98 - 27:08 Uhr

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Sicht Phil

„Franco, jetzt beruhige dich mal! Hier wird gleich die Polizei gerufen!", fahre ich ihm dazwischen, bevor er noch die ganze Klinik zusammenschreit.
Verdutzt guckt er mich an, schweigt dann aber wirklich.
„Ich verstehe total, dass du hier ausflippst, aber das bringt jetzt keinen weiter. Ich könnte diesen Typen auch eigenhändig ... auf den Mond schießen."
Alex schnaubt. „Sag doch einfach, dass du ihn eigenhändig umbringen könntest. Das könnten wir gerade alle."
„Aber das hätte ordentlich schief gehen können. Ist es ja schon, aber stell dir vor, der hätte noch mehr Tropfen genommen. Was hatte er wohl mit Fine vor? Das will ich gar nicht wissen." Franco boxt gegen die nächste Wand.
Sofort greifen meine Hände nach seinen Handgelenken. „Das lässt du schön bleiben. Hör auch auf, an ein 'Was wäre wenn' zu denken. Es ist so passiert, wie es ist, da kann man nichts ändern." Die Worte sagen sich leicht, doch auch ich mache mir diese Gedanken. Leider.

„Und jetzt?", jammert er und fällt auf den nächstbesten Stuhl.
„Der Kerl wird schön zur Rechenschaft gezogen. Fine wacht bald auf und dann wird das wieder. Was die Sache mit Elian betrifft: der macht sich wirklich Sorgen um Fine. Und Vorwürfe, weil er von alldem nichts mitbekommen hat", sagt Alex in einem ruhigen Ton, um keinen weiteren Ausraster von Franco zu riskieren.
„Woher weißt du das?", fragt Franco verwundert.
„Weil ich mit ihm gesprochen habe. Er hat uns in der Sache auch geholfen."

Sicht Josefine

„Guten Morgen, da bist du ja langsam wieder", flötet eine weibliche Stimme neben mir.
Was für eine gute Laune, dabei kann ich kaum meine Augen aufhalten.
Mein Blick schwirrt verwirrt umher.
„Du bist im Krankenhaus. Da, wo deine Oma neulich war", wird mir von der selben Stimme erklärt.
Öhm, okay. Ich fühle mich komisch. Gerädert, zermalmt, in Watte gepackt. Ich kann das gar nicht wirklich beschreiben, so habe ich mich jedenfalls noch nie gefühlt.
„Ich hole mal deinen Vater rein. Und die anderen zwei Männer, wer auch immer die sind."
Ich erkenne die Krankenschwester wieder. Natürlich, sie war ja auch die aus Deutschland, das vergesse ich nicht so schnell.

Papa ist zuerst an meinem Bett.
„Du kannst es aber auch nicht lassen, was?" Er umarmt mich fest.
„Franco, denk daran, was wir gesagt haben. Keine Vorwürfe", bemerkt Phil scharf.
Die werden Papa ja richtig bearbeitet haben, worin auch immer.
„Ja ja", winkt er ab. „Wie hast du das aber bitte angestellt, dass dich wirklich keiner bemerkt hat?", fragt Papa, nachdem er sich von mir gelöst hat.
„Warte, warte, warte. Leute, ich habe null Plan, wovon hier die Rede ist."
„Das ist ganz normal. Aber dass du auf der Party warst, müsstest du noch wissen, oder?", mischt sich Alex nun mit ein.
„Könnt ihr mich vielleicht erstmal richtig aufwachen lassen? Wäre ziemlich nett von euch, danke."

Mehr oder weniger geduldig ziehen sie sich Stühle ans Bett und gucken sich im Krankenzimmer um.
Ich nehme dafür jeden einzelnen kurz unter die Lupe.
Papa, Phil und Alex sehen alle so aus, als hätten sie eine durchzechte Partynacht hinter sich.
Als nächstes studiere ich die Uhr, die meinem Bett gegenüberhängt. Ganz schön lang brauche ich, um die Zahlen der richtigen Stelle zuzuordnen. Mein Ergebnis war zuerst 27:08 Uhr, aber das geht ja gar nicht. Wenn ich so darüber nachdenke, fühle ich mich aber auch so, als wäre es 27:08 Uhr.
8:27 Uhr. Ich gähne.
„Okay, ich bin bereit. Wieso liege ich hier?"
„Dir wurde was in den Drink gemischt, um es kurz zu fassen. Aber trotzdem habe ich noch..."
Phil legt Papa eine Hand auf die Schulter. „Nicht jetzt, ist das so schwer zu verstehen? Meinetwegen ein andermal."
Ich bin Phil dankbar, kann ich mir doch denken, dass Papa mit seinen endlosen Vorwürfen beginnen möchte.
Papa atmet tief durch, ehe er mich anlächelt. „Hauptsache dir geht es wieder gut."
„Jup, tut es. Kann ich dann wieder gehen?" Voller Elan schlage ich die Bettdecke zurück, drehe mich nach links und setze mich auf. Kurz wird mir etwas schwummrig, doch dann presse ich meine Zähne aufeinander, reiße mich zusammen und stehe auf.
Ich will meine wackeligen Beine einfach ignorieren, einen Schritt gehen, doch das wollen meine Beine nicht, die ohne Rücksicht nachgeben, einen auf eingeschnappt spielen.
Die Rechnung haben sie aber ohne Alex gemacht, in dessen Armen ich mich wiederfinde.
„Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie stark du doch bist und welche Reflexe du hast", gebe ich schwach lächelnd von mir und werde von ihm wieder ins Bett gehievt.
„Hat nicht viel mit Reflexen zu tun, ich bin einfach vorausschauend", widerspricht er grinsend.
„Kommt doch das gleiche bei raus."
„Du kannst vergessen, dass es dir gut geht. Wie fühlst du dich? Ehrlich." Phil fühlt meinen Puls und guckt mir tief in die Augen.
Na schön, dann eben nicht. Hätte ja klappen können. Einen auf 'fake it till you make it'. In Bezug auf Gesundheit scheint es nur leider nicht zu klappen, war aber immerhin einen Versuch wert.

Ein paar Kontrollen und sehr viele und lange Reden später, meinerseits und von den Jungs, sitze ich im Auto. Auf dem besten Weg nach Hause.
Ich hätte unter keinen Umständen in diesem Krankenhaus bleiben wollen. Niemals. Ich fühle mich zwar mies, bin wie erschlagen, aber ausruhen kann ich mich auch im Haus. Neben drei Ärzten und einem Sanitäter. Also was ist groß dabei?

Dort endlich angekommen, erläutere ich kurz meinen Gesundheitszustand, sehe die Erleichterung in allen Gesichtern und verschwinde dann im Bett. So wie die Männer in ihren Betten verschwinden - war ja auch für sie alles andere als eine entspannte Zeit.
Bevor ich jedoch schlafe, fische ich mein Handy aus meiner Hosentasche und stelle es mal wieder ein.
Ein verpasster Anruf von Phil. Gestern um 23:58 Uhr. Tja, da stand ich wahrscheinlich schon kurz vor meinem Zusammenbruch.
Die Erinnerungen sind schwammig, bis sie gänzlich aufhören. Ab und an gibt es minimale Erinnerungsfetzen, zum Beispiel weiß ich noch, dass ich ein paar Mädchen gesagt habe, wo ich herkomme. Wirklich viel mehr ist da nicht. Aber ich weiß, dass Elian keine Schuld trägt. Das hat mir auch Phil erzählt.
Also schlage ich ihm vor, dass wir uns morgen nochmal treffen, bevor wir am Donnerstag dann abreisen. Immerhin ist er an sich schon ein lieber Junge.
Über das Gras hat Papa erstmal auch kein Wort mehr verloren, aber nur, weil Phil und Alex immer wieder dazwischen gegrätscht sind, wenn Papa damit beginnen wollte.
Das kann noch eine tolle Predigt werden, was eine Vorfreude. Allein das Wissen, dass Papa eigentlich schon längst damit begonnen hätte, gibt mir schon den ganzen Tag ein Gefühl der unausgesprochenen Vorwürfe.

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Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)

7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt