu mir rüber und legte fragend meinen Kopf schief. Ein niedliches, überlegendes Lächeln hatte sich auf seinen Lippen gebildet, bis er schließlich anfing, zu nicken und vom Tor sprang, um zu mir zu laufen. Er kletterte auf das Tor und starrte wieder ins Nichts.

Eigentlich wollte ich diese Stille nicht brechen und ich wusste, wie toll das Schweigen von uns auf den Toren zur Europameisterschaftszeit war, jedoch hatte ich Redebedarf. Nicht unbedingt mit ihm, über ihn. Aber mit ihm, über irgendetwas unrelevantes.

Einfach, um seine Stimme zu hören.

"Ich bleibe hier. Für eine Weile." Mats sah weiter geradeaus. Das mit dem Redebedarf und dem Schweigen hatte sich an dieser Stelle erledigt, also lächelte ich kurz und drehte mich dann zu ihm.

"Was bedeutet das? Und was ist für dich eine Weile?" Fragend sah ich ihn an, machte mich darauf gefasst, was jetzt passieren würde und irgendwie wusste ich, dass ich dafür nicht bereit war.

"Wir haben das Kind verloren. Also was heißt wir?" Er lachte ironisch auf, "Eigentlich hat Cathy das Kind verloren, ich wollte es ja gar nicht. Also schon, irgendwie. Ich liebe Kinder! Aber, halt nicht mit ihr. Oder so."

Schockiert sah ich Mats an. "Ihr seid seit dreizehn Jahren zusammen!" Fast schon empört drehte ich meinen Kopf zu ihm und sah ihn mit großen Augen an.

"Sie hat den Ring nicht angenommen, Leo. Was sollte aus uns noch werden?" Mats seufzte und schien mit der Sache schon abgeschlossen zu haben. Irgendwie. Oder er versuchte wirklich stark zu sein. Ich hatte diesen Mann noch nie verstanden, ich würde es auch nie, also gab ich auf, es zu versuchen.

"Hab davon gehört." Murmelte ich nur und drehte den Kopf schief. Mats drehte sich nur fragend zu mir und ich zuckte mit den Schultern und lächelte. "Lukas und Basti." Gab ich stumpf als Antwort und Mats nickte verstehend.

"Trahntüten." Knurrte er nur und begann dann zu lachen. Ich stieg in sein Lachen mit ein.

"Tut mir leid für dich. Also das mit dem Kind. Wirklich." Ich legte meine Hand auf seine Schulter und Mats nickte nur, während er stur mit der Schulter zuckte und sich daraufhin auf die Zunge biss.

"Das musst du nicht sagen." Mats sah allmählich irgendwie immer blasser aus, was vielleicht an dem sehr privaten Thema lag, jedoch wollte ich nicht aufhören, ihn anzusehen. "Ich bleib übrigens so richtig hier. Wortwörtlich irgendwie." Er lachte kurz auf, beruhigte sich aber schnell wieder.

Fragend zog ich meine Augenbraue nach oben, legte den Kopf schief und schniefte einmal. "Was meinst du?" Natürlich wusste ich, was er meinte. Ich wollte es nur noch einmal aus seinem Mund hören. Aus dem Mund eines ehemaligen Teamkollegen. Aus dem Mund eines Menschen, den ich zu lieben vermochte.

"Ich hab hier meinen Vertrag unterschrieben. Ich bin zurück. Irgendwie." Keine Ahnung, ob er gerade lächelte, oder nicht. Aber was ich wusste war, dass ich innerlich über das ganze Gesicht grinste und dass mein Herz Freudensprünge machte. Auch, wenn das für mich bedeutete, dass er in Dortmund war und ich in München. Aber das mit uns war vorbei, also sah ich darin kein Problem.

Oder doch?

Irgendwie schon.

So ein bisschen.

"Das was ich vor einigen Tagen zu dir sagte, meinte ich ernst." Mats murmelte leise und sah mich nicht an. Auch ich schaute nur noch stur geradeaus. Wirklich stur. Das konnte ich gut sein, das machte mir Spaß. Ich schüttelte letztendlich lustlos den Kopf und seufzte.

"Du hast mein Herz verbrennen sehen, Mats. Und es tut verdammte scheiße weh und ich will nur noch, dass es aufhört."

"Wenn ich irgendetwas für dich tun kann, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, dann-" Der Verteidiger war doch dazu gekommen, mich anzusehen und atmete einmal tief ein, um mir einen Blick mit seinen wunderschön funkelnden Augen zu schenken.

"Lösch einfach das Feuer, Mats."

HerzschrittmacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt