48|das L-Wort

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Meghan

Ich habe meine Abschlussprüfungen alle hinter mich gebracht und bin nun fertig. Das Semester kann zu Ende gehen.
Mit frisch lackierten Nägeln und den großen Kopfhörern auf den Ohren liege ich auf meinem Bett und höre mir die Aufnahmen von den selbstgeschriebenen Liedern von Weston an. Er hat sie mir gestern geschickt, dass ich mich schon mal mit dem Text bekannt mache und es gefällt mir sehr. Der Text ist leidenschaftlich, aus tiefstem Herzen und beinahe lieblich, doch die Instrumente bringen etwas wütendes und schrilles hinein, was mich ganz fesselt. Die wenigen Lieder, die er geschrieben hat, handeln von einer starken Person oder davon wie jemand nach vorne blickt, lernt stärker zu werden. So eine Person bin ich nicht.
Ich bin ein Feigling. Ich bin die Person, die zu feige ist und die der Mut fehlt und den Konsequenzen des eigenen Handelns aus dem Weg geht. Laut dem Wörterbuch ist das die Definition eines Feiglings. Man könnte daneben ein Foto von mir einfügen.
Ich habe gestern nicht nochmal mit Logan geredet, genauso heute und es ist jetzt fünf Uhr Mittags. Nach der Probe bin ich sofort wieder zurück in mein Zimmer, habe mich umgezogen und unter der Decke vor der Welt versteckt. Mittlerweile liege ich aber ausgestreckt über der Decke und rühre mich nicht, damit mein Nagellack trocknen kann. Zum Glück war Grace weg, als ich gekommen bin, weil ich mich für eine kurze Weile einfach in Selbstmitleid suhlen wollte. Für die nächsten Stunden wird sie auch nicht zurückkommen, weil sie sich mit der Redaktion trifft um über die Abschaffung der Zeitung zu sprechen, was mir nicht gefällt, denn so langsam kann sie wieder zurückkommen, denn ich bin fertig. Ich brauche ihre Gesellschaft, selbst, wenn sie nur redet und ich zuhöre. Diese Wände erdrücken mich, doch ich will auch nicht das Zimmer verlassen.
Mein Schmollen könnte völlig umsonst sein, weil meine Sorge sich als Missverständnis herausgestellt hat. Mein erster Gedanke galt nun mal nicht seinem Training und ich kann mich immer noch nicht daran erinnern aufgewacht zu sein. Ich glaube aber nicht, dass Logan gelogen hat. Aber als ich aufgestanden bin, bin ich sofort davon ausgegangen, dass er mich verlassen hat und habe den ganzen Tag damit verbracht so zu denken, auch wenn es eigentlich auch gar nicht so war. Bedeutet das, dass ich ihm nicht vertraue? Wenn ich es tun würde, hätte ich trotzdem geglaubt, dass er mich fallen lassen hätte. Denn er hat es schon einmal getan. Aber das ist Vergangenheit und ich habe das bereits vergeben und vergessen. Vergeben und vergessen sind zwei verschiedene Paar Schuhe, Meghan. Und außerdem hat es mir auf eine schmerzhafte Weise klargemacht, dass Logan mich mit nur einer Tat brechen könnte. Er könnte mich dem Boden gleichmachen, mich ruinieren und zerbrechen und so lange ich ihn in meiner Nähe halte wird es so bleiben.

Unter Westons beeindruckende Töne vom Schlagzeug mischt sich ein anderes Geräusch und verwirrt öffne ich die Augen. War das im Lied? Es ertönt erneut und ich ziehe die Kopfhörer von meinem Kopf. Ein drittes Klopfen ertönt und ich sehe zur Tür, an der es hämmert. Meine Knie werden ganz weich und ich starre bloß dorthin statt aufzustehen.
„Ich weiß, dass du da bist!", ruft Logan durch die Tür und mein Herz klopft doppelt so schnell wie eben,„Lass mich rein, damit wir endlich reden können." Ich kann nicht. Es fällt mir so schwer über Gefühle zu reden. Ich mag sie nicht. Gefühle lassen mich unwohl werden und zudem weiß ich nicht, was ich ihm sagen soll. Soll ich mich entschuldigen, weil ich mich nicht daran erinnere aufgestanden zu sein? Ihm die Schuld geben, weil er nicht an eine kleine Notiz gedacht hat? Nein, ich gebe ihm nicht die Schuld. Es liegt allein an mir.
„Wenn du die Tür nicht öffnest rede ich von hier.", warnt er mich und sofort stehe ich auf, denn er braucht unsere privaten Angelegenheiten nicht im Flur des Mädchenwohnheims herausposaunen. Ich gehe auf die Tür zu, doch schaffe es nicht die Hand zu heben um den Türgriff zu halten und aufzuziehen.
„Es tut mir leid.", kommt seine Stimme gedämpft zu mir und ich weiß nicht, ob er niedergeschlagen klingt oder ob ich es mir bloß einbilde. Ich presse die Hände an meine Seiten und starre die Tür an, öffne sie nicht, denn ich traue mich nicht ihm in die Augen zu sehen. Verflucht, wann bin ich so eine Memme geworden? Zorn sammelt sich in mir und jedes bisschen davon gilt allein mir. Ich hasse mich selbst so sehr dafür. „Ich hätte dir eine Nachricht oder so was hinterlassen sollen. Vor allem, nachdem ich dich schon einmal...", fügt er hinzu. Ich will mich nicht mit ihm streiten.
Ich hasse es ihm aus dem Weg zu gehen. Am liebsten würde ich ihn ins Zimmer ziehen, in mein Bett schleifen und mich in seine Arme legen, damit er mich vor allem beschützen kann. Aber genau deswegen kann ich es nicht. Er kann mich nicht vor meinen eigenen Gefühlen beschützen und vor allem nicht, wenn ich vor meinen Gefühlen für ihn zu flüchten versuche.
Doch ich kriege Schuldgefühle, dass ich ihn nicht hereinlasse. Er hat es nicht verdient, dass ich ihn ignoriere. Ich sollte ihm wie eine erwachsene Frau sagen, was mich bedrückt und darüber reden und vielleicht eine Lösung zusammen finden.
Tief atme ich durch und strecke entschlossen die Hand nach der Türklinke aus. Logan atmet tief durch und ich höre ihn sich räuspern. „Ich.. liebe dich, Meghan."
Meine Hand erstarrt in der Luft.
„Ich will nicht, dass du mich ignorierst. Nur wegen einem Missverständnis, das wir aus der Welt schaffen können. Es lief alles so gut und es braucht jetzt nicht kompliziert werden.", spricht er weiter und atmet tief durch,„Bitte mach die Tür auf, Baby. Lass mich nicht hier stehen." Mein Herz hat angehalten seit er gesagt hat, dass er mich liebt und jetzt startet es mit unmenschlicher Geschwindigkeit durch. Als hätte mich die Türklinke angefaucht ziehe ich die Hand zurück und mache einen holprigen Schritt zurück. Warum hat er das gesagt? Auf der anderen Seite herrscht Stille und ich weiß nicht wie lange ich einfach nur so dastehe und starre, doch irgendwann ertönt sein Seufzen, ein dumpfer Schlag gegen die Tür und dann nehme ich Schritte wahr. Verdammt.

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