46 - Alle Jahre wieder - die Grillparty

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Kurzerhand entscheidet Alex, mich einfach wieder ins Auto zu tragen, nachdem er meinen Zustand mit Beruhigungsmittel Intus als nicht ganz so vorteilhaft eingeschätzt hat. Soll mir recht sein. Paula zieht mir noch schnell die mitgebrachte lange Hose an, dann kann es nach Hause gehen. Mit einem dicken Verband um meiner Hand. Kommt mir irgendwie bekannt vor. Auch meine linke trägt einen Verband, aber wesentlich dünner.

Auf dem Weg nach Hause schlafe ich dann auch ein und wache erst am Abend wieder auf. Auf der Couch. Mein Blick durchsucht kurz das Wohnzimmer nach Personen, doch ich kann keinen ausfindig machen. Genauso wenig sehe ich einen Tisch, geschweige denn die Überreste des Glastisches. Nicht mal von der Beseitigung bin ich aufgewacht.
Ein lautes Lachen zieht meine Aufmerksamkeit auf die Terrasse. Ah, da sind sie also.
Langsam stehe ich auf. Ich habe schon geahnt, dass mir kurzzeitig schwindelig sein wird. Dann öffne ich die Terrassentür. Sofort weht mir angenehme Abendluft entgegen, auch wenn es schon sehr frisch ist. Der Himmel ist in ein helles rot getaucht, die untergehende Sonne von leichten Wolken bedeckt. Ein schöner und gemütlicher Anblick, obwohl mich die Temperatur dann doch schnell fröstelt.
„Na, auch mal wieder wach? Du hast geschlafen wie ein Stein." Phil zwinkert mir zu. Es ist keine Frage, ob er schon alles bis ins kleinste Detail gehört hat.
„Bei meinem Beruhigungsmittel kein Wunder", bemerkt Paula.
Alle sehen sehr ausgelassen aus. Bis auf Toni, der irgendwie betreten zu Boden schaut.
„Toni, ist bei dir alles okay?", hinterfrage ich, doch Papa gönnt mir keine direkte Antwort. „Erstmal holst du dir eine Jacke, sonst liegst du demnächst mit dem nächsten Zeug flach."
Mit einer Jacke und Schuhen komme ich zurück und lasse mich neben Phil auf die Couch fallen, die auf der Terrasse steht. „Also Toni, ist was?", wiederhole ich mich.
„Tut mir leid. Ist ja irgendwie meine Schuld, dass du gefallen bist. Ich hätte meine Sporttasche nicht mitten im Weg stehenlassen müssen. Und jetzt ist ja auch wegen mir der Tisch kaputt."
„Ich hätte ja auch einfach ordentlich gucken können. Mach dir keine Vorwürfe, mir ist ja jetzt nicht die ganze Hand abgefallen."
„Und wegen des Tisches musst du dir auch keine Gedanken machen. Aber ich denke, ein Plastiktisch wäre jetzt die beste Idee. Ich meine, wir haben ja hier so eine Kandidatin...." Papa wirft mir einen Blick zu, der tausend Worte spricht. Von mir gibt es einen bösen zurück.
Gemütlich lassen wir den Abend im Garten ausklingen. Mit Vorfreude auf morgen, das erste Grillen des Jahres.

Grillen ist bei uns immer so eine Sache. Jedes Jahr läuft beim ersten Grillen mindestens eine Sache schief. Da auch Kollegen der Männer und der Polizei kommen, wird es dementsprechend voll. Letztes Jahr waren die zwei Hunde von Oliver dabei. An sich kein Problem, es wird erst zu einem, wenn sie so wild spielen, dass einer gegen den heißen Grill rennt, ihn umwirft und fast einen Brand auslöst. Ja, die Spuren sind noch immer zu sehen.
Den Vogel abgeschossen hat jedoch Stephans Kind, welches ebenfalls jedes Jahr mitkommt. Vor drei Jahren war die kleine Amelie noch süße vier Jahre alt und voller Entdeckerfreude. Da wundert man sich nicht direkt, wenn sie mal kurz nicht zu sehen ist. Außerdem hat mindestens einer immer ein Auge auf sie. Zumindest dachten wir das. Als sie dann doch zehn Minuten lang nicht gesichtet wurde, sind wir auf die Suche gegangen. Und uns bot sich ein Bild wie aus dem Film. Sie hatte ihren Kopf zwischen zwei Stäben des Treppengeländers gesteckt.
Ende vom Lied: Wir mussten das Geländer kaputtmachen, weil wir ihren Kopf nicht mehr rausbekommen haben. Stephan wollte für uns eigentlich unbedingt die Reparaturkosten übernehmen, aber Alex wollte das nicht und hat es letztlich bezahlt. Bis heute ist es uns ein Rätsel, wie sie mit ihrem Kopf da durchgekommen ist.
Tja, da war noch nicht ich der Mittelpunkt aller Missgeschicke. Was eine schöne Zeit.

Wenn man das hört, denkt man, wir sollten die ersten Grillnachmittage vielleicht in einen anderen Haushalt verlegen - auf uns muss ja irgendein Fluch liegen. Aber nein, sie finden trotzdem bei uns statt. Und deshalb muss ich dieses Jahr besonders Acht geben, um den Tag nicht im Krankenhaus zu beenden. Oder mit einem Feuerwehreinsatz, man weiß ja nie.

Am Morgen wechselt Phil mir die Verbände.
„Sieht alles super aus. Und diesmal machst du den Verband nicht einfach ab, haben wir uns da verstanden?"
„Ich würde es gar nicht wagen." In meinem Ton schwingt etwas Ironie mit, weshalb Phil mich mit einem warnenden Blick bedenkt. Oh oh, versteht der Herr plötzlich nichts mehr von Spaß?

Ehrlich gesagt kann ich es immer kaum erwarten, bis die anderen alle kommen. Für heute haben sich Stephan mit Amelie und seiner Frau Steffi, Paul, Oliver, Florian, Moritz, Hannah und Jacky gemeldet. Also volles Haus, da auch bei uns alle da sind und keiner arbeiten muss. Olivers Hunde kommen auch wieder mit, der Grill kommt jedoch an eine andere Stelle.
Für Anfang Mai ist es schon ganz schön warm draußen, jedoch noch in einem äußerst angenehmen Bereich.
Bei den Vorbereitungen bin ich heute mal keine ganz so große Hilfe, kann ich doch mit meinen verletzten Händen kaum etwas anstellen - außer Schaden. So mache ich es mir auf der Couch am anderen Ende des Gartens mit einem Buch gemütlich. Ab und zu beobachte ich die anderen, wie sie irgendwelche Dinge in den Garten holen. Und Paula und Phil, bei denen die Frühlingsgefühle wohl am Überlaufen sind. Süß. Im Hintergund zwitschern die Vögel um die Wette und ich bin seit langem richtig glücklich - trotz meiner Wunden von gestern. Aber einfach mal Ruhe und dieses Familienleben, zu schön. Von Ruhe konnte ich in letzter Zeit auch nur träumen.

Die ersten Gäste sind, wie immer, Stephan, Amelie und Steffi. Trotz Kind kommen sie meist überpünktlich - oder gerade deshalb.
Nach und nach trudeln auch die anderen ein, doch mein größtes Augenmerk liegt auf Amelie, die unbedingt mit mir spielen will. Nachher dann auch auf den Hunden, in denen Amelie und ich eine perfekte Beschäftigung finden. Obwohl ich auch hier nicht viel machen kann.
Wie ich am Rande mitbekommen habe, war meine Aktion von gestern anfangs das Gesprächsthema Nummer eins. Freut mich, dass ich für ihre Unterhaltung sorge.

„Fine, was hast du da eigentlich gemacht?", fragt mich Amelie, während wir schon lange mit den nicht müde werdenden Hunden spielen. Also erkläre ich auch ihr alles, nur halb so dramatisch. „Aua, das muss ja richtig weh getan haben. Ich hatte mal einen Splitter im Finger, den der Arzt entfernen musste, weil Papa das allein nicht hinbekommen hat. Das hat auch weh getan."
Ich nicke. Ja, das tat gestern in der Tat sehr weh.

Durchgängig bin ich auf der Lauer nach unscheinbaren Gefahren, doch komischerweise tut sich bis zum Essen nichts. Hätte mir am Morgen schon jemand gesagt, dass diesmal nicht ich der Mittelpunkt aufgrund eines blöden Ereignisses bin, hätte ich demjenigen einen Vogel gezeigt.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)


7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt