79 - Freundschaften muss man pflegen

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In der folgenden Woche hatte Paula Urlaub. Diese Zeit hat sie genutzt, um mir zu helfen. Jeden Tag hat sie mit mir zusammen etwas gekocht, damit ich davon überzeugt werde, dass wir gesund essen. Es hat auch immer besser geklappt mit ihrer Hilfe. Dennoch bleiben normale Portionen bei mir noch aus, zu schnell wird mir schlecht.
Außerdem haben Phil und sie am Ende der Woche verkündet, dass Paula nun entgültig bei uns einzieht und ihre Wohnung kündigt. Wir waren zwar etwas überrascht, da sie das so groß verkündet haben, war Paula doch so oder so schon fast durchgängig bei uns. Aber ich bin froh, dass Phil nicht auszieht. Davor hatte ich irgendwie Angst. Stephan hat schnell eine Wohnung gefunden, in die er mit unserer Hilfe auch zügig einziehen konnte. Amelie war ein bisschen traurig, dass ich nicht mehr rund um die Uhr bei ihr bin. Aber ich habe ihr versprochen, dass wir mal eine Übernachtungsparty bei mir machen - da war alles wieder gut.
Die Sommerferien rückten immer näher und ich habe mich mit meinem Bänderriss schließlich in die Schule geschleppt - auch wenn es eigentlich unnötig war, haben wir eh nichts mehr gemacht.
Mit Tim habe ich die meiste Zeit verbracht, und selbst schmerzlich gemerkt, wie ich Anni immer mehr vernachlässigt habe. Und genau das spricht sie heute, an einem Freitag zwei Wochen vor den Ferien, an.
Nach einer langen Zeit ist sie mal wieder bei mir und übernachtet auch.
Die Sonne ist am Untergehen, und wir sitzen beide mit einem Eis im Garten.
„In zwei Wochen ist schon die Jahrgangsparty", sagt Anni nach einem kurzen Schweigen.
„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich da wirklich hin will. Immerhin haben wir eigentlich nur mit unserer Klasse Kontakt. Wofür also einen Abschluss feiern, wenn wir eh Abi machen?" Ich esse den letzten Rest vom Stiel und lege ihn neben mir ab.
Die Jahrgangsparty wird immer von den Schülern organisiert. Am Ende der zehnten Klasse gibt es einfach eine Party. Dort werden auch die Schüler verabschiedet, die nach dieser Klasse abgehen.
„Komm schon, wird bestimmt lustig. Man kennt sich ja auch klassenübergreifend, auch wenn nicht doll. Außerdem haben wir ab der zwölften Kurse, da ist es praktisch, wenn man die anderen mal etwas kennenlernt", probiert Anni, mich zu überreden.
„Ich erinnere dich ungern an unsere erste und letzte Party. Und ihre Folgen. Ich bezweifle, dass ich dann überhaupt darf."
Sie stupst mich von der Seite an. „Das wird diesmal aber nicht passieren, weil da keine fremden Typen rumlungern."
Ich lasse meinen Blick kurz im Himmel ruhen, bis ich schließlich seufze. „Na schön, sonst verpassen wir bestimmt was. Aber ich muss Papa noch fragen."
Ein Grinsen stiehlt sich auf ihre Lippen. „Er wird schon nichts sagen. Aber eine Bitte hätte ich. Könnten wir da zur Party als Freundinnen gehen? Also wir beide zusammen? Dann kann Tim mit seinen Jungs gehen und wir haben mal wieder unser Ding zusammen. Weil...also ich finde ja schon..."
Ich bringe sie mit meiner Hand zum Schweigen. „Ich weiß, ich erkenne mich schuldig. In letzter Zeit habe ich sehr viel mit ihm gemacht, dafür immer weniger mit dir. Und ich fühle mich deshalb auch schrecklich. Also ja, machen wir."
„Danke." 

Der Abend wird noch richtig schön. Und da merke ich erst, wie sehr ich das mit Anni vermisst habe. Mich lässt das richtig schlecht fühlen.

Am nächsten Tag muss sie relativ früh gehen. Danach nutze ich sofort die Gelegenheit, um Papa nach der Party zu fragen.
„Duuu, Papa?" Ich setze mich zu ihm auf die Couch und schenke ihm ein Lächeln.
„Was willst du?", fragt er skeptisch nach.
„Also in zwei Wochen ist eine Abschlussparty und..."
„Party? Nein", fährt er mir dazwischen.
„Aber..."
„Kein aber. Josefine, du weißt, wie das das letzte Mal ausging. Nicht noch mal."
Er hat mich Josefine genannt. Oh oh.
„Das ist aber die Abschlussparty meines Jahrgangs. Das wäre total unfair, wenn ich da nicht hin darf!" Meine Stimme wird lauter und höher.
Er legt seine Zeitung nun richtig weg. „Ich möchte nicht, dass wieder etwas dergleichen passiert. Und um das zu verhindern, verbiete ich dir die Party."
„Ich habe doch noch nicht mal wirklich gesagt, was das ist!" Im Augenwinkel nehme ich eine weitere Person wahr. „Phil, sag doch auch mal was!"
„Was?" Er guckt uns verwirrt an. Okay, er ist ja auch gerade erst von oben gekommen, er kann gar nicht wissen, worum es geht.
„Papa möchte mir verbieten, auf die Abschlussfeier meines Jahrgangs zu gehen. Dort ist nur mein Jahrgang."
Phil hebt seine Schultern. „Wenn Franco dir das verbietet, dann kann da keiner was ändern. Er ist dein Vater, er hat das Sagen."
Ich gucke ihn mit offenem Mund an. „Hallo, du kannst dich aber mal für mich einsetzen."
Phil sieht jedoch selbst nicht so überzeugt aus. „Also, na ja... Fine, nimms mir nicht übel, aber ich sehe das auch kritisch. Nach dem letzten Mal..."
Ich schnalze genervt mit der Zunge. „Ihr und mein letztes Mal. Okay, dann nicht. Dann denken sich halt alle, dass ich so einen spießigen Vater habe, der mir meine Abschlussparty verbietet. Meine ABSCHLUSSPARTY!" Ich springe auf und renne nach oben in mein Zimmer. Die Tür wird nicht auf die sanfteste Weise geschlossen.

Nach einer Weile höre ich ein lautes Stimmengewirr aus dem Wohnzimmer. Sie werden immer lauter. Und darunter kann ich jeden ausmachen, der hier in diesem Haus wohnt. Sogar Paula redet so laut, wie ich sie das letzte Mal gehört habe, als sie sich mit Phil gestritten hat.
Dann irgendwann verstummt alles, wird von einem Getrampel auf der Treppe abgelöst. Es klopft an meiner Tür.
Auf mein Grummeln stehen alle in meinem Zimmer. Alle. Paula, Phil, Alex, Papa und sogar Toni.
„Diese Idioten haben mich überredet", mault Papa. „Geh ruhig zur Party. Aber wenn was sein sollte, rufst du uns an."
„Idioten?", fragt Alex verärgert. „Aber Fine, ich kann dir sagen, dass Paula, Toni und ich keine Idioten für dich sind. Dank uns kannst du zur Party." Alex klopft sich selbst auf die Schulter.
„Ja komm, heb dich bloß in den Himmel. Soll ich dir helfen?", sagt Papa genervt und geht. Die anderen folgen ihm, und schon entsteht eine neue Diskussion.
Die haben sich hier gerade zu Feinden gemacht.
Und im Nachhinein wäre ich wirklich froh gewesen, wenn das Verbot bestanden hätte. Aber im Nachhinein ist man ja immer schlauer.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)

7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt