Kapitel 2: Fenris

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Fenris (p.o.v)

Fenris beendete sein Klagelied nur ungern.
Er saß vor dem Grab seines Onkels und starrte auf den mit Schnee bedeckten Steinhaufen.
Sein Onkel war von einem Jäger erlegt worden weil er sich zu sehr auf seine Beute konzentriert hatte. Die silberne Kugel hatte ihn direkt ins Herz getroffen und somit hatte er auch nicht gelitten.
Doch das machte Fenris kein bisschen fröhlicher. Morgen war Vollmond was eigentlich bedeutete, dass er seine Abschlussprüfung halten sollte. Aber da sein Onkel und Lehrer tot war hatte er keinen Aufseher.
Er hatte keine Ahnung was er machen sollte. Kein Mensch wusste was ein Werwolf durchstehen musste um auch wirklich als ein solcher anerkannt zu werden. Vermasselte man seine Abschlussprüfung war man am Arsch. Dabei musste man doch eigentlich nur einen Menschen töten. Nur EINEN!!!
Doch einen Vorteil gab es.
Da sein Onkel jetzt tot war wurde er automatisch zum neuen Alpha. Das bedeutete Fenris konnte so viel jagen wie er wollte. Er konnte kommen und gehen wie er wollte und niemand würde ihm sein Gebiet wegnehmen können.
Das bedeutete jedoch auch, dass er jeden Vollmond in das Dorf seines Gebietes gehen musste, um Chaos zu stiften und Angst und Schrecken zu verbreiten.
Wie sollte er das nur schaffen ohne die Hilfe seines Lehrers?
"Denk an was anderes" murmelte Fenris zu sich selbst und stand auf.
Mit einem letzten Blick auf das Grab seines Onkels drehte er sich um und verschwand zwischen den Bäumen.
Der Winter war dieses Jahr besonders kalt und Fenris fröstelte. Es musste wirklich extrem kalt sein, denn normalerweise frierten Werwölfe nicht.
Schnell setzte Fenris in den Lauf und verwandelte sich in einen Wolf. Groß, schwarz und äußerst gefährlich. Genau wie sein Onkel.
Er lief weiter und weiter, immer schneller und schneller. Die kalte Nachtluft wehte ihm um die Ohren und der Schnee knackte unter seinen Pfoten. Die Bäume rasten an ihm vorbei wie Gewährkugeln und selbst die Vögel die überwinterten schienen mit ihm einen Wettlauf machen zu wollen.
Das war es was ein Wolfsleben so wundervoll machte.
Die Freiheit.
Fenris lief immer weiter bis er die Waldgrenze erreichte. Dort machte er eine vollbremsung und blieb kurz vor dem Ende der dunklen Schatten der kahlen Bäume stehen.
Eigentlich sollte er sich freuen, doch dieses Dorf war ihm nicht geheuer.
Sein Onkel hatte ihm, als er noch im Training war, aufgetragen das Dorf zu überwachen. Zuerst hatte Fenris gedacht dies wäre eine leichte Aufgabe und hatte sich einfach an den Waldrand gesetzt und war eingeschlafen. Doch nicht lange später war er wieder aufgewacht. Irgendetwas beobachtete ihn und zwar jedes einzelne mal wenn er am Waldrand war.
Fenris vermutete ein neugieriges Kind oder ähnliches. Aber dieser Blick der jeden Abend über den Waldrand glitt und immer wieder kurz bei ihm verharrte, als ob die Person wüsste, dass er da war, wirkte keineswegs kindisch. Eher sehnsüchtig.
Wer, oder besser gesagt was, war so versessen nach dem Wald, dass es ihn jede Nacht anstarrte.
Fenris hatte keinen Schimmer, doch um ehrlich zu sein war es ihm auch egal, denn heute spürte er nichts.
Kein Blick brannte auf seinem Pelz wie glühende Kohlen und er konnte auch keine offenen Fenster sehen.
Außer eins.
Doch dieses Fenster stand immer auf. Er hatte sich schon gefragt ob die Bewohner dieses Hauses keine Angst vor Werwölfen hatten oder einfach nur dumm waren.
Aber das war ihm auch egal, weil diese offene Klappe im Dach vielleicht ein gutes Versteck wäre falls die Dorfbewohner mal ausrasten sollten.

"Keine Sorge ich finde dich und deine allsehenden Augen und dann werde ich dafür sorgen, dass du nie wieder irgendetwas siehst" sagte Fenris in seiner Wolfstimme die für einen normalen Menschen nichts weiter als ein Knurren war.

Fenris wollte sich zum gehen abwenden, als plötzlich wieder sein Fell brannte. Der mysteriöse Starrer war also doch da.
Diesmal würde Fenris nicht einfach weggehen. Diesmal würde er den Starrer besiegen.
Er setzte sich in den kalten Schnee und blickte auf das schlafende Dorf.

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