94 - Ein Ausflug zur Sonne

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„Was guckst du denn so nachdenklich?"
Ich zucke zusammen. „Erschreck mich doch nicht so." Ich atme tief durch, um mein Herz wieder unter Kontrolle zu bringen.
Paula entschuldigt sich und setzt sich zu mir auf die Terrasse.
„Wo sind die anderen?"
„Einkaufen. Aber jetzt sag doch mal, irgendwas beschäftigt dich doch." Sie schlägt ihre Beine übereinander und lehnt sich zurück. Ihr Blick ruht dennoch auf mir.
Ungewollt seufze ich laut auf. „Als Oma ins Krankenhaus gekommen ist, habe ich einen Typen getroffen. Oder besser gesagt, er hat mich angerempelt und aufgefangen. Jedenfalls ... Ach, ich weiß nicht." 
„Ah ja, dein italienischer Tim? Phil hat mir davon erzählt." Sie grinst mich an.
„Was? So spektakulär war das nun auch nicht. Aber langsam wird es das irgendwie. Er hat mir vor zwei Tagen seine Nummer gegeben und wir haben seitdem sehr viel geschrieben. Jetzt will er sich mit mir treffen."
Paula verzieht ihr Gesicht. „Weiß er, dass du nur noch knappe zwei Wochen hier bist?"
„Ja ... Also nein ... Was weiß ich."
„Du musst doch wissen, ob du ihm das gesagt hast."
„Es muss ja noch Gesprächsstoff geben, wenn wir uns wirklich treffen sollten", erwidere ich. „Und überhaupt. Kann ich das? Er erinnert mich zu doll an Tim. Aber andererseits..."
„Andererseits wäre er eine super Ablenkung. Was spricht denn dagegen? Guck mal, wenn du mit ihm etwas Zeit verbringst, dann kommst du vielleicht mal auf andere Gedanken. Was spricht gegen einen kleinen Urlaubs-Flirt?"
Ich mustere sie mit aufgerissenen Augen.
„Was denn?" Paula lacht leise. „In deinem alter hatte ich auch mal einen. In Spanien. Ach ja, der hieß Daniel. Oder David? Oh Gott, das weiß ich nicht mal mehr so genau." Sie kratzt sich am Kopf. „Ich bin mir eigentlich sicher, dass er Daniel hieß", murmelt sie.
Jetzt hat sie auch mich zum Lachen gebracht. „Mal sehen. Vielleicht treffe ich mich morgen mit ihm am Strand. Er wohnt hier ganz in der Nähe. Ich meine, ich muss ja irgendwo sein, wo auch andere sind. Nicht, dass er irgendein Verbrecher ist."
Paula winkt ab. „Wird er schon nicht. Aber nicht, dass du doch großen Gefallen an ihm findest. Die Entfernung ist nicht gerade praktisch."
Ich schlucke. Momentan habe ich das Gefühl, ich könnte niemals mehr an jemandem Gefallen finden, wenn es sich nicht um Tim handelt. Obwohl es totaler Quatsch ist.
„Du weißt, dass ich lange brauche, bis ich jemanden auf diese Art und Weise wirklich mag", gebe ich zu bedenken.
Die Gedanken an Tim scheinen mich mal wieder zu kontrollieren. Und genau das wollte ich eigentlich nicht. 
„Ich hoffe, dass das mit dir und Phil für immer hält", sage ich leise, ohne den wirklichen Zusammenhang zu kennen. „Es wirkt so, als könnte es mit euch niemals auseinandergehen."
Paulas Mundwinkel heben sich. „Auch Phil und ich haben mal Meinungsverschiedenheiten oder kleinere Auseinandersetzungen. Aber es ist einfach wichtig, über alles zu reden, was einen stört. Du wirst früher einen Mann fürs Leben finden, als du denkst. Glaub mir, du bist einfach ein wundervolles Mädchen, dich kann man nur mögen."

Ich kann nicht glauben, dass ich es wirklich so weit gebracht habe. Um 16 Uhr treffe ich Elian am Strand. Elian, mein italienischer Tim. Ich muss mit diesem blöden Vergleich aufhören.
Paula hat mir zugesprochen, sonst hätte ich ihn wahrscheinlich nicht getroffen. „Was sollst du schon verlieren?", war ihr Schlusssatz. Ja, was soll ich verlieren?

Die anderen machen heute alle einen Ausflug in die nächste Stadt. Da wir den so oder so nächste Woche nochmal machen, verzichte ich heute drauf. Ich brauche gerade mal wieder Zeit für mich allein, also gehe ich schon gegen zwölf los zum Strand, wo ich mich einfach hinlegen und nachdenken kann.
Das Geräusch der Wellen beruhigt mich. Die Nacht war nicht gerade erholsam. Meine Gedanken kreisten nur um das heutige Treffen. Wird es lustig und locker oder angespannt und komisch?
Ich blicke noch kurz auf das Meer, ehe ich mich auf den Rücken lege und meine Augen schließe, mich nur dem Rauschen des Meeres hingebe.

„Josefine?" Jemand rüttelt an meiner Schulter. Ich schrecke hoch und gucke direkt in Elians Gesicht.
„Wie spät ist es denn? Was machst du schon hier?" Verwirrt drehe ich meinen Kopf nach links und rechts. Ein paar Familien sind am Strand, bauen Sandburgen, gehen baden.
Elian sieht aus, als müsste er das kurz in seinem Kopf übersetzen. „Es ist 16 Uhr, etwas später", sagt er schließlich angestrengt.
Kurz nach 16 Uhr. Ich muss eingeschlafen sein. In der prallen Sonne, verdammt. Und dann habe ich auch noch die Sonnencreme im Haus gelassen, die Papa mir heute Morgen hingestellt hatte, bevor sie gegangen sind. Das wird ein mieser Sonnenbrand. Und es werden miese Vorwürfe meiner Familie, prima.
Elian reißt mich aus den Gedanken. Er sagt, ich solle mal in den Schatten gehen, weil ich ganz rot sei. Ein kurzer Blick bestätigt mir seine Aussage.
Ich überprüfe meine Sachen, wo aber alles noch da ist. Wenigstens etwas.

Wir landen in einer Eisdiele, bei der wir uns ein Eis holen und uns dann an ein schattiges Plätzchen setzen.
Es dauert ein wenig, bis wir ins Gespräch kommen, aber dann hören wir gar nicht mehr auf, über alles mögliche zu reden.
Elian hat Deutsch in der Schule und er betont, dass das sein Lieblingsfach sei. Ob er das nur sagt, um mich zu beeindrucken, sei mal dahingestellt. Außerdem war er mal in Deutschland. Mit seinem Deutschkurs sind sie nach Berlin geflogen.
Ich gebe ihm ein wenig exklusiven Deutschunterricht, er schlägt sich wirklich nicht schlecht, dann kommen wir aber auch noch auf andere Themen, nicht nur Schule.

Kopfschmerzen bahnen sich bei mir an. Angefangen mit einem einfachen Drücken, werden sie zu einem immer stärkeren Pochen.
„Geht es dir gut?", fragt Elian plötzlich in einer kurzen Stille.
Bevor ich ihm antworten kann, vibriert mein Handy. Phil fragt, ob alles okay ist. Ich tippe eine schnelle Antwort. Sie wissen, dass ich mich mit ihm treffe, aber sie werden schon wieder im Haus sein. Immerhin zeigt die Uhr kurz vor acht.
„Ich habe etwas Kopfschmerzen", gebe ich danach meine Antwort.
„Kopfschmerzen", murmelt er in einer total lustigen Aussprache. „Ah, ich weiß. Soll ich dich nach Hause bringen?"
Ich überlege nicht lang. Das wäre wirklich langsam mal angebracht.

Neben den Kopfschmerzen taucht nun auch eine Übelkeit auf. Meine Haut leuchtet rot und brennt. Wenn man sie berührt, könnte man sich glatt verbrennen.
Vor der Haustür verabschiede ich mich mit einer kurzen Umarmung von Elian und zische sofort auf. Das tut scheiße weh.

„Wie siehst du denn aus?" Alex schlägt sich die Hand vor den Mund.
„Als hättest du einen Ausflug zur Sonne gemacht", kommt es erschrocken von Phil.
„Leute, ich will mich einfach nur hinlegen", sage ich völlig fertig, als ich im Wohnzimmer stehe. Eine neue Beschwerde beglückt mich: komplette Abgeschlagenheit.
„Warte. Wie konnte das passieren? Was hast du bitte gemacht?" Papa steht auf und packt mich sanft am Arm, doch wieder jaule ich auf.
„Aua. Lass mich los."
Er befolgt meine Bitte sofort, mustert mich dennoch ernst.
„Ich bin am Strand eingeschlafen. Eventuell lag ich mindestens vier Stunden in der prallen Mittagssonne", gebe ich zögernd zu.
„Nicht eingecremt, keine Kopfbedeckung?", kitzelt Papa ungeduldig aus mir heraus.
Schwach nicke ich, was mir eine extrastarke Welle Kopfschmerz durch den Kopf schickt.
„Leg dich hin. Aber hier auf die Couch." Papa bedeutet den anderen, zur Seite zu rücken, was sie schon von ganz allein gemacht haben. 
„Was hast du noch für Symptome? Außer deiner Abgeschlagenheit", will Paula wissen.
„Ekelhafte Kopfschmerzen und Übelkeit. Und vielleicht auch etwas Schwindel", nuschele ich und schließe meine Augen.
„Du musst viel trinken." Alex hält mir ein großes Glas Wasser hin. Wann hat er das denn geholt?
Mir wird etwas unter den Rücken geschoben, damit mein Oberkörper höher liegt.
Papa kommt mit einem Eimer und irgendeiner Dose an. Auch hier habe ich nicht gemerkt, dass er überhaupt weg war.
Der Eimer kommt gerade richtig. Bevor ich überhaupt den ersten Schluck nehmen kann, meldet sich die Übelkeit in einer neuen Stärke.
„Na super, das scheint ein saftiger Sonnenstich zu sein", murmelt Phil mitleidig und hält mir die Haare zurück.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)


7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt