Kapitel 53: Die Zeit läuft ab

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Lucia (p.o.v)

Die letzten Stunden waren eine Qual gewesen. Lucias Bauch hatte sich in einer solchen Geschwindigkeit vergrößert, dass sie jedes mal aufs neue glaubte, es würde sie zerreißen.
Seit einigen Minuten war es ruhig. Lucia wurde von keiner weiteren Schmerzwelle ergriffen, weshalb sie vermutete, es sei vorbei. Auch wenn es sich verrückt anhörte, so hatte sie gehofft, es würde länger dauern. Fenris war mit Sicherheit schon auf dem Weg, doch wie lange würde es dauern bis er hier war?
Geistesabwesend strich Lucia sich über den Schwangerschaftsbauch. Der Herzschlag ihres Sohnes war nun so kräftig, dass Lucia fast geweint hätte. Wie viel Zeit würde ihnen bleiben, bis man sie auseinanderriss?
"Du hast dir einen ziemlich schlechten Moment ausgesucht mein Junge. Auch wenn du dafür eigentlich nichts kannst" murmelte sie.
Wie als Antwort fing das Baby an zu treten.
"Ach du meine Güte, schon gut. Hab nichts gesagt, Schätzchen"
Die Tür wurde im selben Moment geöffnet und Jack trat in den Raum, gefolgt von seinem Meister und einem weiteren Unsterblichen, der jedoch vor der Tür stehen blieb.
"Lucia, meine Schöne. Wie geht es Euch? Habt Ihr noch Schmerzen?" fragte der Meister.
Lucia schnaubte lediglich verächtlich. Sie würde ihm nichts sagen, sondern dafür sorgen, dass Fenris genügend Zeit hatte.
"Ich bin zutiefst getroffen, meine Liebe. Vertraut Ihr mir etwa nicht?" fragte er mit gespielter guter Miene.
"Ich vertraue niemandem in diesem Raum, außer meinem Kind. Außerdem sehe ich keinen Grund warum ich mit Euch reden sollte. Ihr seid ein schrecklicher Mann und ich hoffe mein Gatte zerreißt Euch in der Luft" antwortete Lucia.
"Dazu wird es nicht kommen, meine Liebe. Bevor dieses Halbblut uns findet, ist das Kind geboren und wir werden seine Macht gegen seinen eigenen Vater einsetzen. Und ihr werdet ganz allein Schuld daran haben" sagte er.
"Was faselt Ihr?"
"Ihr wart es doch, die fort lief. Ihr habt Euch einer unbewussten Gefahr ausgesetzt, ohne ein zweites Mal darüber nachzudenken. Ihr seid Schuld an dem was Euch und Eurem Volk passieren wird, Prinzessin"
Er hatte Recht.
Sie war überstürzt aufgebrochen, hatte nicht im Sinn gehabt, dass auch andere es auf ihren Sohn abgesehen haben könnten. Wie konnte sie nur so dumm sein?
Mit einem Mal überrollte sie eine weitere Schmerzwelle. Sie war anders als zuvor, stärker konzentriert, doch nicht annähernd so langanhaltend. Eine Wehe? Verdammt!
Lucia versuchte sich nichts anmerken zu lassen und starrte dem Mann, der ihr Leben so viel schwerer gemacht hatte, direkt ins Gesicht.
"Ich werde in einer Stunde wiederkommen. Bis dahin sollten die Wehen begonnen haben" sagte er.
Wenn er nur wüsste...
"Bis später, meine Liebe. Macht mir einen schönen gesunden Jungen ja?" verabschiedete er sich.
Jack folgte seinem Meister, während der andere vor der Tür blieb um Wache zu halten. Kaum hatte die Tür sich geschlossen, musste Lucia einen Schmerzensschrei unterdrücken. Dieser Junge war ziemlich ungeduldig, genauso wie sein Daddy. Verdammt, warum musste er auch nach seinem verflixten Vater kommen? Während die Schmerzen sich in ihrem ganzen Körper ausbreiteten, überlegte sich Lucia, wie sie aus diesem Schlamassel wieder herauskommen sollte. Leider fand sie keine Lösung. Auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, musste sie wie eine brave kleine Prinzessin darauf warten, dass ihr Märchenprinz sie rettete.
Nur sollte sich der verdammte Wichser beeilen, sonst würde sie ihm den Hals umdrehen!
Sie versuchte sich selbst zu beruhigen und auch das Baby, indem sie ihr altes Schlaflied sang. Zwar wurde sie immer wieder von den Schmerzen unterbrochen, doch der Text half ihr definitiv etwas. Die Wehen kamen langsamer.

"Der goldene Mond strahlt hell heut Nacht,
die Eulen sind längst erwacht.
Sterne so klar am Himmelszelt,
ich schenke dir die Welt.

Schlaf mein Kind,
schlafe geschwind,
die Nacht sie schnell entrinnt.
So träume von Abenteuern so groß,
lass diese Träume nicht los.

Am morgigen Tag, gen Mittag so,
dann komme auch ich zur Ruh.
Zu wissen dass du geträumet hast,
beruhigt mein Herz im Nu"

WerwolfsblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt