26|„Du und ich funktionieren nicht zusammen."

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Meghan

Nach einer Stunde werfe ich den Kopf in den Nacken und seufze so laut die Bibliotheksregeln es mir erlauben. Ich drehe den Kopf nach rechts und sehe Dean an, der hochkonzentriert auf seinen Laptop sieht.
„Was hast du bis jetzt?", flüstere ich und schnell sieht er zu mir auf bevor er etwas anklickt.
„Die Begriffserklärung der Intersektionalität?" Es klingt viel eher wie eine Frage und ich ziehe verwirrt eine Braue hoch. Grimmig kneife ich die Augen enger zusammen und betrachte ihn aus Argusaugen. „Was zur Hölle hast du die letzte Stunde gemacht?", frage ich und ziehe seinen Laptop zu mir bevor er antworten kann.
Irgendeine Webseite ist geöffnet mit der Definition der Fachbegriffe, doch ich sehe einen zweiten Tap, den ich auch sofort anklicke und auf ESPN lande. „Du willst mich doch verarschen, oder?", keife ich leise und sehe in seine schuldbewussten, grauen Augen,„Du schaust dir die ganze Zeit Eishockeyhighlights an?"
„Nicht die ganze Zeit!", protestiert er, dass ich ihm einen vernichtenden Blick zuwerfe und er wieder verstummt. Ich schiebe ihm seinen Laptop wieder zu und verschränke genervt die Arme vor der Brust. „Ich hätte mich mit Nate zusammentun sollen.", murmle ich und Dean seufzt neben mir. „Dylan hat ihn sich schon geschnappt, Kleines.", erinnert er mich leise, dass ich schnaube.
Nach tiefem Durchatmen sehe ich ihn wieder an.
„Jetzt schließ das. Dein Eishockey kannst du dir später reinziehen.", ermahne ich ihn und er zieht seine dunklen Brauen zusammen. „Was hast du denn bis jetzt geschafft?", verlangt er zu wissen und ich reiße meinen Block so heftig hoch, dass es mich wundert, dass es nicht aus meiner Hand und in sein Gesicht fliegt. „Ich habe die Entwicklung der Intersektionalitätstheorie begonnen und niedergeschrieben, dass es mit den schwarzen Frauen begann, die sich im weißen Feminismus benachteiligt gefühlt haben und das Zusammenwirken von Rasse und Geschlecht als Diskriminierungsform thematisiert haben.", schnauze ich ihn lauter als erlaubt an und er widmet sich wieder seinem Aufgabenbereich.
Nach einigen Minuten spricht er wieder. „Sollen wir es auch dem Marxismus entgegenstellen?", flüstert er und ich schüttle den Kopf. „Das ist doch das Thema von Blond und Blonder.", murmle ich in Gedanken vertieft und eine lange Pause entsteht zwischen uns. „Du meinst Luke und Hunter?", spricht er schließlich wieder und ich nicke. Wieder eine Pause. „Also ich würde Hunter schon als hellbraun bezeichnen.", verbessert Dean mich, dass ich aufhöre zu schreiben und über die Schulter sehe.
„Willst du jetzt die Haarfarben deiner Mitspieler ausdiskutieren oder dieses Referat fertigbekommen?", frage ich drohend und er macht ein unglückliches Gesicht. „Warum bist du so viel zickiger als sonst?", blafft er mich an und ich sehe wieder zu meinem Geschriebenem. Vielleicht, weil ich gerade meine Periode habe, aber das tut nichts zur Sache. Ich bin sowieso nicht Miss Sonnenschein an blutfreien Tagen. „Ich bin immer so.", behaupte ich dennoch und er seufzt.

In der nächsten Viertelstunde arbeiten wir schweigend weiter und Dean geht immer mal wieder an sein Smartphone, was mir langsam gegen den Strich geht. Warum konzentriert er sich denn nicht für eine verdammte halbe Stunde? Ich schwöre, dass ich das Teil gleich gegen die vertäfelte Wand der alten Bibliothek schleudere, wenn er es nicht gleich zurücklegt.
Als ich eine neue Internetseite öffne, sehe ich, dass es ein kurzes Video gibt und beschließe es mir anzusehen. Ich nehme mein Rucksack auf meinen Schoß und greife an die Seitentaschen um meine Kopfhörer zu finden, aber komischerweise finde ich sie nicht. Weder meine weißen On-ear Kopfhörer noch die kabellosen Ohrstöpsel sind auffindbar. Das ist seltsam, denn ich verlasse nie ohne eines der beiden das Wohnheim. Vielleicht habe ich sie bereits herausgelegt. Also lege ich meinen Rucksack zurück auf den langen Holztisch und wühle mich durch die Blätter.
Gerade als ich mich an Dean widmen und ihn fragen will, ob er sie vielleicht gesehen hat, packt ihn jemand von hinten an den Schultern und Dean schreckt hoch. Ich sehe an den sehnigen und maskulinen Händen hoch, folge den tätowierten Armen und lande in eisblauen Augen, die verspielt aufblitzen als er zu seinem Mitbewohner heruntersieht. Augenblicklich verkrampfe ich mich bei Logans Anwesenheit. Es ist eine Woche her seit ich ihn gesehen habe und ganz ehrlich? Es hätte ruhig länger sein können. Noch scheint er mich gar nicht bemerkt zu haben.
„Warum musst du mich erschrecken?", schimpft Dean flüsternd und schaut den grinsenden Vollidioten an, der sich einen Stuhl heranzieht. „Ich dachte du brauchst diesen Weckruf bevor du einschläfst.", antwortet Logan und lässt sich auf den Stuhl fallen,„Es ist ruhig als auf einem Friedhof hier." Dean schnaubt. „Es ist auch eine Bibliothek." Logan lehnt sich munter zurück und jetzt -ich sehe es genau in seinen Augen, denn das Funkeln erlischt- sieht er mich an. Es ist verwirrend und entsetzlich, was plötzlich in meinem Inneren passiert. Seine Mundwinkel sinken langsam und er starrt mich an als wäre mir ein Paar Hörner gewachsen, dass ich unwohl von einem Fuß auf den anderen trete. Mein Magen zieht sich krampfhaft zusammen und ich presse die Lippen fest zusammen als ich jeden Atemzug deutlich spüre, als wäre es mein letzter.
Ich muss wegsehen.
Also greife ich nochmals nach meinem Rucksack, ziehe ihn auf meinen Schoß und beginne wieder nach meinen Kopfhörern zu suchen als hätte ich es nicht vor zwei Minuten getan.

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