45 - Ein See aus Glasscherben

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So liege ich hier, in einem See aus Glasscherben. Der schock sitzt noch zu tief, um irgendetwas zu fühlen, um überhaupt diese Situation zu begreifen. Erst Papa holt mich mit seinen Worten langsam wieder ins hier und jetzt. „Fine, bleib schön ruhig liegen, bewege dich nicht!" Das hatte ich jetzt auch nicht wirklich vor, stell dir vor.
Alex' Schritte sind zu hören, der bis jetzt noch gar nichts gesagt hat. Mit Schuhen tritt er nun an meine Seite, packt mich an der Hüfte und hebt mich hoch. „Kann ich dich auf deine Füße stellen?", fragt er, während ich noch so in seinen Händen hänge. Wie bekommt er mich überhaupt so komisch gepackt? Ich nicke nur, irgendwie fehlen mir die Worte. Behutsam stellt er mich auf dem Boden ab und bedeutet Toni, sich hinter mich zu stellen, falls ich umkippen sollte. Papa ist verschwunden, wohin, keine Ahnung.
Mein Blick gleitet langsam an mir herunter. Voller Angst, was ich jetzt zu sehen bekomme. Mit dem Bild vor Augen kommen auch die Gefühle zurück in meinen Körper, die Schmerzen setzen ein, das höllische Brennen. Wieso musste ich mir vorhin auch noch eine kurze Hose anziehen?
Alex bemerkt, dass ich mich angucke, und probiert sofort, das zu unterbinden. „Guck dir das nicht an. Dann wird es nur schlimmer."
Doch mein Zittern kann nicht mehr unterdrückt werden. Genauso wenig wie die Tränen, die sich langsam in meinen Augen sammeln und mir die Sicht verwischen. Immerhin kann ich dann gar nicht mehr gucken. Ich kneife meine Augen fest zusammen, probiere, mein Zittern zu reduzieren, erziele damit aber nur das Gegenteil.
„Alex, m-meine Hand....irgendwie", stammele ich herum.
„Fine, das bekommen wir alles hin, mach dir keine Gedanken. Verlass dich auf uns."
Papa kommt wieder. Durch ein Auge sehe ich, dass er Alex eine Pinzette und Handschuhe in die Hände drückt, mehr will ich gar nicht sehen.
„Ich werde dir jetzt die oberflächlichen Splitter entfernen, aber ums Krankenhaus kommen wir nicht herum."
Ich nicke zum Verständnis.
„Fine, beruhige dich. Es ist alles gut, wir haben das im Griff. Du musst aufhören zu zittern, sonst wird das hier alles schlimmer", redet Alex beruhigend auf mich ein, doch mach das mal, wenn du unter Schock stehst, der von Angst abgelöst wird. Mir wird schlecht. Jetzt nicht übergeben. Immer diese Reaktionen des Körpers. Ätzend.
Alex seufzt, dann spüre ich langsam, wie er Scherbe um Scherbe aus meinen Beinen entfernt. Muss er eine ruhige Hand dafür haben, um meinem Zittern entgegenzuwirken.
Als er nach einer gefühlten Ewigkeit fertig ist, nimmt er meine Hände. Ich wage einen Blick nach unten, doch bereue es sofort. Eine fette Scherbe steckt in meiner rechten Hand, sieht nicht gerade besonders oberflächlich aus. Alex guckt zu Papa und schüttelt den Kopf. Sieht nicht gut aus, gar nicht gut. Und fühlt sich auch alles andere als gesund an.
„Ich gucke mir noch kurz deinen Bauch an", sagt Alex mit ruhiger Stimme und nimmt mein Shirt hoch. Ein erleichtertes Ausatmen ist zu hören. „Hier hast du zum Glück nichts. Nur ein paar leichte Schnitte, aber Scherben stecken nicht drinnen."
„Okay, dann hole ich dir schnell noch eine lange Hose, ihr geht schon mal ins Auto?", klingt sich Papa mit ein. Alex bejaht und führt mich erst in den Flur, wo er mir mit den Schuhen hilft. Dann bringt er mich ins Auto. Toni war die ganze Zeit über auffällig ruhig.
Im Auto setzt sich Alex zu mir nach hinten. Meine Übelkeit ist immer noch nicht besser.
„Worüber bin ich überhaupt gefallen?", frage ich mit zitternder Stimme und probiere, Alex' Gesicht zu fixieren, um nicht auf meine Hände zu gucken.
„Über Tonis Sporttasche", gibt er zurück.

In der Klinik macht Gisela große Augen, als wir die Notaufnahme betreten. „Was ist denn bei dir passiert?"
„Sie ist auf einen Glastisch gefallen. Man sieht ja, die Qualität war anscheinend nicht ganz so berauschend", kommt es von Papa.
Alex steht neben mir und hat meinen Oberarm fest im Griff. Anscheinend ist ihm mein Zustand nicht ganz so sicher. Gut, mein Zittern wird nicht besser, meine Übelkeit nimmt zu.
„Komm, wir setzen uns mal", sagt Alex leise zu mir und zieht mich halb zu zwei freien Plätzen, während Papa noch etwas mit Gisela klärt.
„Alex, ich glaube, ich muss....", murmele ich, konzentriert auf eine Bodenfliese, um mich nicht direkt auf den Boden zu übergeben.
„Warte, halte durch", sagt er schnell, springt auf und verschwindet im Behandlungstrakt. Was macht er denn jetzt da? Diese Frage wird mir schnell beantwortet, denn er kommt mit einer Nierenschale angerannt, die er mir gerade noch so unterhalten kann. „Alles gut, lass es raus. Das ist eine ganz natürliche Reaktion deines Körpers auf diese Aktion", sagt Alex ruhig und streicht mir über den Rücken. Natürlich ist das hier gerade keinem entgangen, und Gisela macht sich ganz schnell auf den Weg, um einen Arzt zu holen.

Bei meinem Glück ist es Paula, die herbeigeeilt kommt.
„Dich kann man auch nur noch in Watte packen und im Bett lassen, oder?", bemerkt Paula, als sie mich sieht. Mit einem Schulterzucken bedeute ich, dass es mir wirklich bescheiden geht.
„Dann kommt mal mit, sieht ja sehr....", sie sucht nach dem richtigen Wort, „....heikel aus." Super umschrieben, Paula, super umschrieben.
Im Behandlungsraum gibt sie Schwester Amelie die Aufgabe, meine Schnitte an den Beinen zu reinigen und nochmals nach Glassplittern zu untersuchen, während sie sich um meine Hände kümmert.
„Wie ist das denn schon wieder passiert?", fragt sie nebenbei. Ich starre an die Decke und probiere, dieses Brennen irgendwie zu ignorieren. Außerdem kämpfe ich gegen die aufsteigenden Tränen an, doch diesen Kampf verliere ich schnell. Da von mir keine Antwort kommt, schildert Papa die Situation erneut ausführlich. Es ist, als würde ich diesen Sturz und den darauf folgenden Schrecken erneut durchleben. Mein Herz rast und mein Zittern verschlimmert sich um eine Stufe.
„Fine, beruhige dich. Es ist doch alles gut", sagt Paula einfühlsam und unterbricht ihre Inspektion. Gutes Zureden bringt nichts mehr. Sie dreht sich zu Alex. „Ich wäre ja fast für ein Beruhigungsmittel, was sagst du?"
Anscheinend stimmt er zu, denn kurz darauf liegt ein Zugang und Paula kündigt an, mir etwas zu spritzen, wovon ich müde werden kann. Was für Kreise ein einfacher Sturz in ein Glastisch zieht. Ist doch klar, bei meinem Glück klappt dann gar nichts mehr und ich brauche schon Beruhigungsmittel.
Tatsächlich hört mein Zittern auf, mein Herz beruhigt sich und die Behandlung kann zügig weitergehen. Von dieser bekomme ich auch kaum noch etwas mit. Ich bekomme eine örtliche Betäubung, die Scherbe wird entfernt und der Schnitt genäht.
Das können witzige Tage werden, wenn ich meine rechte Hand nicht mehr benutzen kann. Das schreit doch nur so nach Fürsorge der anderen. Und bei meinem Glück auch nach Missgeschicken.

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Das mit dem Glastisch ist mir tatsächlich mal passiert. Wollte ich nur mal so gesagt haben.

Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)

7 Jahre Pech (Asds) |1/2|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt