110. Kapitel

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P. o. V. Marius:

Ich nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette, spürte sich meine Lungen mit dem schädlichen Rauch füllen und fühlte gleichzeitig eine Art von sich von Innen herauskehrende Befriedigung. Ich warf einen abfälligen, kritischen Blick auf den Glimmstängel in meiner Hand und zuckte dann mit den Schultern, abwiegelnd, entschuldigend; als Erklärung für meine wiederbelebte Angewohnheit.

Eine Sucht war es wohl hoffentlich noch nicht, würde es aber ganz sicher werden, wenn ich nicht bald wieder aufhören konnte, um zu meinem Standard zurückzukehren.
Standard. Was war das schon?
Mein Blick schweifte über das graue, neblige Bild der Stadt, das ich vom seitlich des Hochhauses gelegenen Parkplatz aus mehr oder weniger schlecht anvisieren konnte. Die nähere Umgebung unterschied sich farblich leider auch nicht sehr viel von dem Qualm, der um mich herumzuwabern schien.
Standard. Seltsames Wort. Wie alle Wörter, über die und deren Klang man zu lange nachdenkt, seltsam anmutend, schien es doch vertraute Züge und dumpfe Bedeutungen in sich zu tragen, wie etwas Regelmäßiges, das man lange Zeit gepflegt und gehegt hat.
Jedoch war jeder Standard aus meinem Leben geschlichen, so heimlich und still, dass ich es beinahe nicht bemerkt hätte.
Nicht etwa jede Regelmäßigkeit, das vertraute pattern, meine Firma, mein Alltag, die Geschäfte, sondern das, was meinem Leben den high standard gegeben hatte, den luxury, die Ausschweifung, das Besondere eben. So schien es mir eher wie dieser Qualm vor dieser Stadt.
So unaussagekräftig, so bezugslos. Eine Stadt, die ich nie wahrgenommen hatte, die mich aber jetzt auch nicht plötzlich zu beachten begann. So vergänglich und gewöhnlich wie der vorbeiziehende Rauch, so gleichförmig wie der wolkenverhangene Himmel, aus dem einfach kein Schnee fallen wollte. Nicht diesen Winter, schien Frau Holle zu sagen. Pisdez, fluchte ich leise, nahm einen heftigen, abgehackten Zug, tippte die Asche auf den Boden, starrte weiter wie besinnungslos in den Himmel, als stünde dort die Antwort auf die Frage nach dem Warum.

Wie war das passiert? Wie war mir der Bezug zu meinem Leben und zu mir selbst verloren gegangen? Und so schnell, so leise, dass es mir erst jetzt auffiel, erst jetzt, wo es zu spät war.
Zu spät.
Beinahe wäre mir bei den beiden gedachten Wörtern die Kippe aus der Hand gefallen.
War es zu spät? Nun gut, wofür denn nun zu spät? Ich kam meinen eigenen Gedanken nicht mehr hinterher.
Zu spät, den Bezug wieder zu finden.
Über mich selbst verärgert rollte ich mit den Augen. Na toll, das brachte mich wirklich weiter.
Ärgerlich zog ich meine Augenbrauen zusammen. Mich dünkte, dass ich gerade einen Anflug einer Idee gehabt hatte, doch scheinbar war sie mir schneller wieder entglitten, als dass ich sie hätte greifen können. Ich schloss meine Augen und nahm noh einen tiefen Zug. Etwas Gutes hatte das Rauchen ja: Ich hatte eine Berechtigung, mich alle paar Stunden für wenigstens fünf, zehn Minuten aus dem geballten Strom zu schleichen, selbst wenn es nur war, um mir Teer in die Lunge zu pusten und über meinen Gedanken griesgrämig zugrunde zu gehen.

Gesetzt den Fall, ich würde die eklige Angewohnheit beibehalten, dann fehlte mir jetzt schon ein Stück meines Lebens. Kostbare Lebenszeit, in der ich kein Geld mehr verdienen, verpulvern oder waschen konnte; wobei letzteres die Notlösung war, sollte ich durch irgendetwas insolvent gehen. Keine Gelegenheit mehr, einen guten Teller Pelmeni zu essen oder mit meinen besten Freunden einen Vodka zu trinken. Keinen harten, guten Sex mehr. Ich hob erstaunt über all die schönen Sachen die Augenbrauen, doch übrig für diese dramatische Überlegung blieb nur ein Schulterzucken. Abwiegelnd, nicht entschuldigend, es einfach wegschiebend. Nihilistisch fast.
So fühlte ich mich. Mir war alles egal, hauptsache das Geschäft lief. Ts und Ardys neue Sekretärin, Geneva, hatte zwar Kontakt zu mir gesucht und ihn einige wenige Male genossen, aber ich nutzte nicht jede Gelegenheit, nur um sie zu bumsen.
Mir war Sexualiät egal, beinahe schien ich der ganzen Sache überdrüssig zu sein. Nicht einmal das erstaunte mich: Ich nahm es mit einem Schulterzucken zur Kenntnis.

Fifty Shades of Ley {Marley FF} |✏️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt