9. Kapitel

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P. o. V. Bella

Meine Gedanken, die vorher immer einigermaßen ausgewogen gewesen waren, drehten sich nur noch um Herrn Ley. Andauernd ertappte ich mich dabei, vor mich von ihm hinzuträumen und ich kritzelte noch mehr kleine Herzchen auf meine Schreibtischunterlage als sonst.

Das war ich nicht gewohnt: Wegen einer Person des anderen Geschlechts war ich noch nie so gedanklich eingenommen gewesen. Auch abends, wenn ich meine Routine durchlief, ein kleines Workout absolvierte, kochte, aß, aufräumte und den Tag dabei revue passieren ließ, dachte ich meistens an den jungen Mann. Viele Details, die mir vielleicht vorher im Kopf geblieben wären, waren nun ersetzt von den Eindrücken, die ich von dem Blonden sammelte.
Egal was es war, ob sein Lächeln bei der morgendlichen Begrüßung strahlender wirkte als sonst oder er ein besonders tolles Hemd angehabt hatte oder wie er seine Kaffeetasse drehte, wenn er seinen Gedanken nachhing oder konzentriert war, wie er seinen Kugelschreiber verschlossen und in sein Etui zurücklegte, wenn er etwas manuell unterzeichnen musste; ich himmelte es an.
Mir selbst kam es natürlich auch etwas seltsam vor, die klitzekleine Obsession gefiel mir selbst nicht an mir, aber was sollte ich tun?!
Denn selbst wenn ich mir vornahm, ihn nicht mehr ganz so toll zu finden, meine Gedanken zu zügeln und den Fokus mehr auf andere Dinge zu lenken, durchkreuzte eine höhere Macht hämisch diesen Plan. Wahrscheinlich mangelte es mir auch an ansprechenden Alternativen; ich hatte den Job ja noch nicht so lange und musste mich im Arbeitsleben zunächst zurecht finden, wobei kaum Kapazität für etwas außerhalb davon blieb.

Das zumindest war meine Ausrede, mich nicht in einem Fitnessstudio, einem Sportverein, einer Leserunde oder etwas anderem Gemeinschaftlichen anzuschließen - denn in Wahrheit hatte ich einfach Angst. Angst vor Ablehnung, Angst vor Scheitern, Angst vor Zurückweisung, Angst vor noch mehr neuen Menschen. Der Job lockte mich schon häufig genug aus meiner Komfortzone, sodass mir die Schwärmerei für meinen Chef mir Konvenienz und Behaglichkeit bot.

Als dann sein Gesicht und sein göttlicher Körper auch beim Duschen nicht mehr aus meinem Kopf verschwanden, wurde es wirklich bizarr. Immer wieder blinzelte ich, unwirsch, fest, sekundenlang, wie als wollte ich eine Wimper aus dem Auge spülen. Ich hielt mein Gesicht in den angenehmen Duschstrahl und wollte das Gefühl des Wassers genießen, insgeheim mir endlich sein Gesicht aus dem Kopf zu bannen, doch ich scheiterte - erneut.

Meine Bewegungen wurden langsam, als würde ich lesen, während ich bestimmtes ausführte. In ein Handtuch gewickelt, vorm Spiegel stehend, starrte ich wie in die Ferne, nur weil wieder eine Wunschszene, in der wieder seine Hand auf meiner hielt, vor meinem inneren Auge ablief.

Immer wieder spulten besondere Momente vor meinem Auge ab, alles Situationen, in denen er mich berührte oder besonders oft die Erinnerung an die Momente, in denen er genau vor mir am Schreibtisch stand und ich mich auf sehr ungünstiger Augenhöhe befand. Ich lief knallrot an bei dem Gedanken an die eigentlich ja ganz normale Beule in seiner Hose - irgendwie war das Thema so schambehaftet für mich. Mein Erröten war ja auch alleine deswegen irrsinnig, weil er ja sicher in dem Moment keine Erektion gehabt haben konnte. Das wiederum warf in mir die genau so peinlichen Überlegungen auf, dass er bestimmt überdurchschnittlich aufgestellt sein musste, was vordergründig seinem großen Ego widersprach - denn sprichwörtlich haben die größten Machos die kleinsten Schwänze.

Insgesamt musste er es sicher wirklich schwer haben vor lauter Frauen, die alles und noch mehr von ihm wollten. Da war ich sicher nicht die Einzige.

Je länger ich nachdachte, desto intensiver dachte ich auch nach.
Der Strudel von Gedanken, Erinnerungen und Tagträumen mit impliziertem Marius Ley zog mich immer weiter hinab. Als ich am folgenden Morgen aufwachte und mich äußerst gut an den nun sehr expliziten Traum erinnern konnte, war es definitiv um mich geschehen. Ich drückte verschämt meine Schenkel zusammen und spürte ganz genau, was sie Bilder dazwischen hinterlassen hatten.
Aufrecht im Bett sitzend, zerknirscht auf die Bettdecke starrend, murmelte ich zu mir selbst: "So, jetzt bist du vollkommen verloren."

Nun stritt ich es mir selber auch nicht mehr ab; es war amtlich, dass ich verdammt auf meinen Chef stand. Und zwar nicht zu knapp. Über beide Ohren.

Als ich auf die Arbeit kam und ihn wieder sah, schossen mir alle Erinnerungen über den Traum wieder ins Gedächtnis und ich konnte ihn beinahe nicht ansehen, ohne rot anzulaufen und am liebsten im Boden zu versinken. Auch meine körperliche Begierde nach ihm stellte sich mir in den Weg, denn meine Gedanken fokussierten sich für meinen Geschmack zu sehr auf das Verlangen, meine körperlichen Wünsche erfüllt zu wissen.

Still und leise erledigte ich meine Arbeit und machte sogar die Mittagspause durch und aß in meinem Büro, weil ich ihm um Teufels Willen nicht begegnen wollte. Vermiedener Kontakt führt zur Minimierung der Verknalltheit, so lautete zumindest mein Plan.

Als ich gerade mein Büro verließ um Herrn Ley ins Wochenende zu verabschieden und so schnell wie möglich nach Hause zu verschwinden, machte mir der Blonde wieder einen Strich durch die Rechnung.

"Bella?" Ich blieb stehen, drehte mich zu ihm um. "Ja Herr Ley?" Er war schon aufgestanden und kam auf mich zu. Ich konnte nicht anders als ihn so unauffällig wie möglich anzusehen und seine Muskeln, nein sein perfektes Gesamtbild anzubeten.

Er stand nun sehr nahe vor mir, ich musste wieder zu ihm hochsehen und allein dabei explodierte ich beinahe. "Heute Abend ist so etwas wie eine inoffizielle Betriebsfeier für ausgewählte Mitarbeiter von meiner und der Firma von Herrn Tjarks und Herrn Bora und natürlich die Firmenleiter. Sie kommen doch, oder?"

Auch wenn seine Stimme intonationsmäßig am Ende hoch ging und somit das Gesagte zu einer Frage machte, war es keine. Es war eine mehr oder minder subtile Aufforderung, fast ein Befehl.

Wie von selbst nickte ich. "Natürlich Herr Ley, vielen Dank für die Einladung. Wann geht es los und wo?"

Der allerbeste und schönste Ausdruck lag endlich wieder auf seinem Gesicht; die Kombination aus
Anzüglichkeit und Arroganz.
"Ich habe mit nichts anderem als einer Zusage gerechnet. Das freut mich, Bella. Es findet hier statt. Einfach unten im Atrium, warten Sie es ab. Das Personal richtet das immer ganz wunderbar und stilvoll her. Und los geht es ab 20 Uhr, nehmen Sie sich gerne Zeit."

Wieder nickte ich wie von alleine und lächelte ihn, hoffentlich nett und dankbar, was ich jedoch im Nachhinein nicht mehr sagen kann, an: "Dann bis später, Herr Ley."

Mit diesen Worten verließ ich das Büro, den Stock, das Gebäude, ging zur U-Bahn, immer noch verzaubert und benebelt von seiner Wirkung auf mich.

Fifty Shades of Ley {Marley FF} |✏️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt