24|der Morgen danach

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Meghan

Als ich aufwache bin ich nicht wirklich wach sondern schwebe in einer Art Blase, noch immer im Tiefschlaf, doch gleichzeitig nehme ich wahr, dass ich im Bett liege, spüre die Decke auf mir und meine Haare im Gesicht liegen.
Mein Gehirn arbeitet sich ein wenig vor und das erste, was mir einfällt ist, dass ich Logan von meinem Vater erzählt habe. Das zweite, dass wir Sex hatten. Oh mein Gott, das ist wirklich passiert.
Blinzelnd öffne ich die Augen und sehe zum Beistelltisch, vor dem Zweisitzer, auf dem die Pizzareste, Pralinen und zwei leere Champagnergläser stehen. Langsam wälze ich mich auf den Rücken und erwarte Logan neben mir zu erkennen, aber das einzige, was ich ausmache ist die Leere.
Verwundert ziehe ich die Brauen zusammen. Wieso liegt er nicht neben mir? Eine böse Vorahnung schleicht sich in meinen Kopf und ich setze mich mit der Decke an meiner Brust auf als ich den Blick durch das Hotelzimmer wandern lasse.
„Logan?", rufe ich und warte auf eine Antwort, doch es kommt keine. Sofort suche ich nach seiner Kleidung auf dem Boden, doch auch die ist fort.
Ich bilde mir das bestimmt ein. Logan würde nicht einfach abhauen. Oder? Nein. Ich habe viele Filme gesehen, in denen die Frau morgens alleine aufwacht und sich denkt, dass der Kerl davongelaufen ist, dabei ist er nur kurz im Bad oder Frühstück holen. Das ist bestimmt auch jetzt der Fall. Es muss der Fall sein. Aber je länger ich nackt im Bett des Hotelzimmers sitze desto bescheuerter komme ich mir vor. Denn Logan kommt nicht. Weil er abgehauen ist. Klasse.

Um zwei Uhr hebt das Flugzeug ab und ich fliege zurück nach Michigan, ohne noch einmal etwas von meinen Eltern zu hören. Die unbekannte Nummer hat mir einige Nachrichten geschrieben, doch ich habe sie gelöscht ohne sie angesehen zu haben, denn ich weiß, dass sie von meinem Vater kommen und ich will mir nicht anhören, was er zu sagen hat. Ich bin noch nicht bereit dazu. Sie haben mich überfallen, mich nicht vorgewarnt und nicht gesagt, dass er früher rauskommt als geplant. Ich weiß, ich habe ihn nicht besucht und war keine Vorzeigetochter, aber es hat geschmerzt. Ich konnte ihm einfach nicht mehr in die Augen sehen nachdem er doch offensichtlich nicht der Mann war für den ich ihn gehalten habe.
Der Campus ist voller als erwartet. Die Sonne strahlt noch immer auf das Kopfsteinpflaster und das dichte Moos an den alten Gebäuden leuchtet heller als sonst. Mit den Ohrstöpsel meiner Kopfhörer in den Ohren gehe ich zu meinem Wohnheim und fahre hoch in das zweite Stockwerk um zu meinem Zimmer zu gelangen. Es ist erstaunlich still und als ich ins Zimmer trete überkommt mich das Gefühl des Wohlseins, doch gleichzeitig zieht sich meine Brust eng zusammen. Grace ist noch nicht da. Sie und Dean wollten erst am Samstagabend herkommen, was bedeutet, dass ich die nächsten vier Tage allein sein werde. Wie immer.
Ihre Zimmerhälfte ist blitzblank, alles ist verstaut und aufgeräumt. Die Kissen stapeln sich farblich abgestimmt am Kopfteil des Bettes. Ihre Hälfte vom Schreibtisch glänzt und nur einige Bücher liegen gestapelt neben dem Stiftehalter. Meine Hälfte ist ein Desaster. Auf der Hälfte des Schreibtisches, die mir gehört, liegt noch immer ein offenes Buch, mein Notenheft lugt darunter hervor und ich habe vergessen den Deckel eines Textmarkers aufzusetzen. Jetzt kann er in die Tonne. Auf dem Boden, vor und unter meinem Bett liegen Klamotten, Stiefel dazwischen und leere Wasserflaschen. Meine Decke hat sich gedreht und hängt vom Einzelbett herunter, meine Kissen liegen überall auf der Matratze verteilt und eine alte Lederjacke hängt am Bettgestell. Mein Wandschrank ist halb offen und ich sehe nur die Vorschau des Chaos da drinnen. Angewidert über mich selbst rümpfe ich die Nase. Wieso kann ich denn nicht auch einfach mal sauber und ordentlich sein? Genervt stelle ich meinen Koffer vor dem Wandspiegel ab und setze mich auf mein Bett um mich aus meinen dunkelgrünen Doc Martens zu schälen. Es ist bereits halb sieben als ich auf mein Smartphone sehe.

Was soll ich jetzt machen? Mich hinlegen? Ich glaube nicht das ich jetzt schlafen könnte. Eine lange Dusche nehmen und mir die Geschehnisse der letzten achtundvierzig Stunden abwaschen? Ich habe bereits in Manhattan geduscht.
Mich zurücklehnen und daran denken, dass mein Vater hier ist, weil ich niemanden habe mit dem ich es teilen kann? Der einzige, dem ich es erzählt habe hat mich ohne ein Wort zu sagen zurückgelassen. Ich weiß nicht was surrealer ist. Dass mein Dad da ist oder dass ich jetzt zu den dummen Mädchen gehöre, die Logan wie ein Taschentuch benutzt und wegwirft.
Verärgert schüttle ich meinen Kopf und verbiete mir daran zu denken. Die letzten viereinhalb Stunden habe ich ihn ausgeblendet und das kann ich auch jetzt. Außerdem habe ich nichts falsch gemacht. Ich habe den Moment genossen und was hätte denn passieren sollen? Dass er dableibt und was? Wir ein Paar werden? Um Himmelswillen, nein! Ich will nicht mit Logan zusammen sein. Das wäre der Witz des Jahres mit jemandem wie ihm auszugehen. Man kann Logan nicht ernst nehmen und er ist unfähig eine Beziehung zu führen. Außerdem suche ich gar nicht nach so etwas! Ich bin auf dem College, erst in meinem zweiten Jahr, und will verdammt nochmal Spaß haben, mit den unterschiedlichsten Menschen ausgehen, feiern und mich auf keinen Fall an jemanden binden! Es ist gut, dass er heute Morgen nicht mehr da war. Ich wüsste nicht, wie ich ihn sonst rausgeschmissen hätte.
Erneut wandert mein Blick auf Grace gemachtes Bett. Die Kurse beginnen erst nächste Woche und bis dahin werde ich verrückt, wenn ich hier alleine sitze. Nach einigem überlegen greife ich nach meinem Smartphone und schreibe der Person, die sicherlich zurück sein müsste.

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