43|Neunundsechszig

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Logan

Erschöpft werfe ich mich aufs Bett und schließe die Augen. „Ich hasse Montgomery für diese beschissene 'Freiwilligenarbeit'. Zur Hölle damit.", stöhne ich und spüre Meghan, die sich neben mich auf das Bett setzt. „Du solltest dankbar dafür sein, dass du mit dieser Arbeit nicht nur einen ganzen Strike umgehst sondern auch keine Bemerkung bekommst.", ruft sie mir in Erinnerung und ich seufze. Das weiß ich doch auch. „Du hast schon recht, aber es ist trotzdem scheiße.", sage ich.
„Nur noch ein paar Wochen, dann hast du es hinter dir.", ermutigt sie mich und ich brumme zustimmend. „Dann sind die Sommerferien und es geht wieder ab nach Texas.", füge ich hinzu und während ich das sage spricht Meghan an der Stelle von Texas 'ins Rodeo'. Sie findet es so lustig, dass ich aus Texas komme, diese Manhattanzicke. Ich schweige einen Moment und denke daran, dass ich mit siebzehn tatsächlich an einem Rodeo teilgenommen habe, doch das werde ich ihr nicht erzählen sonst werde ich mich nicht mehr von ihren Cowboywitzen retten können.
Ich tappe blind mit der Hand übers Bett bis ich Meghans Bein spüre und ihr über den Oberschenkel streiche. Sie schnappt nach Luft und ich fahre langsam mit den Fingerspitzen über die Innenseite ihres Oberschenkels. „Was tust du da?", fragt sie mit schwacher Stimme, doch sie hält mich nicht davon ab weiterzumachen. „Ich berühre dich.", sage ich klar und ziehe die Brauen zusammen,„Sagst du mir bitte nochmal warum du nicht am Auswahlkonzert teilnehmen willst?" Ich bin mir ziemlich sicher, dass Meghan es bei ihrem spontanen, doch erwünschten Besuch nicht erwähnt hat, doch vorsichtshalber erwähne ich es mal.
„Weil ich keine Aufmerksamkeit mehr auf mich richten möchte.", antwortet sie und ich schlage schmunzelnd die Augen auf. „Du bist aber mit einem künftigen Profisportler zusammen.", ziehe ich sie auf und Meghan macht einen wegwerfende Handbewegung. „Bis dahin habe ich dich schon verlassen.", behauptet sie trocken und ich zwicke sie sanft am Oberschenkel, doch sie zuckt zusammen.
„Au! Das tat weh!", jammert sie und reibt die Stelle. „Tat es gar nicht.", meine ich und sie schaut trotzig zu mir. „Doch, hat es.", entgegnet sie und ich schüttle den Kopf. „Hat es nicht.", beharre ich, doch schaue auf ihre Beine,„Hat es wirklich?" Sie nickt und ich setze mich sofort auf. „Scheiße, sorry. Ich wollte dir nicht wehtun.", entschuldige ich mich sofort und suche die Stelle ab, doch nichts ist gerötet. „Verarscht." Sofort schaue ich ihr ins Gesicht und sie grinst mich schelmisch an, dass ich sie in die Kissen schubse. „Sei gewarnt, Weib. Noch solch eine Lüge und ich bin gezwungen dich zu bestrafen.", drohe ich gespielt und Meghan streckt mir die Zunge raus.

Ich lehne mich zu ihr und lasse mich neben Meghan in die Kissen plumpsen und schaue nach oben an meine Deckenlampe.
„Kann ich dich etwas fragen?"
„Hast du gerade schon." Ich verdrehe die Augen und falte die Hände am Bauch. „Kann ich noch eine Frage stellen?", frage ich und sie kichert. „Hast du soeben wieder getan.", weist sie mich hin und ich seufze laut. „Kannst du mal nicht so nervig sein und mir einfach zuhören?", blaffe ich sie an und Meghan lacht auf. „Ich höre dir bereits zu.", versichert sie mir und ich schaue sie genervt an bevor ich wieder hochsehe.
„Warum singst du nicht?" Ihr Lachen verklingt und Stille legt sich um uns. Ich weiß nicht, was genau ich mir erhoffen soll. Definitiv, dass sie jetzt nicht einfach geht oder wieder wütend wird. Es überrascht mich immer noch, dass Meghan ein doch sehr sensibler Mensch ist. Sie ist direkt, unverblümt und die meiste Zeit über schroff, aber eigentlich tut sie das auch bloß zur Selbstverteidigung. Und sie lässt ihre Hüllen bei mir langsam fallen, was ich zu schätzen weiß.
„Du quetschst meine Angelegenheiten mit der Zeit immer mehr aus mir heraus, was?", hakt sie nach und klingt erstaunlicherweise nicht angespannt, wie ich bereits angenommen habe. „Ich gebe mein Bestes.", erwidere ich und setze mich ihr gegenüber aufrecht hin, dass wir uns ansehen können. „Das ist mein Ernst, Meg. Ich würde gerne wissen warum du nicht singst, wenn du bereit bist mir davon zu erzählen, weil ich finde, dass du einen Fehler begehst, wenn du auf das Singen verzichtest.", erkläre ich und sie blickt mich stumm an. Meghan seufzt und richtet sich selbst auf.
„Wie gesagt, liegt es daran, dass ich keine Aufmerksamkeit mehr auf mich lenken will.", antwortet sie und fährt mit ihren Fingern die schwachen Falten in der Bettdecke nach,„Ich habe dir ja erzählt, dass meine Granny früher immer für mich gesungen hat und wir haben auch zusammen gesungen bevor sie gestorben ist." Meghan seufzt erneut. „Als sie verstorben ist und ich ihr Gutenachtlied vergessen habe, hatte ich das komische Gefühl, als würde es mir nicht mehr zustehen zu singen, weil sie das immer getan hat und ich sie mit der Zeit vergaß. Das ist auch ein Grund und-" Sie schaut flüchtig zu mir auf und zuckt mit den Schultern. „Meinem Dad hat es gefallen, wenn ich gesungen habe. Er war mein größter Fan, hat mich darin unterstützt und es geliebt, wenn ich für ihn sang. Am Tag seiner Verhaftung habe ich mit ihm gemeinsam im Musikzimmer gesessen und ihm etwas vorgesungen während er eine Melodie dazu erfand. Wir hatten mein eigenes Lied gebastelt, doch bevor wir es fertigstellen konnten hat die Polizei ihn darum gebeten mit ihnen zu gehen und er ist ohne ein Wort zu sagen gegangen. Weil er wusste warum sie gekommen waren und es keine Ausreden mehr gab." Ihre Stimme wird leiser und ich rücke ein wenig näher an sie heran. „Ich wollte nicht mehr singen, weil es mich immer an ihn erinnert hat und es sich seit dem Tod meiner Granny sowieso nicht mehr richtig anfühlte, also habe ich beschlossen es ganz sein zu lassen." Ich lege die Hände an ihre Schultern und schaue sie ernst an.

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