51|die Bremse ziehen

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Logan

Verschwitzt folge ich den Jungs vom Eis herunter und streiche mir meine nassen Haare von der Stirn.
„Matthews!", ruft Coach Patterson und stöhnend drehe ich mich wieder zu ihm aufs Eis,„Bleib noch einen Moment hier." Wenig begeistert trotte ich zur Bank und schnappe mir eine Wasserflasche um sie fast vollständig auszutrinken während der Coach vom Eis zur Bande fährt. Was habe ich schon wieder getan? Ich habe heute keinen Blödsinn angestellt, keinen Mucks von mir gegeben sondern einfach nur gespielt. Und trotzdem dürfen alle gehen und ich muss wieder mal länger bleiben wie ein Störenfried.
„Was ist los, Coach?", frage ich entnervt und lasse die leere Wasserflasche auf den Boden fallen. Er legt seine Hände um die Bande und mustert mich aus zusammengekniffenen Augen.
„Sag du es mir.", fordert er mich auf, dass ich die Stirn runzle. Was soll das jetzt?
„Ich kann Ihnen nicht folgen, Coach.", gebe ich ruhig von mir und fahre mir über meinen verschwitzten Nacken. Verdammt, wenn ich in fünf Minuten nicht duschen gehe, sterbe ich an meinem eigenen Schweißgeruch.
„Du warst heute gut auf dem Eis.", lobt er mich und ich schaue ihm abwartend in die dunklen Augen. „Danke, Coach."
„Aber sonst bist du spitzenmäßig." Ich seufze. Natürlich gibt er mir kein Kompliment. Wie naiv von mir.
„Du bist in Gedanken ganz woanders. Das geht auf keinen Fall. Es ist scheißegal, ob wir in der Nachsaison sind oder nicht.", sagt er nachdrücklich und ich nicke mit dem Blick auf meinen Händen.
„Mir gehen nur paar Sachen durch den Kopf, aber das kriege ich schon wieder hin. Ich werde mich nur noch aufs Eishockey konzentrieren.", verspreche ich ihm mit schwacher Stimme. Ich hoffe doch, dass ich das schaffe. Mit jedem Tag wird es nur schlimmer statt besser und meine Sehnsucht nach ihr wird größer. Verdammt, selbst jetzt muss ich wieder an ihr Lachen denken.
Coach Patterson mustert mich scharf.
„Sag mir, dass es keine Frau ist.", verlangt er und ich presse die Lippen aufeinander.
„Dann sage ich besser gar nichts.", murmle ich und er seufzt laut.
„Nicht schon wieder.", spricht er unter dem Seufzer und ich schaue wieder zu ihm auf. Er schaut sich einmal in der Halle um bevor er herumkommt und sich neben mich auf die Bank setzt. Widerwillig lasse ich es zu, doch lieber würde ich in die Umkleide laufen und von hier verschwinden. Er schaut geradeaus auf das glänzende und zerkratzte Eis und ich mustere ihn abwartend.

„Weißt du, Logan. Ich war gerade erst fertig mit dem College als ich geheiratet habe.", erzählt er mir und ich spitze die Ohren, denn der Coach spricht so gut wie nie über sein Leben. Darum wundert es mich, dass er es jetzt tut, doch ich werde ihn nicht darauf aufmerksam machen. Ich habe mir immer vorgestellt, dass Coach Patterson nie geheiratet hat, immer griesgrämig durchs Leben getrottet ist und irgendwann auf die Idee kam, dass er doch seinen Lieblingssport und seine Lieblingsbeschäftigung -nämlich das Brüllen- kombinieren und Trainer werden könnte. Durch eine kleine Recherche, die ich in Langeweile gestartet habe, weiß ich, dass er eine Tochter hat, die nach dem Sommer hier studieren wird, doch ich dachte nicht, dass er wirklich verheiratet ist. Außerdem trägt er gar keinen Ehering.
„Willst du wissen wie lange wir verheiratet waren?", fragt er grinsend und ich nicke,„Knapp drei Jahre. Bisschen weniger. Dann lagen die Scheidungspapiere auf dem Tisch." Das klingt eher nach ihm.
„Warum?", frage ich vorsichtig und er lacht trocken auf.
„Weil Frauen verrückt sind, Junge.", antwortet er wie selbstverständlich und ich muss kurz lachen.
„Da ist wohl was dran.", stimme ich ihm zu und sehe ebenfalls nach vorne.
„Ich weiß wie aufregend und schön es sein kann sich in deinem Alter zu verlieben.", gesteht er und meine Mundwinkel sinken drastisch.
„Aber?", hake ich nach, denn es klingt nach einem Aber-Satz.
„Aber es ist nicht alles und es wird nicht reichen können.", fährt er fort und ich ziehe überrascht eine Braue hoch, denn bis jetzt habe ich immer nur gehört, dass die Liebe alles ist und immer ausreichen wird, egal in was für einer Situation man sich befindet. Ich weiß nicht, ob Coach Patterson ein Pessimist oder Realist ist. Meiner Meinung nach ist ohnehin ein sehr schmaler Strich zwischen den beiden Arten.
„Die Liebe kann das Schönste, aber auch das Verderben sein.", führt er mir vor Augen und ich blicke unglücklich nach vorne und fixiere eine schwarze Pylone auf dem Eis.
„Haben Sie danach nochmal geheiratet?", frage ich und sehe aus dem Augenwinkel wie er den Kopf schüttelt.
„Diese drei Jahre waren bereits zu viel für mich.", behauptet er und ich stemme meine Ellbogen auf die Knie.
„Warum erzählen Sie mir das, Coach?", frage ich und wir beide blicken weiterhin vor uns.
„Weil ich dich auf dem Eis brauche. Du bist mein bester Verteidiger da draußen und niemand von uns kann es sich leisten, wenn du irgendeiner Frau hinterherjagst, weil es einen Reiz an sich hat.", erklärt und verhöhnt er, dass ich die Brauen zusammenziehe.
„Sie ist nicht irgendeine Frau.", korrigiere ich ihn gereizt und er schweigt einen Moment. Ob alle bereits weg sind? Dann habe ich wenigstens die Duschen ganz für mich.

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