109. Kapitel

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P. o. V. Marius (ungefähr zwei, drei Wochen später)

Ich streckte mich ausgiebig, sodass meine Gelenke in den Fingern und mein Rücken etwas knackten. Nicht ungewöhnlich und auch keinesfalls ein Zeichen von Krankheit oder zu wenig Sport. Denn für den hatte ich, seitdem sich Bella mehr oder weniger aus meinem Leben gestohlen hatte, viel mehr Zeit. Mein Verlangen nach einem schnellen Platzfüllen war mäßig, sodass ich meine Jagd nach fähigen Frauen lustlos vernachlässigte.
Ich hatte mit ein, zwei Mädels geschrieben, die aber absolut unter meinem Niveau waren, nur auf mein Geld aus, und mit einer anderen hatte ich nach einer Party, auf die ich von meinen Freunden geschleppt worden war, rumgemacht. Aber auch nur unter Alkoholeinfluss und ich hatte nichts mehr von ihr gehört, nicht, dass mich das stören würde.
Eher störte mich Bellas Miene, so belastet und kränklich, lebensunfreudig beinahe, mit dunklen Augenschatten. Ihre Mundwinkel zeigten sich nie mehr nach oben gezogen, der freudige, aus der Kindheit bewahrte Glanz in ihren Augen war verschwunden.
Und mich störte, dass es mich störte.
Als es mir das erste Mal bewusst aufgefallen war, musste ich mein Erschrecken wahrlich verbergen, dann hatte ich es hinter ihrem Rücken mit einem Schulterzucken abgetan.
Aber jeden Tag das gleiche Bild, ein Trauerspiel, das an mir vorbeistakste zu ihrer Glastür, kaum das gekrächzte 'Guten Morgen' herausbringend.

Den einen Gedanken das erste Mal aktiv denkend, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken.
Ich war maßgeblich schuld an diesem Anblick. An ihrem 'Zustand'. Ich machte mir wirklich Sorgen, denn die silbernen Armreife, die sie oft getragen hatte, klapperten weit um ihre Handgelenke und die Blusen, die ich so gut kannte, flatterten um ihren Körper wie ein Fähnchen im Wind. Röcke schien sie zu meiden und ihre Hosen waren gegürtet- vorher nie.
Ich sah sie in der Mittagspause selten ihr Räumchen verlassen.
Und ein kleiner, dicker Kloß an Sorgen zog sich fest und fester in meiner Magengrube zusammen.
Immer häufiger schweiften meine Gedanken ab, ich war unkonzentriert und abends hing ich der einen Frage stundenlang nach, ohne wahrhaftig zu denken, mein Verhalten zu reflektieren. Immer nur nach den Gründen, dem warum ihrerseits zu fragen.

Denn Unangenehmes wäre eventuell auf mich zugekommen. Gedanken, die ich nicht denken wollte, Dinge, von denen ich nichts hören, nichts wissen wollte. Vielleicht bekam mein doch stattliches Selbstbild, dass ich mir mühsam aufgebaut hatte, einen Knacks. Deswegen waren es alles Sackgassengedankengänge, die ins Nichts, in die Leere führten oder mich ab einem gewissen Punkt mit einem anderen Thema ablenkten.
Genau wie Taddl und Ardy, die auch gerade eine rechte Hand suchten, die der Bella vor einem Monat ähnelte. Viele, viele Bewerberinnen waren ein- und ausgegangen ins Hause Tjarks&Bora GmbH- nur war bis zu dem Zeitpunkt keine zufriedenstellend gewesen. In der klirrend kalten Winterluft, durch die schon der Duft von Zimt und Gebäck trieben, denn es ging auf den zweiten Advent zu, fand jedoch ein niedliches Püppchen namens Geneva den Weg zu ihnen, und scheinbar war auch sofort eine Übereinkunft auf sexueller Ebene eingetreten.
Ich für meinen Teil schüttelte darüber den Kopf; schien es doch ein wenig eigenartig, sofort sexuellen Kontakt zu dem vielleicht zukünftigen Arbeitgeber zu suchen. Aber es war weder mein Betrieb, noch mein Kontakt, deswegen verkniff ich mir jeden spitzfindigen Kommentar zu der etwas kleineren Latina, die trotz ihrer untypisch schlanken Figur die typisch ausgeprägten Kurven hatte, genau wie die milchkaffeebraune Haut, braune Augen und dunkelbraune, lockige Haare. Nicht speziell mein Typ, aber objektiv betrachtet überdurchschnittlich attraktiv. Und so kam es schneller als mir lieb war zu einem intensiveren Kontakt.

P. o. V. Bella

Mit müden Augen warf ich einen Blick auf meine Uhr, die mir noch einige Stunden Qual voraussagte, während ich das Büro verließ. Dort stieß ich beinahe mit einer jungen Frau, vielleicht in meinem Alter, vielleicht älter, zusammen. Die lateinamerikanisch Anmutende entschuldigte sich überschwänglich und betrat dann das Büro, ohne mir Auskunft über sich und ihre Belange zu geben. Jedoch ging es mich auch nicht unbedingt etwas an, weswegen ich nur, auch aufgrund des für den Winter knappen Outfits  Röckchen ohne rechte Strumpfhose, die Augenbrauen hob, als ich über den royalblauen Teppich schritt.

Während meiner Erledigungen innerhalb des Betriebs verdrängte ich die junge Frau fast ganz aus meinen Gedanken, sodass es mich noch ein Stückchen ärger traf, als ich nach einem kurzen Klopfen das Büro erneut betrat, diese Person mit unangemessen weit geöffneter Bluse und auffällig geröteten Knien antraf, neben ihr ein zufrieden grinsender und ausgeglichen wirkender Marius.
Jeder, der eins plus eins rechnen konnte und ein wenig gut aufpasste, sowie halbwegs  über körperliche Reize oder unumgehbare Folgen von sexueller Aktivität in jeder Art informiert war, wusste ganz genau, was sich hier abgespielt hatte und es machte mich auf der Stelle unfassbar wütend. Mir wurde, mal wieder, ziemlich schlecht, obgleich ich an dem Tag kaum etwas Festes zu mir genommen hatte. Trotzdem zog ich die bestmögliche Miene zum bösen Spiel und begrüßte freundlich die junge Dame, wandte mich dann mit einer Entschuldigung, in das Gespräch geplatzt zu sein, an den Blonden und händigte ihm mit dem süßesten Lächeln alle von ihm verlangten Dokumente, Tabellen, Ordner und Krimskrams aus. Auch konnte ich es mir nicht verkneifen, ihm sofort alle von anderen aufgetragenen Botschaften zu überbringen, vom Personalabteilungsleiter bis zur letzten Schreibtischkraft in Teilzeit, gewichtig alle innerbetrieblichen Strukturen betonend, sodass es mehr oder weniger verwirrend klingen musste für das Weib, dass sich da so eben scheinbar prostituiert hatte. Freiweillig? Dann durfte ich solch harte Worte nicht in den Mund nehmen, genau so, wenn es keine Gegenleistung gegeben hatte. Geld, einen Arbeitsplatz,... Nein, Arbeitsplatz, das wüsste ich sicher, außerdem war das sicher kein Bewerbungsgespräch.
Aber meinen Gram konnte das nicht tilgen, denn im Endeffekt beleidigte ich mich, wenn ich sie denunzierte, nur selbst. Denn mich hatte er auch gehabt, oft genug, um mich Schlampe nennen zu können.

Auch fiel mir das kleine, angesteckte Schildchen auf, dass sie als Mitarbeiterin von Tjarks&Bora GmbH auswies. Genauer lesen zu können, was dort geschrieben stand, war mir nicht möglich, denn ich wollte nicht auffällig wie eine Furie auf das Schildchen starren, nur um dann hysterische Schreikrämpfe zu kriegen.
Aber am liebsten hätte ich das getan. Am liebsten hätte ich diese Madame und den Sack im blonden Haarschnitt angeschrien, dass sie taub würden, denn zumindest er hätte es mehr als doppelt und dreifach verdient, bei dem Leid, dass er mir zugefügt hatte.
So richtig schön meine ungeschönte Meinung mit allen möglichen und unmöglichen vulgären Schimpfworten um die Ohren hauen- das war schon seit geraumer Zeit eines meiner tieferen Verlangen.

Mein ausgedehnter Bericht fand aprubte Beendigung durch ihn, der mich freundlich, aber bestimmt und unfassbar demütigend dazu anhielt, das nicht während eines so wichtigen Besuches zu erledigen, wo ich doch wichtig sei, aber es sich nicht schicke, sich so zu verhalten.
An dieser Stelle ist es sicher überflüssig zu erwähnen, dass dieser Tag für mich absolut gelaufen war und ich ihn nach der Arbeit weinend auf meinem Sofa verbrachte.


Es tut mir SO leid, dass ich erst nach zwei Wochen update!!! Doodlie, mein Schatz, das ist für dich, du verstehst meine Anspielung. ;-)

Fifty Shades of Ley {Marley FF} |✏️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt