114. Kapitel*

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P. o. V. Bella

Es war der vierundzwanzigste Dezeber. Ich saß alleine in meiner Wohnung, keinen Christbaum, keine Gesellschaft, das einzige Weihnachtliche war eine Schneekugel, die ein Liedchen spielte und ein wenig andere Deko. Um den Wahnsinn perfekt zu machen, lag draußen eine wundervolle, dünne Schneedecke über der Welt ausgebreitet, die die hektischen Geräusche erstickte und alle Sinnlichkeit der Tage schützte.
Aus einer Laune heraus hatte ich mich herausgeputzt, als würde ich jeden Moment von der Queen Mum persönlich besucht, doch ich wusste genau, das heute niemand klingeln würde. Absolut niemand.
Eigentlich stand verpackt im Kühlschrank ein leckeres Menü aus einem recht teuren Restaurant, dass ich am Tage zuvor abgeholt hatte, in weiser Voraussicht, dass heute entweder geschlossen oder total überlastet war. Doch als ich dann so am Küchentisch saß, alle drei Teile Sissi hinter mir, fühlte ich keinen Hunger. Mein Magen traute sich nicht einmal zu knurren in der bedrückenden Stille, die mich nun umgab, wo ich das Fernsehgerät ausgeschaltet hatte.
Um dagegen anzukämpfen ließ ich dezent meine liebsten Weihnachtslieder im Hintergrund laufen. Wie von alleine griffen meine Hände nach der Flasche und einem Weinglas, in das ich sogleich von der klaren Flüssigkeit eingoss. Ohne auch nur daran zu denken, dass die feinen Weinkenner ihrem Traubenalkohol "Zeit zum Atmen" gaben, nahm ich einen großzügigen Schluck. Wie zu erwarten war dieser Sauvignon Blanc nicht so gut wie der von Marius- den hatte ich aber nirgendwo gefunden, zumindest nicht in den Geschäften, die ich aufgesucht hatte. Der genaue Name war mir entfallen, weswegen nur an dem Design des Etiketts mein Wiedererkennungswert haftete. Auch wäre der gleiche Wein sicher viel zu teuer gewesen. Zumindest war ich mir da ziemlich sicher und hatte folglich auf einen mittelklassigen Sauvignon zurückgegriffen. Der wurde aber, je mehr ich davon konsumierte, immer besser und so blieb es nicht bei einem und auch nicht bei zwei Gläschen. Beim dritten rumste es und mein Kopf fühlte sich sehr plötzlich sehr anders an und ich verkorkte die Flasche. Auf leeren Magen trinken ist billiger, scherzte ich selbst in Gedanken. Mein Blick fiel auf meine Küchenuhr. Viertel vor Elf. Ob Marius noch bei seiner Familie war? Oder turnten die Russen bei ihm Vodka trinkend auf den Tischen herum? Ich kicherte zurückhaltend bei diesem offensichtlich rassistischem, doch aber sehr witzigen Gedanken. Meine Augen wanderten weiter zum Fenster und der Schnee draußen funklte im Licht der Straßenlampe so verführerisch, dass ich kurzerhand beschloss, einen nächtlichen Schneespaziergang zu unternehmen. Ich leerte das Glas und stolperte von der durch den Alkohol glorifizierten Idee in mein Zimmer, wo ich mir meinen Mantel überwarf und auch meine Schuhe zur Hand nahm. Auf die Idee, Handschuhe oder eine Mütze zu tragen, kam ich gar nicht. So kam es, dass ich keine zehn Minuten später im Schnee auf der Straße stand.

Alles war leise; nun ja, hie und da erklang Weihnachtsmusik aus den Häusern, Reste des Essensduftes verflüchtigten sich durch Poren und Ritzen der Wohnungen ins Freie genau in meine Nase. Mein Magen meldete sich das erste Mal, ein Hungergefühl blieb aber aus. So schlenderte ich die Straßen entlang, jagte den Sternen abschnittsweise hinterher, ließ mich für einen Schneeengel in einen Vorgarten fallen, baute einen Mini-Schneemann und platzierte ihn auf einer Mauer. Einige weitere Schneekatzen folgten, ich schrieb kleine Botschaften in das weiße Pulver und freute mich wie ein kleines Kind. Meine Wangen glühten und ich kicherte, wenn ich erneut ein kleines Werk vollendete.
Eine lange Straße ohne rechte Bebauung tänzelte ich angeschwipst entlang, nur um zu bemerken, dass ich beinahe vor Marius' Haustür angekommen war. Urplötzlich traf mich alles und meine Mundwinkel fielen nach unten, wie Marionetten, deren Seile durchtrennt wurden.
Ein Ziepen in meiner Brust verdeutlichte die Sehnsucht, die ich nach ihm hatte und schwelgend dachte ich an die gemeinsamen Stunden zurück. An die mit dem echten Marius.
Doch auch zu einem echten Marius hat man mehr als nur eine platonische Zuneigung und unter dem Alkoholeinfluss gestand ich mir das erste Mal ein, dass ich seine körperliche Nähe wirklich vermisste. Ich wollte ihn wieder fühlen, seine Lippen, seine Hände, nicht so prüde wie bei den Treffen.

Fifty Shades of Ley {Marley FF} |✏️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt