Meghan
Es ist wie eine Wiederholung von vor drei Wochen als meine Mutter mir schrieb, dass ich nach Hause fliegen sollte. Doch jetzt war es ein Anruf und dieses Mal hat sie geweint.
Ich weiß nicht wie lange ich auf dem Bett sitze und das -mittlerweile schwarze- Display meines Smartphones anschaue, doch dass die Zeit vergeht, weiß ich. Und mit jeder Sekunde, die ich reglos auf dem Bett sitze überkommt mich die blanke Panik, die mich immer mehr aufzufressen scheint.
Ich habe meine Mutter noch nie weinen gehört. Natürlich in ihren Serien und Filmen, wenn sie eine Rolle spielt, aber außerhalb der Drehsets und vor allem vor mir? Nie.
Mein Herz pocht schnell und ich ringe nach Luft, was wie ein Weckruf an mich selbst ist und schon schlage ich die Decke von mir und springe auf die Beine, was einen kurzen Schwindelanfall verursacht, doch das hindert mich nicht daran zur Kommode zu laufen und meine Kleidung, die ich darin verstaut habe, herauszuholen und auf das Bett zu werfen. Mein Körper bewegt sich wie von selbst und holt meinen kleinen Koffer hervor, wirft alles hinein und zieht mich in andere Sachen um während meine Gedanken völlig woanders sind. Als ich mein Koffer aufstelle und nach meinem Smartphone greife, nachdem ich mir meinen Rucksack über eine Schulter geworfen habe, sehe ich die Uhrzeit und bin überrascht, dass ich nichts von der Müdigkeit verspüre, die mich sonst um diese Uhrzeit heimsucht. Es ist erst sieben Uhr morgens und ich bin in den letzten Jahren fast nie um diese Uhrzeit aufgestanden. Zu meinem Glück fangen all meine Kurse dieses und letztes Semester nach acht Uhr dreißig an und meistens komme ich sogar zu spät oder gerade noch so pünktlich. Meistens auch noch immer müde.
Aber jetzt? Keine Spur von Müdigkeit. Bloß blanke Angst. Ich habe gar nicht verstanden, was meine Mutter zu mir gesagt hat, weil sie so undeutlich gesprochen hat. Außer, dass ich nach New York kommen muss. Der Rest ist in Schluchzer untergegangen bis ich gesagt habe, dass ich komme und aufgelegt habe.Ich weiß, dass manche denken könnten ich wäre bescheuert. Schließlich haben wir keine gute Beziehung zueinander und in den letzten zwei Jahren hatten wir kaum miteinander gesprochen, aber sie ist immer noch meine Mutter. Und wenn ich zu ihrem Weinen am Telefon aufwache, dann werde ich zu ihr fliegen, egal, weshalb.
Wir haben nur uns beide.
Leise öffne ich die Tür und trete in den leeren Flur. So schnell und leise wie ich es hinkriege eile ich zur Treppe, denn wie es aussieht schlafen Logan als auch seine Mutter noch und ich will sie ungern wecken. Ich werde ihm einfach eine Nachricht schicken sobald ich im Taxi sitze, den ich noch herbestellen muss, mich bedanken und entschuldigen und dass wir uns auf dem Campus in einer Woche sehen werden. Er wird es mir schon nicht übel nehmen. Logan ist nicht nachtragend, das ist nicht seine Art.
Ich hebe meinen Koffer an und gehe herunter, unwissend, dass Amica auf einer Stufe sitzt und trete beinahe auf sie, was sie dazu bringt zu fauchen und ich hochschrecke, meinen Koffer doch tatsächlich sogar loslasse und zusehe wie es die Hälfte der Treppe herunterkracht und den wohl lautesten Sturz der Weltgeschichte hinter sich bringt.
„Fuck.", fluche ich leise -unnötigerweise- und sprinte nach unten um meinen Koffer anzuheben und zu sehen, dass er zum Glück nicht kaputt ist. Das hätte ich noch gebrauchen können. Einen kaputten Koffer.
Bevor ich mich wieder aufrecht hinstellen kann höre ich bereits schnelle Schritte von oben und folge dem Geräusch um Denise und Logan erschrocken am Treppenabgang stehen zu sehen. Die beiden müssen einen verdammt leichten Schlaf haben, zu meinem Glück. „Was ist passiert?", fragt Denise hellwach, doch müde zugleich und Logan kommt bereits die Treppen herunter, dass ich ihn ansehe. Er trägt blaue Shorts, kein Oberteil und ich starre für einen Moment auf seine breite Brust bevor ich mich zwinge in seine Augen zu sehen, denn jetzt ist nicht die Zeit um diesen hinreißenden Körper anzustarren. Ich weiß bereits, dass er Muskeln hat an denen man sich nicht sattsehen kann, weil er jeden Sommer oben ohne auf dem Campus joggen ist. Natürlich nur um die Studentinnen anzumachen, denn er wohnt gar nicht auf dem Campus und kann durch Parks und seine Nachbarschaft laufen gehen, wie es seine Mitbewohner tun. Wäre bestimmt sogar näher.
„Meg?", raunt er in seiner tiefen Morgenstimme und es ist erschreckend wie bekannt mir diese kratzige und tiefe Stimme von ihm bereits geworden ist. Seine eisblauen Augen lassen meinen Blick nicht los und ich glaube in ihnen doch tatsächlich Besorgnis lesen zu können. Er sorgt sich um meinen Koffer oder was? „Ich muss nach New York.", sage ich leise und es scheint zu reichen. Einen Moment sieht er mich noch stumm an, nickt dann jedoch und sieht zu seiner Mutter hoch. Keine Erklärung, keine weiteren Worte. Logan will nichts weiter von mir hören und ich denke, dass er mich jetzt gehen lässt, doch in meinen Augen scheint wohl auch etwas geschrieben zu sein, denn... „Ich fahre dich zum Flughafen.", bietet er an. Nein, er bietet es nicht an, er gibt mir Bescheid, dass er das tun wird.
Bevor ich überhaupt etwas dazu sagen kann geht er wieder hoch und stattdessen kommt Denise zu mir herunter. Sie legt die Hände um mein Gesicht, dass ich sie ansehe und mit einer Zärtlichkeit sieht sie mich an. „Ist alles in Ordnung?", fragt sie und mir ist zum Heulen zumute, dass ich den Blick senke. Ich weiß es nicht! Ich weiß nicht, ob alles in Ordnung ist! Dennoch nicke ich, denn ich will ihr keine Sorgen bereiten und sie soll mich nicht so in Erinnerung behalten. Schließlich gehe ich jetzt und werde sie wahrscheinlich nie wieder mehr in meinem Leben sehen und dann muss das letzte, was sie von mir weiß, keine Szene sein.
„Meine Mom braucht mich gerade nur.", antworte ich und sehe nochmals in ihr Gesicht um bereits elterliche Sorge zu erkennen, was mich dazu bringt Fäuste an meinen Seiten zu ballen. Diesen Blick kenne ich nur von meiner Granny und von meinem Dad bevor er gehen musste. Meine Mutter hat mich nie so angesehen und jetzt von Logans mit diesem Blick bedenkt zu werden ist... herzzerreißend für mich.
Ich lege die Arme um sie und spüre auch sofort ihre an meinem Rücken beruhigend auf- und abstreichen. „Danke für alles.", flüstere ich und sie drückt mich einen Moment fester bevor sie mich von sich zieht um mich anzusehen. „Ich danke dir fürs Kommen. Du bist hier jederzeit willkommen, Süße.", stellt sie klar und ich nicke dankbar.
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DREAM SCORE
Fiksi RemajaSie hasst vieles, doch was ganz oben auf Meghans Liste steht, ist zurück nach New York zu fliegen. An den Ort, wo jeder hinter ihrem Rücken die Köpfe zusammensteckt und die schmutzigen Geheimnisse ihrer Familie kennt. Doch aus unerklärlichen Gründen...