19 - Aussage gegen Aussage

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Stephan wirft einen Blick in sein Notizbuch, ehe er weiterredet. „Du hattest heute Schicht auf der Intensivstation, oder?" „Ja, als Vertretung. Wir haben gerade akuten Personalmangel", antwortet Phil trocken. „Wann hast du Herrn Webers Tod festgestellt?" „So genau weiß ich es nicht mehr. Das muss so gegen 14:30 Uhr gewesen sein. Aber das kann man ja genauer nachlesen." „Hä? Ohne Sinn", murmelt Stephan, während er in seinem Büchlein liest. „Die Todesursache war unklar, oder?" Phil nickt. „Vorerst ja. Und im Blut, welches wir das letzte Mal, wo wir in seinem Zimmer waren, abgenommen haben, wurde schlussendlich eine Überdosis festgestellt. Die hat dann zum Tod geführt. Eine Überdosis eines Medikaments, welches er gar nicht bekommen hat", erklärt Phil. „Mit wem hattest du Dienst?" „Ich war um diese Zeit der einzige Arzt, wie gesagt, akuter Personalmangel. Von Krankenpflegern her waren Stephanie Koch, Amelie Schneider und dieser neue Pfleger, der erst seit einer Woche bei uns arbeitet. Der heißt...." Paula hilft Phil auf die Sprünge. „Du meinst diesen Felix Brohm?" „Ja, genau den. Mit ihm war ich auch bei Herrn Weber, als er gestorben ist. Die anderen zwei waren anderweitig mit Patienten beschäftigt und ich bis zu diesem Moment auch." Stephan runzelt die Stirn. „Von Felix Brohm kommt auch die Aussage gegen dich. Er sagt, dass nur du die Überdosis gespritzt haben kannst, da er dich kurz vor dem Tod in Herrn Webers Zimmer gesehen hat." „Was ist denn das für ein Quatsch? Ich war kurz davor bei einer jungen Frau, die erst heute eingeliefert wurde. Da kann man auch nachfragen, ihrem Zustand nach zu urteilen müsste sie aussagen können. Außerdem hätte ich ja wohl nicht die Polizei gerufen, wenn ich es gewesen wäre. Dann hätte ich die ganze Sache doch unter den Tisch fallen lassen."

Stephans Blick liegt nun erwartungsvoll auf mir. „Phil hat mir erzählt, dass du heute Nachmittag, genau um diese Uhrzeit herum, auch in der Klinik warst, zur Kontrolle deiner Nase. Da die Intensivstation unmittelbar in der Nähe war, wo du dich in der Klinik aufgehalten haben müsstest, wäre es wichtig zu wissen, ob du etwas außergewöhnliches gesehen hast." Jetzt blüht es mir, warum ich hier sitze. Mein Gehirn braucht eine Weile, um diese ganze Konversation zwischen Stephan und Phil zu verarbeiten und sich an den Nachmittag in der Klinik zu erinnern. Ich bin hin- und hergelaufen, weil mir so langweilig war und ich so lange warten musste. Mir kommt eine Szene in den Sinn, die mir schon äußerst seltsam vorkam. „Ja, da war in der Tat etwas. Mir ist ein Pfleger aufgefallen, den ich noch nie gesehen hatte. Der hatte so kurze braune Haare und eine rahmenlose Brille, genau." „Das ist Felix Brohm!", fällt mir Phil aufgeregt ins Wort, ist dann aber auch sofort wieder leise. „Jedenfalls stand eben auf dem Gang gerade so ein Notfallwagen. Frederik, der sich heute um mich gekümmert hat, hat mir erlaubt, mich zum Warten ins Schwesternzimmer zu setzen. Da ich nun mal nicht stillsitzen konnte, stand ich gerade in der Schwesternkanzel, als dieser Pfleger ganz nervös um sich geguckt hat. Mich hat er anscheinend nicht gesehen, oder es war ihm egal. Dann hat er irgendwie etwas aus einem Schubfach des Wagens genommen, es in seine Hosentasche gesteckt und ist dann ganz schnell wieder in den Fahrstuhl gestiegen. Danach hat mich Frederik aber in sein Behandlungszimmer gerufen und die Sache war für mich wieder erledigt. Der hatte auch keine Handschuhe an, deshalb denke ich, dass er nichts zu verbergen hat. Das war auf der chirurgischen Station." Stephan klatscht in die Hände und zückt sofort sein Handy. „Das kann der Hinweis sein!", ruft er erfreut und wählt eine Nummer. Angerufener geht anscheinend sofort ran.

Nach einem kurzen Telefonat habe ich nun eine Frage an Stephan. „Wo genau liegt jetzt eigentlich das Problem? Wieso wird Phil verdächtigt?" Stephan zuckt mit den Schultern. „Laut Phils Aussage kann es nur Felix Brohm gewesen sein. Der jedoch hat der Polizei gegenüber eine ganz andere Aussage gemacht, in der Phil der Täter ist. Vielleicht um von sich abzulenken. Da aber bis jetzt die Beweise fehlen und Aussage gegen Aussage steht, können wir nicht viel sagen." Ich nicke langsam und gucke zu Phil, der wirklich mitgenommen aussieht. Es ist ja auch nicht schön, verdächtigt zu werden, obwohl man so etwas niemals tun würde. Ich meine, Phil und einen Patienten umbringen? Wo liegt hier der Sinn? Das ist das Lächerlichste, das ich jemals gehört habe. „Aber sag mal, kennst du vielleicht irgendwelche Motive?", fragt Stephan in die kurze Stille hinein. Herr Schuster sitzt unbeeindruckt guckend da. Der hat eben keine Bindung zu Phil, nicht so wie Stephan. „Nein, das ist es ja. Ich habe heute erst das zweite Mal mit ihm zusammengearbeitet und vorher habe ich ihn noch nie gesehen. Was er mit dem Patienten zu tun hat, kann ich auch nicht sagen." Phil klingt ratlos, ihm setzt das alles ganz schön zu.

Nachdem Stephan noch etwas nachgedacht und gelesen hat, kommt er zu einem Entschluss. „Phil, du brauchst eigentlich gar keine Angst haben. Herr Brohms Aussage war so schwammig und ungenau. Außerdem gibt es keinerlei Hinweise, dass du es warst. Ich würde dich jetzt mit zur Wache nehmen, damit du da nochmal alles sagen kannst." Er ist noch gar nicht fertig mit dem Reden, wird jedoch von seinem Handy unterbrochen, welches laut klingelt. „Oh, das ist Klaus, könnte interessant sein", sagt er, hebt ab und stellt auf Lautsprecher.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)

7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt