113. Kapitel

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P. o. V. Bella

Kichernd schlenderte ich neben Marius die Straßen der Altstadt entlang zurück zum Ley Tower. Wir hatten in einem Café eine Kleinigkeit zu Mittag gegessen und machten uns gegen Ende der Mittagspause auf den Rückweg. Der Blonde gab gerade die famosesten Geschichten aus seiner Kindheit zum Besten. Zum Beispiel, wie er sich mal in der Kindergartengruppe so stark verletzt hatte, dass das Blut nur so stömte, er aber erst zu plärren begann, als er es gesehen hatte.
Natürlich auch die Geschichte von ihm und seinem älteren Bruder, als sie beide mit einem Fußball die Kugeln vom Christbaum schießen wollten, die Mutter die beiden nach dem ersten Schuss aber schon ausbremsen konnte und beide glücklicherweise nur eine gehörige Standpauke zu hören bekamen.
Zwischenzeitlich musste ich mir eine kleine Lachträne wegwischen, denn auch die Art, wie er diese Erlebnisse zum Besten gab, wie er seinen Bruder und seine Mutter mit sehr russischem Akzent imitierte, war unfassbar witzig.
Als er geendet hatte und ihm scheinbar nichts mehr einfiel oder er nicht mehr wollte, grinste er mich ein wenig verschlagen an. "Könnte man nicht meinen, dass ich so ein böser kleiner Junge war, nicht?" Ich hob grinsend eine Augenbraue. "Würde mich nicht wundern, wenn du damals schon deinen großen Bruder herumkommandiert oder Mädchen gehauen hättest." Er zog eine Schnute. "Das denkst du also von mir?" Er schmunzelte. "Nun ja, ist vielleicht schwer, das Bild von mir aus deinem Kopf zu kriegen. Eigentlich bin ich ganz lieb. Und früher war ich sogar echt schüchtern." Er streckte die Daumen Zeigefinger aus, die anderen Finger angelegt und ließ die beiden Zeigefingerspitzen aufeinanderweisen. Währenddessen setzte er den niedlichsten Hundeblick, den er auf Lager haben musste, auf. Ich lachte und knuffte ihn leicht in die Seite. "Jaja, das kannst du meiner Oma erzählen." Er seufzte und verdrehte die Augen. "Müssen wir zusammen etwas kochen und dann so einen schmalzigen Mädchenfilm gucken, nur damit du es mir glaubst?" Ich hob kritisch eine Augenbraue. "Soetwas wie, ähm... Wie heißt er noch gleich? After Passion? Oder Das Schicksal ist ein mieser Verräter? Oder Kein Ort ohne dich?" Ich streckte meine Arme vor mich und kreuzte meine Zeigefinger, drehte mich zu ihm. "Um Gottes Willen, denkst du das wirklich von mir?" Kurz blickten wir uns an, ehe wir prustend lachten. "Ich verzichte. Nein danke." Er seufzte. "Ich muss gestehen, um dir eine Freude zu machen, hätte ich sogar soetwas geguckt." Ich lächelte ein wenig verschämt. "Du hättest auch das Essen aussuchen dürfen. Hätte ich Tyrann sogar erlaubt." Er grinste. Ich mochte die Art, wie er über sein Alter Ego scherzte. Ich hob meine Augenbrauen. "Hmmm... Wenn das Essen als Variable x ∈  ℚ , dann müsste das doch auch für den Film gelten." Er hob eine Braue. "Hast du mich gerade ernsthaft gefragt, ob wir auch was anderes schauen könnten, was du aussuchst? Nur in nerdig?"
Ich grinste ihn keck an. "Tja, dafür hast du es aber erstaunlich schnell gecheckt. Damit outest du dich selbst als Nerd." Er grinste. "Schon vergessen? Mathe LK." Ich nickte mich erinnernd.

Wir hatten den Ley Tower fast erreicht. "Gut. Ich zähle auf deine Entscheidung, ja?" Ich nickte und lächelte, er zwinkerte mir zu und wir beide mussten erneut ein Lachen unterdrücken.

Schon am darauffolgenden Wochenende trafen wir uns, mal wieder freitags, um den 'romantischen' Abend zu bestreiten. Wir- besser gesagt ich- entschieden uns für ein äußert leckeres Pastagericht mit Schmetterlingsnudeln, einer nicht zu dicken, käsigen Sahnesoße, Brokkoli, angedünsteten Champignons, Zwiebelchen und zur Krönung geröstete Pinienkerne.
Dazu durfte ein Wein nicht fehlen, zumindest war er davon überzeugt. Auf meine gelupfte Augenbraue hin entgegnete er: "Bella, ich bin ein kleines Bonzensöhnchen und ich kenne mich damit fast so gut aus wie mit...", kurz schürzte er die Lippen, grinste kurz. Fuhr schlussendlich fort: "Nun ja. Und natürlich will ich auch die ganzen guten Tropfen einmal zum Essen kosten, und ich denke nicht, dass sich in naher Zukunft eine bessere Gelegenheit für einen Sauvignon Blanc ergibt." Ich zog grinsend die Stirn in Falten. "Italienisches Essen und französischer Wein also." Er verdrehte die Augen, wandte gespielt angewiedert seinen Kopf weg und streckte abweisend seine Hand in meine Richtung. "Oh, weichet von mir, ungebildetes Bauernweib. Pft, keine Ahnung von Kultur haben diese Barbaren!" Ich prustete los und er stieg mit schallendem Lachen ein. "Ist gut, na dann hol mal dein Weinchen und bringe meinen Gaumen in Verzückung!" Er verschwand grinsend in den Keller und kam bald darauf mit einer Flasche Weißwein wieder, so viel hatte ich zumindest verstanden. Während ich noch in der Pfanne rührte, die letzten Handgriffe beim Essen tat, entkorkte er die von ihm als 'gutes Stück' titulierte und schenkte in einem Glas ein wenig ein. Mit aufforderndem Blick schob er es mir zu. Ich hielt mir, ein Kichern verdeckend, die rechte Hand vor den Mund. "Ich fühle mich wie im Nobelrestaurant", nuschelte ich, ehe ich kostete. Und obgleich ich nicht viel von verschiedenen Sorten verstand, mundete mir dieser Weißwein wirklich auffallend gut. "Ich wäre gekränkt, würdest du dich nicht so fühlen. Wozu hat man denn so viel Geld?" Wieder kicherte ich und auch auf seinem Gesicht zeigte ein breites Grinsen, dass er den 'BWL-Justus' nur mimte. "Schmeckt gut, nicht?", hakte er nach und schenkte auf mein Grinsen mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck aus. "Hätte mich auch gewundert. Sauvignons blancs sind generell sehr aromatisch und der da ist einfach bombe. Wart's mal ab, wie der zum Essen passt." Er wackelte vorfreudig mit den Augenbrauen. "Apropos, ich würde sagen, wir können zur Tafel schreiten."

Es schmeckte außerorderntlich und obgleich draußen erneut leichte weiße Flöckchen fielen, fühlte ich mich ein wenig wie im Urlaub.
Auch die vertraute Stimmung kam auf und unser Umgang miteinander war nicht mehr ganz so holprig wie auf dem Weihnachtsmarkt. Wir aßen, tranken, lachten, scherzten, redeten.
Er ließ mich nach beendetem Mahl nicht einmal aufräumen, sondern kommandierte mich schon fast aufs Sofa, wo er auffordernd nach dem von mir gewählten Film fragte.
Ich zog eine DVD hervor und schob sie ihm über den Glastisch hin. Er schmunzelte. "Schöne Wahl. Du hast dich aber doch nicht meinetwegen zurückgehalten?" Ich schüttelte den Kopf. "Ist einer meiner Lieblingsfilme", gab ich etwas verschämt zu. "Außerdem passt das zur Jahreszeit." Er grinste und nickte, legte dann die DVD ein.
Die mir so gut bekannte Musik erklang und sofort verfiel ich in ein einlullendes Gefühl der Nostalgie. Typisch für die alten Filme zogen die Namen der größtenteils tschechischen Schauspieler über den Bildschirm, ehe der Titel aufleuchtete und die Handlung beginnen konnte.

Drei Haselnüsse für Aschenbrödel

Ich konnte nicht anders, als dümmlich zu grinsen und in meiner Traumwelt zu schwelgen.
Der Blonde und ich saßen anfangs beide außen auf der Couch, jeder auf einer eigenen Seite. Nachdem er jedoch schon nach fünf Minuten schnell die vergessenen Kekse und Tee geholt hatte, ließ er sich nur noch im Abstand von etwa dreißig Zentimetern neben mir nieder.
Der verringerte sich auch während des Märchens, aber nur auf ein Level, dass wir einfach nah beieinander saßen, Schulter an Schulter, aber kein weiterer Kontakt stattfand.
Mir schlug das Herz teils bis zum Hals, dann brach ich kurz in Schweiß aus, ehe ich fror, wenn ich mich kurzzeitig beruhigte. Es war ein bisschen peinlich, aber Marius schien nichts von alledem zu merken.
Beim Abspann drehte er seinen Kopf zu mir und fragte neckisch grinsend: "Und den Prinzen da findest du sicher süß, oder?" Ich blickte ihn zweifelnd an, wobei mit der Augenkontakt ein weiteres Herzrasen bescherte. "Nein. Absolut nicht mein Typ. So ein Milchbubi." Ich zog eine Grimasse. Er strich sich über den Bart. "Ohjeh, jetzt bekomme ich aber sicher trotzdem einen neuen Rasierer vom Christkind, weil ich dachte, wenn ich den Bart da wegmache, sehe ich jünger aus und du kommst dir besser neben mir vor." Ich unterdrückte prustend ein Lachen. "Nicht dein Ernst", kicherte ich. "Vollkommen", bestätigte er mir mit bierernster Miene. Doch er konnte sie nicht ganz halten und verriet sich bald durch ein Schmunzeln. "Naja, wenigstens hab' ich deine Meinung getestet", gab er noch grinsend ab.
Nach ein wenig Plauderei gähnte ich irgendwann hinter vorgehaltener Hand. "Du bist müde", stellte er fest. "Ich bring dich heim." Sein warmer, fürsorglicher Ton ließ einen Schauer über meinen Rücken laufen.

Vor meiner Tür hielt er seinen Wagen an. "Ich hoffe, dir hat der Abend so gefallen wie mir. Und natürlich gezeigt, dass ich voll der Softboy bin." Er grinste kurz, ich erwiderte es. "Was machst du an Heilig Abend?" Ich verzog das Gesicht. Wunder Punkt. Meiner Familie hatte ich nichts mehr zu sagen- meine Freundinnen ihren jedoch schon. "Noch nichts", erwiderte ich knapp. "Und du?" Ich lenkte die Frage schnell zurück, darauf hoffend, dass er nicht nachhakte oder so. "Familie", lächelte er breitweillig und seufzte etwas. "Wird anstrengend, aber schön." "Denke ich mir." Ich lächelte, obwohl ich am liebsten geweint hätte. Ich würde so gerne wieder richtig Weihnachten feiern.
"Na, danke für alles. Auch für's Heimbringen. Schlaf gut", verabschiedete ich mich, stieg aus und winkte ihm noch kurz, ehe ich hoch in meine Wohung stieg.


Fifty Shades of Ley {Marley FF} |✏️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt