42 - Männerbesuch

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Ein Auto fährt vor und ich erkenne sofort, dass es Paula ist. Ich gehe in ihre Richtung und sie entdeckt mich schnell. „Was ein Service." Sie wirft mir einen belustigten Blick zu und fährt wieder vom Klinikgelände.
„Phil hat mir schon von dem Ergebnis berichtet. Hat er dir Vorwürfe gemacht?", hakt sie vorsichtig nach. „Stimmt. Da war was. Nein, hat er tatsächlich nicht. Aber ich schätze, dass mich mindestens Papa nicht einfach so davonkommen lässt."
Paula lacht auf. „Das kann ich mir tatsächlich auch gut vorstellen. Aber das lässt du einfach über dich ergehen und dann ist gut."
Erstaunt gucke ich sie an. Hat sie das gerade wirklich gesagt?
Ihre Augen schielen kurz zu mir rüber. „Was? Ich war früher als Jugendliche nicht anders. Übrigens hatte ich in deinem Alter auch oft solche ähnlichen Probleme."
„Es ist komisch, von einem Erwachsenen zu hören, man solle die Predigten seines Vaters einfach über sich ergehen lassen."
Paula zuckt gleichgültig mit den Schultern und setzt den Blinker nach links, um die Spur zu wechseln. „Du kennst mich nicht erst seit gestern, ich kenne dich dementsprechend auch schon lange. Da weiß man, wie der andere so tickt. Dass du in den richtigen Momenten doch vernünftig sein kannst, wissen wir alle." Sie hält kurz inne und überlegt. „Obwohl.... Wie war das mit dir neulich, als du die Commotio hattest?" Ihre Lippen bilden ein Grinsen.
„Ich habe daraus gelernt", gebe ich etwas beleidigt zurück und überlege, wie ich das Thema wechseln könnte. „Wie kannst du jetzt eigentlich schon so wach sein, obwohl du Nachtschicht hattest? Und danke, dass du mich abholst."
„Nichts zu danken. Und die Nacht war erstaunlich ruhig. Schon fast gruselig ruhig. Ich sage dir, die werden heute am Tag dafür noch das Doppelte bekommen. Ich bin gespannt, was Phil nachher berichtet. Außerdem ist es schon fast zwölf, da konnte ich noch etwas schlafen. Hat alles ganz schön lang bei dir gedauert."
„Bleibst du heute bei uns?"
Paula nickt. „Phil und ich haben morgen frei, da machen wir uns einen schönen Tag."
Ich grinse in mich hinein. Ich freue mich so sehr für die zwei. Doch meine Gedanken werden schnell auf etwas anderes gelenkt, denn mein Handy vibriert. Tim hat mir wieder geschrieben. Mein Grinsen gerät nun deutlich an die Oberfläche.
„Wer hat dir denn eine Nachricht geschickt, die dich so zum Grinsen bringt?" Paula lächelt mich kurz an. Wie kann sie das bemerken, während sie sich auf die Straße konzentriert?
„Ach, nichts", wehre ich ab, doch stocke, als ich die Nachricht lese. Tim hat gefragt, ob er heute Nachmittag vorbeikommen kann. Für die Schulsachen und ein bisschen reden. „Ähm, Paula?"
„Mhm?"
„Kann Tim aus meiner Klasse heute nach der Schule noch vorbeikommen? Er bringt mir die Schulsachen."
Paula schmunzelt. „Schulsachen, so so."
„Ja, Schulsachen. Was denn sonst?"
„Klar kann er kommen. Also ich denke, dass da keiner was gegen haben wird. Aber natürlich nur, wenn du das gesundheitlich schaffst."
Und so schreibe ich ihm, dass er kommen kann. Von Anni habe ich parallel schon eine Nachricht bekommen, dass sie ihm den Weg weisen würde. Was ein Fuchs.

„Soll ich schon was zum Mittag kochen?", fragt Paula, als sie die Haustür aufgeschlossen hat und wir uns die Schuhe ausziehen.
„Ich würde gern etwas schlafen, wenn ich ehrlich bin."
„Mach das. Dann koche ich eher zum Abend, wenn auch die Männer wieder da sind, okay?"
Ich stimme ihr zu und verschwinde schnell in meinem Zimmer. Es ist nur eine Frage weniger Minuten und ich schlafe schon wieder.

Jemand ruft meinen Namen, doch nur total leise dringt es an mein Ohr. Das passt gar nicht zu meinem Traum. Die Person wird lauter. „Josefine!" Vor Schreck möchte ich mich aufsetzen, liege jedoch zu nah am Rand meines Bettes und mache Bekanntschaft mit dem Boden. „Autsch", murmele ich und reibe mir meinen Ellenbogen, auf den ich gefallen bin. „Alles okay bei dir?", ruft Paula von unten, die mich anscheinend auch gerufen hat. „Mhm, komme", antworte ich verschlafen und so leise, dass sie das gar nicht hören kann. Wie spät ist es? Und wieso weckt mich Paula so hart? Ich höre schnelle Schritte auf der Treppe, dann stößt jemand meine angelehnte Tür auf. „Hast du dir wirklich nichts getan?" Ich schüttele den Kopf, doch Paulas Blick bleibt skeptisch. Gut, ich sitze noch auf dem Boden. Schnell stehe ich auf und gucke Paula erwartungsvoll an. Wieso hat sie mich jetzt geweckt? „Tim steht unten. Du solltest deinen Gast mal begrüßen." Oh Gott, das hatte ich gerade gar nicht mehr auf dem Plan, wie konnte ich das vergessen? Ich haue mir mit der Hand gegen die Stirn und kann über mich selbst nur den Kopf schütteln. Vielversprechend lächelt Paula mich an und geht wieder runter. „Fine kommt gleich", höre ich leise.

Schnell gehe ich ins Bad, öffne meinen unordentlichen Dutt und kämme meine Haare kurz durch. Ich sehe schrecklich aus. Blasse Haut und Augenringe bis zum Mond, aber meine Güte, so hat Tim mich die letzten Tage auch in der Schule gesehen. Was mich gerade aber mehr stört, ist mein rasendes Herz, welches mir droht, jeden Moment aus der Brust zu springen.
Schön behutsam gehe ich die Treppe runter, bei meinem Glück stürze ich hier gleich und breche mir alle Knochen. Tim und Paula stehen noch immer vor der Tür, wo Paula ihn gerade über meinen Gesundheitszustand in Kenntnis setzt. „Hey, danke, dass du gekommen bist." Paula dreht sich um. „Ich lasse euch dann mal in Ruhe." Und schon war sie weg. „Na, wie geht's?" Er lächelt mich an und umarmt mich zur Begrüßung. „Na ja, mit dem Wissen, dass es mir bald wieder gut geht, ist es erträglicher. Aber ich bin immer noch müde."
„Ja, das hat man gerade gemerkt." Er lacht und ich stimme sofort mit ein. Ich bin froh, dass schon die Begrüßung nicht in einer komischen Stimmung geendet ist.

Die Schulsachen verlegen wir nach draußen in den Garten, um das schöne Wetter zu genießen. Doch wirklich darauf konzentrieren können wir uns nicht. Immer wieder schweifen wir vom Thema ab und unterhalten uns über alles mögliche. Auch wenn eigentlich ordentlicher Erklärungsbedarf herrscht, denn es ist genau heute viel neues an Stoff gekommen.
Irgendwann steht Paula plötzlich in der Terrassentür. „Tim, möchtest du hier essen?" Er tauscht mit mir einen kurzen Blick, dann nickt er. „Wenn es keine Umstände macht, gern."
„Okay, dann hole ich euch gleich rein, wenn Essen fertig ist."
So spät ist es schon? Ich habe gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen ist.
Und tatsächlich, als Paula uns ruft und wir in die Küche gehen, sitzen alle anderen am Tisch. Ich kann doch nicht ernsthaft so fokussiert auf Tim gewesen sein, dass ich nicht mitbekommen habe, wie die anderen gekommen sind.
Freundlich wie er ist, begrüßt Tim die anderen mit einem Händedruck. „Warte mal. Du bist doch der, der Fine die Tür vors Gesicht gehauen hat, oder?", bemerkt Alex grinsend. „Alex!", fahre ich ihn an. „Das war nicht seine Absicht, immer noch."
„So war das doch gar nicht gemeint, es war nur eine Feststellung, sorry", verteidigt sich Alex gleich.

Auch das Essen verläuft locker und witzig. Auch wenn die Jungs die ein oder andere Frage stellen, die abchecken soll, was Tim für ein Typ ist. Dafür bekommen sie aber auch warnende Blicke von Paula und ab und an einen Tritt gegen das Schienbein, wie ich neben Paula sitzend merke.

Erst gegen halb acht verabschiede ich Tim an der Haustür mit einer Umarmung.
„Also wenn du mal wieder fehlen solltest, ich bringe dir gern die Schulsachen vorbei."
„Auf das Angebot komme ich gern zurück", versichere ich ihm lachend.
„Na dann, sehen wir uns morgen in der Schule?"
„Ja, auch wenn ich noch müde sein werde. Was muss das muss."

Glücklich gehe ich ins Wohnzimmer, nachdem Tim gegangen ist. Die Männer sitzen wie Hühner auf der Stange auf dem Sofa und grinsen mich an. Nur Paula sieht mal wieder eher weniger beeindruckt von deren Verhalten aus.
„Was?", frage ich verwirrt in die Runde und lasse mich neben Paula fallen.
„Tim ist schon ein netter Kerl", erwähnt Papa.
„Und?", kommt es von Phil.
„Was und?", entgegne ich.
„Na was da so ist", ergänzt Alex für Phil.
„Was soll wo sein? Da ist nichts", gebe ich leicht genervt zu verstehen.
„Jungs, lasst mal gut sein. Fine wird darüber sprechen, wenn die Zeit reif ist. Und wenn sie sagt, da ist nichts, dann ist da nichts."
„Danke." Ich lächle Paula dankbar an und bin froh, endlich eine Frau fest an meiner Seite zu haben.
„Gute Nacht. Ich gehe schlafen." Auch wenn mein Körper voller Glückshormone sein müsste, bringt mir das kein Eisen.
„Ach ja, ganz kurz noch. Ab morgen bekommst du Eisenpräparate und jeden Morgen die eine Pille", informiert mich Phil, doch zuhören tue ich nicht mehr wirklich.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)


7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt