Meghan
„Wir machen meine Musik an.", bellt Logan sofort los als wir wieder in seinem Pick-up sitzen und ich hebe abwehrend die Hände hoch, denn ich habe mich gerade erst ins Auto gesetzt. „Das ist dein Wagen.", erinnere ich ihn und greife nach dem Anschnallgurt. Logan reibt sich über die Stirn und er tut mir ein wenig leid, weil er letzte Nacht kein Auge zubekommen hat, was möglicherweise auf meine Kappe geht.
„Gestern hast du deine Musik die ganze Zeit laufen lassen und außerdem bist du Schuld, dass ich nicht schlafen konnte und das belohne ich nicht.", erklärt er mir sachlich, doch es klingt wie eine klare Anschuldigung, dass ich sofort den Kopf zu ihm herumdrehe.
„Bin ich nicht!", leugne ich und versuche mein bestes empörtes Gesicht aufzusetzen und er schnaubt als er nun nach seinem Gurt greift. „Und ob! Du hast dich sogar an mein Ohr gelehnt und gekaut, denk ja nicht ich habe das nicht gespürt gehabt!", merkt er an und scheint an die letzten vier Stunden zu denken, die wohl eine pure Qual für ihn gewesen waren. Schuldbewusst grinse ich und er verdreht die Augen, sagt aber nichts mehr, dass auch ich es nicht tue, denn ich habe keinen guten Grund wieso ich mich vorgelehnt und an seinem Ohr auf meinen Chips gekaut hatte. Außer natürlich, dass es ihn genervt hat.
Ich bin mir sicher, dass Logan gestern beinahe den ersten dokumentierten Mord in diesem Motel begangen hätte, indem er mich mit dem Kissen erstickt hätte, denn es war offensichtlich, dass ihm mein Aufenthalt nicht gefallen hat. Ich habe trotzdem nicht ein Mal das schmale Bett verlassen gehabt, denn dieser monströsen Ratte wollte ich nicht nochmal begegnen und der Sessel in Logans Zimmer hatte seine guten Tage schon hinter sich. Vielleicht war es unsensibel von mir, dass ich nicht nur gegessen sondern auch den kleinen Fernseher eingeschaltet hatte. Zu meiner Verteidigung: Mir war langweilig und ich konnte nicht schlafen. Wie denn auch, mit Logan neben mir in diesem Bett? Ich hatte mit meiner rechten Hüfte in der Luft gelegen. Außerdem hatte ich die Lautstärke auf dem Fernseher minimiert und auf zwei gehalten, dass es ihn nicht allzu stark stören konnte. Für eine Stunde ist es ihm glaube ich auch gelungen zu schlafen, aber wie kann ein knapp zwei Meter großer Mann eingequetscht in einem schmalen Einzelbett, in das ein Kind passen würde, durchschlafen?
„Kabel mein Handy mal dran.", gähnt Logan und zieht sein Smartphone aus der Tasche seiner blauen Shorts um es mir auszuhändigen. Er fährt kraftlos aus der Parklücke und auf die Straße während ich sein Smartphone verknüpfe, wie er es verlangt, und auf seine Playlist zugreife, die mir beinahe einen Herzinfarkt beschert. Der Anfang ist gut, denn die ersten Lieder sind von Eminem, dann kommt Mac Miller bis hin zu Travis Scott und plötzlich lese ich Taylor Swift und es geht weiter mit einigen anderen Rap und Indie Rock Bands. Taylor fucking Swift. Skeptisch blicke ich aus dem Augenwinkel zu ihm und überlege, rede mir ein, dass die Jungs sich einen Scherz erlaubt und sie auf seine Playlist getan haben und Logan es gar nicht weiß. Ich klicke eines der Indie Rock Lieder an und lege das Smartphone schweigend hin um herauszusehen.
„Wann sind wir da?", frage ich und er schnaubt mit einem kurzen Lachen. „Wir sind gerade erst auf die Straße gefahren." Ich drehe die Musik ein wenig leiser und lehne mich vor, dass er flüchtig zu mir rüber sieht als ich mein Haargummi vom Handgelenk streife und meine Haare sammle um sie zu einem Zopf zu binden. „Ich weiß. Ich wollte nur wissen wie lange es ungefähr noch dauert.", erkläre ich mit dem Kopf über und sehe wieder hoch als Logan auf die Uhranzeige, die am Radio ist, schaut. „Wir haben noch sechseinhalb Stunden Fahrt vor uns. Wenn die Straßen frei sind und wir durchfahren, dann sind wir ungefähr um zwei da.", antwortet er und ich seufze, ziehe den Zopf enger und lehne mich wieder zurück während er angestrengt fährt und wir den Akkorden der Gitarre zuhören, die nach einigen Minuten gegen Taylor Swift ersetzt werden, dass ich einen vielsagenden Blick zu Logan werfe, doch der ignoriert mich gekonnt.„Was erwartet mich eigentlich?", frage ich als wir Tennessee verlassen. Logan ist zu beschäftigt damit einem kleinen Auto auszuweichen, welches doch tatsächlich gedacht hat noch über gelb fahren zu können und er verflucht den Fahrer, dass er meine Frage nicht mitbekommt. „Wie bitte? Ich war gerade damit beschäftigt ihn hier gedanklich zu verfluchen.", fasst er die kurze Situation gut zusammen und zeigt auf das Auto, welches nun über die Kreuzung rast und andere Autos zum hupen bringt.
„Ich habe gefragt, was mich bei dir erwartet.", wiederhole ich und verziehe das Gesicht bei meinen Vorstellungen,„Werde ich dort von nervigen Geschwistern umringt sein, die an mir kleben und dumme Fragen stellen? Hast du einen Vater, der mir lüsterne Blicke zuwerfen wird und zweideutige Kommentare macht sobald ich mit ihm alleine bin oder eine Mutter, die mit mir einen Konkurrenzkampf austrägt, weil ich jung bin und sie nicht? Besitzt du ein oder zwei Pferde?" Er lacht laut und füllt damit das Innere des Wagens, dass ich einen Seitenblick zu ihm werfe und versuche möglichst wenig auf die weißen Zähne zu starren, die er mit seinem Lachen zeigt.
„Ich habe eine Mom.", kommt es dann simpel als er sich beruhigt hat. Ich öffne den Mund, doch schließe ihn wieder nur um ihn wieder zu öffnen, doch letztlich behalte ich ihn geschlossen, denn ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll also drehe ich mich zum Fenster und sehe hinaus.
Ich kenne Logans Geschichte nicht und will jetzt nicht in Wunden fassen, indem ich ihn frage, weshalb er nur eine Mutter hat, die auf ihn wartet. Zudem fällt mir ein, dass es bei mir sogar schlimmer ist, denn eigentlich habe ich nicht einmal diese und jetzt muss ich wieder daran denken, dass gestern das Flugzeug abgehoben ist, welches mich nach Brooklyn befördern sollte. Ob meine Mutter schon versucht hat mich zu erreichen? Ich habe mein Smartphone nämlich auf den Flugmodus gesetzt, dass keine Nachrichten und Anrufe zu mir durchdringen. Sie ist bestimmt durchgedreht als sie gemerkt hat, dass ich nicht in dem Flieger saß.
„Ich habe auch keine Geschwister.", höre ich mich selbst sagen und sehe weiter hinaus, zu einem Lastwagen, der neben uns herfährt,„Das fand ich immer toll, denn dann habe ich all die Aufmerksamkeit bekommen und musste nichts teilen." Logan kichert leise. „Es gibt zwar keine Geschwister, aber ich habe einen Cousin... na ja, eigentlich Großcousin, denn er ist der Sohn meines Uronkels, aber er ist nur zwei Jahre älter als ich deswegen habe ich ihn immer als meinen Cousin gesehen und nicht von meiner Mom.", spricht er und stolpert dabei mehrmals über seine eigenen Worte, dass ich amüsiert zu ihm sehe,„Wie dem auch sei, wir sind zusammen aufgewachsen und irgendwie hatte ich praktisch einen Bruder gehabt. Er hat sogar ein eigenes Zimmer bei uns im Haus gehabt, aber das hat meine Mom nach seinem Umzug aus der Stadt in ein Gästezimmer verwandelt, welches er immer wieder in Beschlag nimmt, wenn er vorbeikommt." Ich sehe vor mir eine zweite Version von Logan, zwei Jahre älter, vielleicht mit einem dauerhaften drei-Tage Bart, genau den pechschwarzen Haaren und eisblauen Augen, die gebräunte Haut und ich frage, was gefragt werden muss. „Hast du ein Bild von ihm?" Logan prustet kurz los und schüttelt dann den Kopf, doch ich bezweifle, dass sich das auf meine Frage bezieht. „Vergiss es. Du wirst ihn nicht kennenlernen, weil er diese Ferien in Houston bleibt und für seine Abschlussprüfungen lernt.", stellt er schadenfroh fest und ich schürze die Lippen.
„Schade."
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DREAM SCORE
Teen FictionSie hasst vieles, doch was ganz oben auf Meghans Liste steht, ist zurück nach New York zu fliegen. An den Ort, wo jeder hinter ihrem Rücken die Köpfe zusammensteckt und die schmutzigen Geheimnisse ihrer Familie kennt. Doch aus unerklärlichen Gründen...