Jemand rüttelt heftig an mir.
„Paula, ich bin da", brumme ich und öffne meine Augen etwas. Sirenen kommen näher. Der Rettungswagen.
Ich drehe meinen Kopf etwas zur Seite. Paula hat die junge Frau in die stabile Seitenlage gelegt.
„Mein Kreislauf war doch nur etwas überfordert", gebe ich eher unverständlich zu verstehen. Ich kann nicht wirklich klar denken.
Paulas Blick huscht zwischen uns beiden am Boden liegenden hin und her.
„Kümmer dich um sie, mir geht's super." Ich schließe meine Augen, möchte einfach noch etwas Ruhe.
„Fine, Augen auf", ruft Paula sofort.
„Lass mich doch einfach kurz entspannen", murre ich.Die Sirenen hören auf, ein Wagen bremst ab, Stimmen sind zu hören. Kurz darauf stehen schon zwei Sanitäter neben Paula.
Langsam richte ich mich auf, Paula guckt mich überfordert an. Auf die italienische Begrüßung konnte sie natürlich nicht antworten.
Jetzt werde ich auch noch von einem der beiden Männer gefragt, ob es mir gut geht. Ich nicke knapp.
„Fine, hilf mir mal", bittet Paula leicht panisch.
Ich gebe den Sanitätern zu verstehen, dass Paula Ärztin ist. Mehr bekomme ich gerade irgendwie auch nicht auf die Reihe.
Paula beginnt, mit irgendwelchen Fachbegriffen um sich zu werfen, die die Sanitäter anscheinend auch so verstehen. Dennoch fehlt ihnen der Zusammenhang, das erkennt man.
Während ich Paula liebend gern helfen würde, bremst ein weiteres Auto lautstark ab, Türen knallen zu.
Die inzwischen fast aufgegangene Sonne lässt zu, dass ich sofort erkenne, um wen es sich handelt. Papa und Phil rennen von der Promenade auf uns zu.
Paula hört auf, mit ihren Fachbegriffen zu werfen, als auch sie die zwei wahrnimmt. „Franco, du musst mir helfen", sagt sie sofort. Dann rattert sie das Geschehen runter, sodass Papa den Sanitätern im feinsten Italienisch die komplette Geschichte wiedergeben kann.
Phil kommt derweil zu mir. „Und was ist mit dir los?" Ohne auf eine Antwort zu warten, zieht er mir meine Strickjacke aus, um mir daraufhin seine über die Schultern zu hängen. Durch die nasse Kleidung ist mir wirklich kalt geworden, habe ich nur nicht wirklich bemerkt.
„Bin halt kurz zusammengeklappt. Aber mir geht's gut, wirklich. Mein Körper ist mit dem Temperaturwechsel bestimmt einfach nicht zurechtgekommen."
„Du hast die Frau allein gerettet?" Seine Augen werden groß.
„Na ja, wer hätte mir denn helfen sollen?" Ich bewege mich etwas, und da kommt auch der Schmerz zurück.
„Phil, irgendwie tut mein rechter Fuß weh", merke ich an. „Es hat sich angefühlt, als wäre ich auf eine Glasscherbe getreten."
Er beugt sich sofort zur Seite und dreht meinen Fuß. Mit dem Blick auf meine Fußsohle schnappt er nach Luft. „Das muss ordentlich gereinigt werden. Sieht nach einem Schnitt aus, aber da ist jetzt auch eine Ladung Sand in der Wunde."
„Fine, brauchst du auch noch Hilfe?", fragt Papa und wendet sich von den Sanitätern ab.
„Nein, ich habe euch ja. Mir geht's wirklich gut, keinen Grund zur Sorge."
Phil sieht nicht zufrieden aus, aber mir ist es egal.
Die Sanitäter transportieren ihre Patientin ab, und ich bekomme nun aller Aufmerksamkeit. Die habe ich ja auch viel zu selten.
Es stellt sich heraus, dass Paula kurz vor meinem kleinen Zusammenbruch noch schnell mit Papa telefoniert hatte. Das deutsche Zeugs, was ich schon gar nicht mehr verstehen konnte. Was ein Glück, sonst hätte Paula größere Probleme mit der Verständigung gehabt.Nach vielen Fragen über mein momentanes Befinden werde ich endlich ins Auto gebracht. Natürlich durfte ich nicht laufen, Phil hat mich kurzerhand hochgehoben und getragen.
Am Haus steht Oma schon an der Tür. So viel Stress am Morgen, mal wieder nur wegen mir. Alex steht hinter ihr und probiert, sie mit einzelnen Wörtern zu beruhigen. Klingt irgendwie witzig, und ich würde auch lachen, hätte ich nicht im Kopf, dass meine Wunde jetzt gereinigt werden muss. Ich könnte jetzt schon heulen.
Omas Stimme überschlägt sich fast, als sie mich sieht. Tonis Stimme dringt leise aus dem Wohnzimmer, wie er mit Opa spricht. Ich habe hier wirklich jeden aus dem Schlaf gerissen. Papa beginnt, ihnen alles zu erklären, fragt ab und an auch noch mal bei Paula nach. Für Alex gibt es dann Paulas deutsche Version.
Phil bringt mich nach oben und schon kann ich dem Gespräch nicht mehr folgen. Nachdem ich mir trockene Kleidung angezogen habe, geht es ins Badezimmer.
„Setz dich mal auf den Rand. Wenn dein Kreislauf das zulässt." Er deutet auf die Badewanne.
Ich hüpfe auf meinem linken Fuß zur Wanne. Mein Kreislauf hat sich wieder beruhigt und so kann ich ohne Probleme dort sitzen.
Phil sucht sich alles zusammen, nachdem ich ihm gesagt habe, wo was ist.
„Du musst jetzt wirklich die Zähne zusammenbeißen. Das wird schmerzhaft, da mache ich dir nichts vor."
Ich nicke, halte auch augenblicklich die Luft an, als Phil das Wasser laufen lässt.
„Atmen nicht vergessen, Fine", gibt er die Anweisung.
Ich schnappe kurz nach Luft, kneife meine Augen zusammen, denke an andere Dinge. Wirkt aber nicht, denn das Brennen beherrscht mich für diesen Moment.
Reflexartig zuckt mein Fuß weg.
„Gleich hast du es geschafft. Nur noch ein bisschen", redet Phil beruhigend auf mich ein und greift erneut nach meinem Fuß.
Ein bisschen zieht sich dann jedoch sehr in die Länge. Hat Phil bestimmt nur so gesagt, um mich zu beruhigen. Die Sandkörner sind aber auch widerspenstig.
Nach einer schier nicht enden wollenden Reinigung ist es eine Erlösung, als das Wasser ausgeht und Phil Kompressen aus einer Verpackung holt. Mein Fuß wird mit einem Handtuch getrocknet, die Wunde dann mit einer sauberen Kompresse. Darauf folgt ein antiseptisches Spray.
„Achtung, das kann brennen", warnt er mich vor dem Sprühen vor.
Das kann brennen, witzig.
Das ist jedoch nichts, wenn man das mit der ersten Reinigung vergleicht.Zum Schluss ist ein gut verbundener Fuß das Ergebnis. Na gut, wäre auch blöd, wenn ein Arzt keine Wunden verbinden kann.
Phil öffnet die Tür und stützt mich dann die Treppe runter. Zun erneuten Mal höre ich die Sirenen eines Rettungswagen am Haus vorbeiziehen, die mich unvorbereitet aufschrecken lassen. Hätte Phil mich nicht fest im Griff, wäre das anders ausgegangen.
Im Wohnzimmer bleibe ich jedoch verwirrt stehen. Es ist ein merkwürdiges Bild, welches etliche Fragen aufwirft. Abgesehen davon, dass Opa komplett fertig aussieht, fehlen hier ein paar Leute. „Wo ist Papa? Und Oma und Alex?"
Die sind doch vorhin alle hierher gegangen. Ich dachte, sie würden auf mich warten.
Toni schüttelt den Kopf, Paula guckt mich bedrückt an.
„Franco hat von dem Geschehen am Strand erzählt", beginnt Paula. Ja, das habe ich zu Beginn auch mitbekommen. Aber irgendwie ist hier noch etwas ganz anderes passiert. „Und eben auch von der ganzen Sache generell, was dir in letzter Zeit immer wieder so passiert ist. Irgendwie hat sie darauf nur gar nicht gut reagiert und plötzlich Symptome eines Herzinfarktes gezeigt."
Mir bleibt die Luft weg. Oma hat einen Herzinfarkt? Ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals. Die Sirenen, die mich gerade so aufgeschreckt haben, waren wegen Oma hier.
Ich kralle mich an Phil fest, habe das Gefühl, dass mir meine Beine jeden Moment erneut wegknicken.
Phil leitet mich zur Couch, auf die ich mich einfach fallen lasse und in ihr versinke.
Schuldgefühle kriechen in mir hervor. Immerhin ist es wegen mir passiert. Wegen der Sache am Strand. Wegen allem, was mir in letzter Zeit passiert ist. Wenn ich nicht joggen gewesen wäre.
Die Couch senkt sich auf einer Seite. Ich greife nach Phils Arm, umklammere ihn, vergrabe mein Gesicht an seiner Schulter.
Die Tränen kommen einfach, durchnässen Phils Ärmel, aber es scheint ihm nichts auszumachen.
„Alex ruft an, sobald es neue Informationen gibt", kommt es leise von Paula.-------------------
Mal wieder ein großes Dankeschön an asdsfan für deine Ideen! :)
Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)
DU LIEST GERADE
7 Jahre Pech (Asds) |1/2|
Fanfic|1/2| Ein bekannter Aberglaube besagt: „Ein zerbrochener Spiegel bringt sieben Jahre Pech." Josefine, von allen nur Fine genannt, findet das unsinnig. Doch was ist, wenn es genau nach solch einer Tollpatschigkeit eine Reihe von weniger schönen Ereig...