63 - Angehexte Beschwerden

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Seit vier Wochen schwebe ich praktisch auf Wolke sieben. Was mir auch von meinen Mitmenschen gesagt wird. Ich solle doch durchgängig grinsen und die gute Laune in Person sein.
Nur wenn es ums Essen geht, stoße ich immer wieder auf Gegenwind. Dabei verstehe ich echt nicht, was die anderen haben. Ich ernähre mich einfach nur gesünder. Zumindest sehe ich das so.
Und heute ist mal wieder solch eine Situation.
„Josefine, kommst du mal bitte?", schreit Phil durchs halbe Haus.
Gut gelaunt, wie ich eben bin, stehe ich von meinem Bett auf und gehe in die Küche, wo Phil und Alex zwischen vollen Einkaufstüten stehen.
„Tim kommt nachher noch vorbei", flöte ich schon fast.
Auf deren Gesichter spielt sich ein kurzes Lächeln, doch dann werden sie wieder ernst.
„Uns ist aufgefallen, dass dein Vorrat an deinem Wasser mit Geschmack im Keller nicht mehr abnimmt. Trinkst du gar nichts mehr? Oder wie dürfen wir uns das vorstellen?" Alex guckt mich prüfend an, während Phil den Einkauf einräumt.
Ich rolle mit den Augen. Nicht wieder das Thema. „Ich trinke Wasser", sage ich, klinge jedoch eher fragend.
„Du trinkst Wasser? Also nimmst du so gut wie kaum Flüssigkeit zu dir", stellt Alex nicht gerade begeistert fest. „Wie kommt es so plötzlich dazu?"
Wird das hier ein Verhör? „Na ja, ich möchte mich eben gesünder ernähren. Und dazu zählt ja auch, Zucker zu reduzieren. Also trinke ich nur noch pures Wasser."
„Gesunde Ernährung hat etwas mit ausgewogener Ernährung zu tun. Mit den Inhaltsstoffen der Nahrung und den richtigen Dosen. Und nicht mit immer weniger essen", bemerkt Alex. „Und überhaupt, was hat diesen Trip bei dir ausgelöst?"
„Ich habe einfach die Erkenntnis bekommen, dass das wichtig ist." Wie so häufig die letzten Wochen schwirrt mir das Gespräch zwischen Alex und Phil durch den Kopf. Was Ernährung alles anrichten kann.
Phil dreht sich vom Kühlschrank zu mir und hält mir eine Flasche mit gelb-orangener Flüssigkeit hin. „Wir haben dir Smoothies mitgebracht. Die sind ja gesund."
Ich ziehe eine Augenbraue hoch. „Verarschen kann ich mich selber. Ihr wisst genau, wie viel Fruchtzucker und Kalorien in diesen Dingern steckt", schnaube ich.
Phil muss tief durchatmen, ehe er die Flasche in den Kühlschrank stellt, die Tür schließt und sich neben Alex vor mich hinstellt. „Josefine, wird das hier eine krankhafte Essstörung von dir? Seit Wochen isst du kaum noch etwas. Denkst du, uns entgehen deine Blicke auf die Inhaltsstoffe nicht, die du auf jedes Produkt wirfst? Dass du dir nur noch Essen wünschst, welches ja ach so gesund ist? Dass deine Portionen immer kleiner werden und du morgens ja so spät aus dem Bett kommst, dass keine Zeit mehr fürs Frühstück ist? Wo soll das noch hinführen? Du ernährst dich nicht gesund - im Gegenteil. Deine Ernährung ist momentan eine reinste Katastrophe!" Phil wurde von Satz zu Satz lauter und ich bin erschrocken zurückgewichen.
„Tut mir leid, ich wollte nicht ausrasten. Aber du schadest dir momentan nur selber", murmelt er und fährt sich verzweifelt durch die Haare.
„Ich schade mir selber? Komisch, mir geht es aber super gut!", gebe ich schnippisch zurück.
„Noch geht es dir so gut. Es ist nur eine Frage der Zeit", sagt Alex.
Ohne etwas zu erwidern verlasse ich die Küche. So wie die Worte von Phil meinen Kopf betreten haben, haben sie ihn auch schon wieder verlassen.
Ich ernähre mich so, wie ich mich gut fühle. Und in meinen Augen ist es so richtig, wie ich es gerade mache.
Lang sind meine Gedanken von diesem Thema nicht aufgewühlt, denn kurz darauf klingelt Tim schon an der Tür und ich empfange ihn freudig. Er merkt zwar die angespannte Stimmung zwischen mir und Alex und Phil, geht jedoch nicht weiter darauf ein, als ich das Thema direkt abwehre. Besser so.

Nach dem Wochenende ist es dann soweit, der Erste-Hilfe-Kurs steht in unserer Klasse an. Die Stimmung zwischen den Jungs und mir ist nicht besser geworden. Im Gegenteil, ich habe mich fast gar nicht mehr aus dem Zimmer bewegt, seit Tim am Samstag gekommen ist. Er hat bei mir geschlafen. Und gegessen haben wir in meinem Zimmer. Zumindest er, ich hatte keinen Hunger.
In meiner Klasse sind Papa, Paula und Alex für den Kurs zuständig. Auch wenn ich heute mit ihnen zusammen hätte fahren können, bin ich viel früher als nötig abgehauen.
Also sitze ich bereits vor Beginn des Schultages auf dem Schulhof. Für Mitte Juni ist es schon extrem warm. Ich hasse den Sommer.
Seufzend nehme ich meine Wasserflasche aus der Tasche und nehme ein paar Schlucke. Mein Kopf fühlt sich davon jedoch nicht besser an. Es ist, als hätte Alex mir meine Beschwerden angehext. Seit gestern ist mir schwindelig, mein Schädel brummt und ich fühle mich schlapp. Von meiner Ernährung kommt das bestimmt nicht, es hängt eher mit dem schwülen Wetter zusammen. Da bin ich mir ziemlich sicher.
Meine Gedanken werden schnell unterbrochen, als sich von hinten Arme um mich legen und ich einen Kuss auf die Wange bekomme.
„Na, wie geht's dir?" Tim setzt sich neben mich, nachdem er mich losgelassen hat.
Ich seufze. „Eher bescheiden. Ich kann das Wetter nicht ab. Aber danke, dass du auch schon gekommen bist." Ich lächle ihn an und gebe ihm noch einen richtigen Kuss.
„Was ist denn eigentlich los, dass du praktisch flüchtest? Zumal du ihnen heute nicht annähernd aus dem Weg gehen kannst, wenn sie den ganzen Tag vor uns stehen."
Ich zucke kraftlos mit den Schultern. „Sie machen sich wieder Sorgen, wo keine Gründe bestehen. Und dem wollte ich heute Morgen einfach aus dem Weg gehen."
„Geht es um dein Essverhalten?", hinterfragt er vorsichtig.
Ich nicke kaum erkennbar. Immerhin sehe ich da persönlich keine Probleme.
Er holt Luft, möchte zu etwas ansetzen. Lässt es dann jedoch bleiben.
„Was wolltest du gerade sagen?" Ich gucke ihn auffordernd an.
„Ich finde, sie haben recht. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich mich gestern auch mit ihnen unterhalten, nachdem ich mich oben von dir verabschiedet habe. Du siehst wirklich nicht gut aus."
Das ist nicht sein Ernst. „Ach, du fällst mir in den Rücken?"
„Es ist doch nur zu deinem Besten, verstehe das doch. Wir machen uns alle Sorgen. Dein Essverhalten ist nicht normal, das musst du einsehen." Er klingt ziemlich verzweifelt, doch das kann ich gerade nur zu gut überhören. „Ich merke jetzt schon, dass du dünner geworden bist. Wenn ich dich umarme, dich anfasse. Man spürt es nicht nur, man sieht es auch schon."
Das ist gut möglich. Ich war schon immer ein Mensch, der sehr schnell Gewicht verloren hat. Da muss ich nur eine Woche krank im Bett gelegen haben und man hat einen kleinen Unterschied gesehen.
Ein stechender Schmerz in meinem Kopf überrumpelt mich, bevor ich etwas erwidern kann, und meine Hände fahren wie automatisch an meine Schläfen.
„Alles gut?", fragt Tim sofort besorgt.
Ich nicke mit zusammengekniffenen Augen. Mein Schwindel hat zugelegt.
„Hier, trink was." Er hält mir meine Flasche hin, aus der ich sofort großzügig trinke. Für den Moment wird es ein wenig besser, aber ich merke, dass es diesen Tag nichts mehr wird.
Das kann ja heiter werden.

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Aus gegebenem Anlass habe ich meine Kapitel nummeriert. Hier gerät andauernd etwas durcheinander und so kann man die Reihenfolge einfach im Blick behalten.

Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)

7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt