36 - Von Schulterluxation zur Hyperventilation

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„Ich würde vorschlagen, dass wir dir einen Zugang legen, über den wir dir Schmerzmittel geben können. Das pikst nur ganz kurz und wirkt super schnell." Felix Brohm. Panisch schüttele ich den Kopf. „Kein Zugang." „Das tut aber wirklich nicht weh", versichert er, Felix, mir. „Ich weiß." „Wo liegt dann das Problem?" „Ich möchte keinen Zugang von Ihnen", sage ich nun mit mehr Druck. Felix Brohm geistert mir durch den Kopf, sein hämisches Grinsen, auch wenn ich ihn erst einmal gesehen habe und das auch nur kurz.

Anni wirft mir einen komischen Blick zu. „Fine, was ist los? Wo liegt das Problem? Du weißt doch wohl genau, wie das abläuft." „Ja, aber ich möchte nicht behandelt werden", protestiere ich. Meine Atmung beschleunigt sich langsam. „Du bist noch unter 18, richtig?", kommt wieder von Felix. Felix Brohm. Ich nicke. „Dann können wir auch gegen deinen Willen behandeln, wenn es eine richtige Indikation gibt. Und die ist da, das kann man sofort sehen." Ich zucke mit meiner rechten Schulter, was mir einen stechenden Schmerz verleiht. „Egal. Ich lasse mich aber nicht behandeln." Felix greift nach meinem Handgelenk meines unverletzten Armes, doch sofort entwende ich mich seinem Griff. „Fassen Sie mich nicht an!", fauche ich und rutsche etwas von ihm weg. „Jetzt bleib mal ganz ruhig. Zur Not bekommst du ein Beruhigungsmittel, damit wir dich behandeln können." Droht er mir? Will er mich umbringen? So, wie Felix Brohm auch einen Patienten ermordet hat? Nein, das ist absurd. Wir kennen uns nicht, warum sollte er das wollen?

Trotz aller Widersprüche, trotz des Wissens, dass meine Gedanken vorne und hinten keinen Sinn machen und viel zu absurd sind, wird meine Atmung immer schneller, ich kann sie nicht mehr kontrollieren. „Hey, beruhige dich mal. Atme langsamer. Mach mir nach." Felix rutscht zu mir ran, doch das bringt meiner Atmung gar nichts, im Gegenteil. „Fine, beruhige dich!", spricht nun auch Anni auf mich ein. Tim verliert derweil die Geduld. „Meine Güte Frau Meier, jetzt schicken Sie doch mal die Klasse raus. Müssen Sie Josefine so bloßstellen?" Sie tut ohne zu zögern, was er sagt. Auch Tim verschwindet nun. Ich bekomme das alles jedoch nur hintergründig mit, denn mein größter Fokus liegt auf Felix, der jämmerlich probiert, meine Atmung unter Kontrolle zu bringen, jedoch alles nur schlimmer macht. Mein Körper fängt sich an zu verkrampfen, was meiner Schulter ganz und gar nicht hilft. Meine Finger kribbeln, mir wird schwindelig. Der andere Sanitäter hält schon eine Hyperventilationsmaske bereit. Denkt der, ich lasse sie in meinem jetzigen Zustand an mich ran? Anni hat glücklicherweise die gleichen Gedanken. Oder so ähnlich, denn ohne groß darüber nachzudenken, was sie tut, reißt sie dem Sanitäter die Maske aus der Hand und befestigt sie mir. „Ich rufe einen Notarzt" wirft Felix ein und greift zu seiner Funke. „Das wird hier ja nichts mehr", schiebt er noch hinterher und wirft mir einen vernichtenden Blick zu. Soll er doch denken, was er will. Ist mir ziemlich egal.

Durch die Maske und Anni, die mir beruhigend zuspricht, beruhigt sich meine Atmung schnell und meine Verkrampfungen lösen sich. Danach bin ich erst mal richtig fertig. „Eigentlich bin ich ja wirklich geduldig, aber ich verstehe dein Problem nicht. Der Arzt ist gleich da, können wir dir doch schon einen Zugang legen?", probiert es Felix erneut, doch diesmal in einem schrofferen Ton als zuvor. „Nein heißt nein", zische ich und bringe noch etwas mehr Sicherheitsabstand zwischen uns. „Gut, jeder ist seines Glückes Schmied", schnauft er und setzt sich dann auf den Boden. So warten wir gemeinsam auf den Notarzt. In Anni scheint es zu arbeiten. Sie versteht mein Verhalten anscheinend gar nicht.

Der Moment, der jegliche Anspannung von mir abfallen lässt, ist der, in dem Phil mit Papa an der Seite die Turnhalle betritt. Bei Phil und Papa wird es das genaue Gegenteil sein, denn augenblicklich spannen sie sich an, als sie mich sehen. „Uns wurde eine Schulterluxation gemeldet. Schwierige Patientin, verweigert Behandlung, hat schon hyperventiliert und braucht jetzt für die Behandlung Beruhigungsmittel?", fragt Phil ungläubig die zwei Sanitäter, die jetzt auch mal wieder aufstehen. Papa kommt schon zu mir. „Ja, ihr hättet die mal erleben müssen, seid lieber vorsichtig", bestätigt Felix relativ leise, jedoch laut genug, dass Papa und ich das noch hören konnten. Dieser dreht sich nun auch um. „Die steht an der Leine und tritt", wirft Papa Felix an den Kopf, der ihn darauf total verdattert anguckt. „Du musst höllische Schmerzen haben", sagt er dann liebevoll und voller Sorge und Mitleid zu mir. „Ja, die habe ich auch." „Phil, ich lege ihr schon mal einen Zugang. Guckst du dir das gleich an?" Phil nickt und kommt ebenfalls auf mich zu, während Papa den Rucksack öffnet, um das Zeug für einen Zugang zu nehmen. „Pass lieber auf. Ich denke nicht, dass das so leicht wird", kommentiert wieder dieser Felix von hinten. Die trauen sich anscheinend nicht mehr an mich ran, was aber auch gut so ist. Doch nun werden die Blicke der Sanis unbezahlbar. Ohne Probleme legt Papa mir einen Zugang, während ich geduldig Phils Fragen beantworte und unter zusammengebissenen Zähnen sein leichtes Abtasten gewähre.

Phil steht, nachdem er mir ordentlich Schmerzmittel ohne Protest meinerseits, wieso auch, gegeben hat, auf und wendet sich an Felix. „Ich möchte jetzt die Trage. Und wo war hier ein Beruhigungsmittel notwendig?" „Aber.... Also vorhin...." Phil wehrt ab. „Kann sein, ich rede gleich mit ihr. Aber erst mal die Trage bitte." Mit eingezogenem Kopf zischt er ab.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)


7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt