Am Abend gucken alle zusammen einen Film, ich verkrümel mich in den Garten und höre Musik.
Ich beobachte die untergehende Sonne, wie sie den Himmel in überlaufende Farben taucht, die immer dunkler werden. Mein Blick wendet sich von der Sonne ins Haus. Unbeschwert sitzen sie da und lachen. Scheint ein witziger Film zu sein.
Als die Sonne fast komplett untergegangen ist, schließe ich meine Augen und konzentriere mich nur auf die Klänge der Musik. Zumindest möchte ich das.
Unweigerlich schweifen meine Gedanken zum Unfall und dem folgenden Traum. Wieso habe ich so extrem darauf reagiert? Immerhin ist keinem von uns ernsthaft etwas passiert. Wie automatisch öffnet sich mein rechtes Auge und schielt zum Haus. Phil sitzt im Wohnzimmer an Paula gekuschelt und sieht glücklich aus. Ihm geht es gut.
Vielleicht sollte ich einfach noch mal mit jemandem reden, der gar nicht dabei war. Ihm alles erklären, um es mir so gesehen auszureden. Aber mit wem?
Genau in diesem Moment brummt mein Handy. Eine Nachricht von Tim. Beziehungsweise nicht nur eine. Seit gestern war ich kaum noch an meinem Handy, da sind die Nachrichten eben liegengeblieben. Und Tim hat sich scheinbar Sorgen gemacht, denn er hat mir gerade die zwanzigste Nachricht geschrieben. Eigentlich wäre er eine gute Person, mit der ich darüber reden kann.
Kurzum frage ich ihn, ob wir telefonieren können. Binnen Sekunden kommt eine Antwort, jedoch kein ja oder nein, sondern ein >Gib mir fünfzehn Minuten.< Okay?
Ich schließe meine Augen wieder und schalte ab. So gut es eben geht.Durch ein Tippen an meiner Schulter werde ich aus meiner tiefen Entspannung geholt. Schreiend fahre ich hoch.
„Tut mir leid, so erschrecken wollte ich dich nicht. Aber eine andere Wahl hatte ich ja nicht, schätze ich?" Ich traue meinen Augen nicht. Ein schief grinsender Tim steht vor mir.
Auf meinen äußerst verwirrten Blick antwortet er lachend: „Ich dachte, wenn du mich live und in Farbe neben dir hast, ist es besser, als nur an der anderen Leitung." Er zwinkert mir zu.
Mein Herz beschleunigt sich. Ich schiebe das einfach mal auf den Schock, den er mir bereitet hat.
Grinsend stehe ich auf und schließe ihn in eine feste Umarmung. „Danke."
„Ich freue mich doch auch, dich wiederzusehen."
Er setzt sich zu mir auf die Couch, ganz nah, dass ich seine Wärme erahnen kann. Allein das beruhigt mich schon. Automatisch gucke ich wieder zum Haus. Und muss lachen. Sie haben die Jalousien runtergefahren, um mir meine Privatsphäre zu lassen. Oh Mann, die denken auch, zwischen uns läuft was.Es entsteht eine kurze Stille, bis er sich räuspert. „Ich habe mich gestern, nachdem du dich nicht mehr gemeldet hast, bei Anni erkundigt, wie es ihr geht und dir mit dieser Situation. Sie hat mir grob vom Unfall erzählt, konnte selbst aber nicht wirklich was sagen, eben nur das, was ihr gesagt wurde. Sie kann sich nicht daran erinnern, weder an den Unfall vor der Schule, noch an euren Folgeunfall."
Ich nicke. Hat sie mir heute auch gesagt.
„Ich habe mir dann jedenfalls wirklich Sorgen um dich gemacht, weil du dich auch nicht mehr gemeldet hast. Aber dir ist scheinbar nichts passiert?" Unsere Blicke treffen sich und es durchzuckt mich wie ein Stromschlag. Mein Herz pocht wild, will mir am liebsten aus der Brust springen. Und allmählich kommt mir die Erkenntnis, dass ich scheinbar die kleinen Gefühle, die langsam für ihn aufkommen, immer verdrängt habe. Aus Angst, dass ich verletzt werde. Ich habe schließlich nie so gefühlt und habe keinen Plan von irgendwas.
Ich atme tief durch und beginne dann, ihm von allem zu erzählen. Von jedem kleinsten Detail.
Schnell beginnt mein Körper das Zittern, doch es fühlt sich richtig an, alles zu erzählen. Mit allen Ängsten und Gefühlen, die ich jetzt habe, mit allen Gedanken, die sich in meinem Kopf durchgespielt haben.
Tim rutscht näher an mich heran und legt einen Arm um mich, als er meinen Zustand bemerkt. Ich lege meinen Kopf auf seine Schulter.
Das Reden fällt mir jetzt schwerer, ob wegen seiner Hand, die mir beruhigend über den Arm streichelt, oder wegen des Inhaltes meiner Erzählung, ich weiß es nicht. Wahrscheinlich ist die Mischung schlimm.„Die Angst, erneut einen Traum davon zu haben, bleibt. Und es ist schrecklich", beende ich meine Erzählung, worauf ein kurzes Schweigen ensteht.
„Ich hoffe, dass dir das wenigstens etwas gebracht hat, darüber zu reden. Es bringt jetzt auch nichts, wenn ich dir sage, dass keinem etwas dabei passiert ist, was doof ausgegangen ist. Es geht allen gut und Phil ist schon wieder zu Hause. Anni liegt ja auch nicht deswegen im Krankenhaus. Das weißt du."
„Danke, dass du mir zugehört hast. Ich fühle mich jetzt schon besser", sage ich leise.
„Das habe ich gern getan. Und werde es auch immer tun." Den zweiten Satz flüstert er nur.
Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber ich fühle eine gewisse Spannung zwischen uns. Keine unangenehme Spannung, sondern eine, die sich langsam aufbaut. Eine interessante und aufregende.Wir sitzen still da, gucken in den Himmel und hängen unseren eigenen Gedanken hinterher. Ich bin noch immer in seinen Armen und seine Hand hat nicht aufgehört, mir gedankenverloren über den Arm zu streicheln.
Tim schluckt hörbar, ehe er wieder das Wort ergreift. „Weißt du, ich muss dir mal was sagen."
Erwartungsvoll setze ich mich aufrecht hin und gucke ihn an.
„Na ja, also es ist so, dass...Ich weiß nicht...Du bist irgendwie besonders. Und ich glaube, dass ich dich mag. Also so richtig mag."
Ich zeige keine Reaktion, zu überrumpelt bin ich. Aber ich merke die Reaktionen meines Körpers. Mein Gesicht wird augenblicklich heiß, mein Herz verdoppelt sein Tempo und mein Kopf schwirrt.
Jetzt weiß ich, wie Phil sich damals bei Paula gefühlt haben muss.-----------
Einen schönen Morgen, Tag oder Abend noch :)
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7 Jahre Pech (Asds) |1/2|
Fanfic|1/2| Ein bekannter Aberglaube besagt: „Ein zerbrochener Spiegel bringt sieben Jahre Pech." Josefine, von allen nur Fine genannt, findet das unsinnig. Doch was ist, wenn es genau nach solch einer Tollpatschigkeit eine Reihe von weniger schönen Ereig...