„Danke fürs Bringen." Jetzt muss ich mich beeilen. Schnellen Schrittes gehe ich auf das große alte Schulgebäude zu und verschwinde durch den Haupteingang ins Innere. Hätte das ein Lehrer gesehen, wäre ich dran gewesen. Denn das ist dummerweise an unserer Schule für Schüler eigentlich nicht erlaubt. Aber sonst wäre ich zu spät gekommen. Passend mit dem Klingeln zum Beginn des Blockes lasse ich mich außer Atem auf meinen Platz fallen. Genau heute müssen wir ja den ersten Block ganz oben haben. „Was bringt dich denn dazu, so spät zu kommen?", raunt mir meine beste Freundin Anni zu. Eigentlich heißt sie Anja, aber keiner nennt sie so. „Lange Geschichte. Also -" Ich will ihr gerade vom Missgeschick von heute Morgen erzählen, als unsere Deutschlehrerin, Frau Meier, dazwischenfährt. „Josefine, jetzt ist Unterricht. Ihr könnt nachher plaudern." Anni und ich gucken uns an, verdrehen synchron die Augen und sind dann leise. Neben Deutsch unterrichtet sie bei uns auch Sport. Und ihre Strafen, die sie uns gern in Sport aufdrückt, wenn wir ihres Erachtens nach zu viel im Deutschunterricht gequatscht haben, kann ich mir auch klemmen.
In der Pause gehen Anni und ich zu unseren Schließfächern, um die Biobücher zu holen. „Nun schieß los." Sie deutet auf meine verbundene Hand und kramt dann in ihrem Fach, welches fast aus allen Nähten platzt. Ein sehr chaotischer Mensch, so wie ich.
„Und dann hat Phil halt mal wieder übertrieben. So wie immer." Passend zum Ende meiner Erzählung schlägt Anni auch mal ihre Schließfachtür zu. „Er meint das doch nur gut, das weißt du." „Ja, teilweise etwas nervig, aber dankbar bin ich ihm, beziehungsweise auch den anderen, trotzdem." Gemeinsam gehen wir zum Bioraum, wo schon ein paar andere Mädchen unserer Klasse sind. Das zweite Halbjahr der zehnten Klasse hat gerade erst begonnen und ich freue mich ehrlich. Denn in Biologie kommen nur Themen dran, die ich schon grob kann. Vorteil, wenn man mit Ärzten zusammenwohnt. Biologie ist eh mein bestes Fach.
„Heute geht es um das Thema impfen", verkündet unsere Biolehrerin. Wirklich zuhören tue ich nicht, denn ich bin damit beschäftigt, die Erörterung abzuschreiben. Gar nicht so leicht bei Phils Sauklaue. „Wer hat denn schon mal etwas vom aktiven und passiven Impfen gehört?" Ich reagiere nicht, denn ich bin gerade dabei, ein undefinierbares Wort zu entziffern. Mit zusammengekniffenen Augen bin ich schon viel zu nah am Papier, bis mich meine Lehrerin hoch schrecken lässt. „Fine? Was ist mit dir?" Wovon war die Rede? Kurz gucke ich sie unbeholfen an, bis mir Anni die passenden Stichwörter zumurmelt. Stimmt, aktive und passive Impfung. War jetzt die Frage, ob das jemand erklären kann? „Bei der aktiven Impfung werden abgeschwächte oder abgetötete Antigene oder Toxine verabreicht, die nach zwei bis vier Wochen langfristig wirken. Denn der Körper bildet auf diese gespritzten Antigene Antikörper, die er dann bei Bedarf immer wieder neu bilden kann. Die passive Impfung wird angewendet, wenn der Mensch schon erkrankt ist oder ein gewisses Risiko einer gerade passierten Infektion herrscht. Dort werden Antikörper gespritzt, die dann sofort gezielt gegen entsprechende Antigene kämpfen. Diese Impfung hält jedoch nur zwei bis drei Wochen und ist danach wirkungslos. Werden beide Impfungen zeitgleich verabreicht, handelt es sich um eine Simultanimpfung. Diese wird jedoch mittels zwei Spritzen injiziert." Frau Schmidt guckt mich erstaunt an. „Die Frage war zwar nur, ob du davon schon mal gehört hast, aber gut. Hast du anscheinend. Also ja, Fine hat alles richtig erklärt. Hast du vielleicht auch noch ein Beispiel?" Die Frage hat sie aus Spaß gestellt, das hat man deutlich gehört. Aber ja, ein Beispiel habe ich. „Tetanus wird oft als Simultanimpfung verabreicht. Wenn man sich nicht sicher ist, ob der Schutz noch besteht, der Patient aber eine entsprechende Wunde hat. Dann wird darauf zurückgegriffen." „Genau. Wir schreiben jetzt erst mal alles auf." Ich für meine Person widme mich jedoch wieder meiner, oder besser gesagt Phils Erörterung. Ach, das Wort soll anscheinend ‚Wahlrecht' heißen. Schreib das doch gleich.
In Politik kann ich dann glücklicherweise den Aufsatz abgeben. Und Phil hat das wirklich gut gemacht. Wenn das mal keine eins wird.
„Danke Phil." Ich klammere mich an seinen Arm und schließe die Augen. Ich hatte die Nacht einfach wirklich zu wenig Schlaf für vier Blöcke. „Wofür denn?", fragt er etwas auf dem Schlauch stehend und zieht mich zu sich ran. „Für die Erörterung", murmele ich und bin kurz vor dem Einschlafen. „Ach dafür. Ja, das hat mich eine halbe Stunde Lebenszeit gekostet, dir jedoch etwas mehr Schlaf gebracht. Auch wenn es der anscheinend auch nicht mehr wirklich gerissen hat." „Mhm", brumme ich. Phil lacht auf und lehnt sich auf der Couch wieder zurück. An ihn gekuschelt schlafe ich dann tatsächlich ein.
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Wie dem auch sei, einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)
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7 Jahre Pech (Asds) |1/2|
Fanfiction|1/2| Ein bekannter Aberglaube besagt: „Ein zerbrochener Spiegel bringt sieben Jahre Pech." Josefine, von allen nur Fine genannt, findet das unsinnig. Doch was ist, wenn es genau nach solch einer Tollpatschigkeit eine Reihe von weniger schönen Ereig...