Kapitel 5: Gedroht

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Lucia (p.o.v)

Der schwarze Wolf zögerte.
Er starrte mitten in die Meute hinein und sein Blick verfinsterte sich.
Lucia konnte den Grund seiner plötzlichen Wut nicht erblicken, denn im nächsten Moment war er bereits in die Mitte der Meute gesprungen und schlug wild um sich.
Schon zog sich der Großteil der Bauern zurück. Dieser Wolf war wirklich nicht aufzuhalten.
Plötzlich stürmten die Dorfbewohner nach vorn und drängten den Werwolf gegen eine Hauswand. Lucia wollte gerade dazwischen gehen, als der Wolf mit einem mächtigen Sprung über die Köpfe der Dorfbewohner hinweg flog und weich auf dem festgetretenen Schnee landete.
Mit einem drohenden Knurren drehte er sich um und drängte nun die Meute zurück gegen die Wand. Sein Blick war jedoch nur auf eine bestimmte Person gerichtet.
Der Jäger.
Natürlich!!!
Er wollte Rache für seinen Vorgänger ausüben. Vielleicht war es ja jemand aus seinem engen Freundeskreis gewesen. Oder sogar Familie.
Der Wolf stürzte sich auf den Jäger und Lucia war gezwungen wegzusehen. Sie hörte Geschrei.
Sie traute sich nicht sich umzudrehen da sie Angst vor den Dingen hatte die sie dort zu sehen bekommen würde.
Doch sie konnte nicht anders.
Langsam drehte sie sich um und starrte in die erschrockenen Augen der Dorfbewohner. Ihre Blicke waren auf den riesigen Wolf gerichtet, der über dem kopflosen Körper des Jägers stand.
Er hatte ihn mit nur einem Biss enthauptet.
Doch Lucia konnte das Unbehagen in den Augen des Wolfes sehen. Es hatte ihm nicht gefallen dieses Menschenleben zu beenden. Auch wenn es aus Rache war.
Niemand rührte sich als der Wolf sich ums Maul leckte und sich seine Augen weiteten. Der Geschmack des Blutes hatte ihn hungrig gemacht.
Mit einem mächtigen Knurren wandte er sich erneut den Dorfbewohnern zu, die sich sofort wieder an die Wand drückten vor Angst.
Diesmal würde Lucia nicht einfach so daneben stehen. Mit schnellen Schritten ging sie zu den anderen und stellte sich dem Wolf in den Weg.
Dieser zögerte daraufhin kurz und schaute sie verwirrt an.
"Lass. Sie. In Ruhe." Sagte sie mit Nachdruck.
Der Wolf knurrte laut auf und ging zwei weitere Schritte auf sie zu. Die Dorfbewohner holten erschrocken Luft.
Nun stand der Werwolf direkt vor ihr und sah sie mit zusammengekniffenen Augen an.
"Ich wiederhole mich gern für dich. Du machst mir keine Angst" sagte Lucia zu den gelb leuchtenden Augen.
Der Werwolf schnaubte bei ihrer Bemerkung auf. Er war anscheinend sehr wütend, weil sie ihm nicht aus dem Weg ging.
"Ich weiß was in dir vorgeht. Du willst Rache, weil dein Vorgänger dir wahrscheinlich sehr viel bedeutet hat. Aber deine Wut an den unschuldigen Dorfbewohnern auszulassen wird dich nicht dazu bringen dich besser zu fühlen." Sagte sie so leise, dass nur sie und der Wolf es hören konnten.
Lucia sah in die dunklen Augen des Wolfes und sah etwas... Etwas menschliches.
Vorsichtig hob sie die Hand um ihm durch das Fell zu streichen, doch als er ihre Hand bemerkte knurrte er.
Lucia nahm ihre Hand wieder runter und der Wolf senkte den Kopf.
Ihr stockte der Atem, als er sie mit seiner Schnauze an der Stirn berührte. Lucia spürte einen leichten Stich in ihrem Inneren und hörte daraufhin eine unbekannte Stimme.

"Ich respektiere deinen Willen Mensch, doch nächstes mal werde ich dich nicht verschonen."

Die Stimme klang so sanft und dennoch so kraftvoll. Es war die schönste Stimme die sie je gehört hatte.

"Du bekommst deinen Willen für heute Nacht, aber morgen werde ich wiederkommen und dich finden."

Sprach die Stimme weiter.
Lucia wusste nicht was sie antworten sollte und nickte nur leicht.
Der Werwolf neigte respektvoll den Kopf vor ihr, was Lucia erwiderte.
Als er sich zum gehen wandte hörte sie ein letztes Mal die Stimme in ihrem Inneren.

"Bis morgen, Menschling."

WerwolfsblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt