„Luis Decker", antwortete er ihr.
Er schien gefasst zu sein, so als hätte er keine Angst vor dem was kommt. Aber er hatte Angst, sogar sehr große. Er hatte nämlich eine Entscheidung getroffen. Eine Stimme in seinem Ohr meldete sich und er zuckte zusammen.
„Sag die Wahrheit und dir passiert nichts", flüsterte sie ihm zu.
Doch er konnte und wollte nicht - das war sein Problem. Der Countdown startete und er durchlebte seinen schrecklichsten Tag, ein letztes Mal. Den Tag, der alles für immer verändert hatte.
Vor einem Monat
Er stieg ins Auto und machte sich auf den Weg zu seiner jüngeren Schwester. Sie hatte Geburtstag und würde heute vierzig Jahre alt werden. Wehmütig dachte er an den Tag an dem er selbst vierzig wurde. Das war alles schon lange her. Er richtete seinen Blick wieder auf die Straße. Er summte vor sich hin und drehte das Radio lauter, um seine Stimmung zu heben. „Rhythm is a dancer" schalte daraus hervor. Er hatte schon die Hälfte der Strecke hinter sich und durchquerte gerade ein eher kleineres Dorf, als sein Handy vibrierte. Er ließ sich ablenken und schaute auf die Nachricht. Nichts wichtiges, nur seine Schwester, die fragte wann er ankommen würde. Als er vom Handy aufblickte, sah er mit schreckgeweiteten Augen, dass ein Kind, ohne nach links und rechts zu blicken den Zebrastreifen vor ihm überquerte. Er würde das Kind treffen. Kräftig trat er auf die Bremse, aber es war zu spät. Aufgrund seiner Unaufmerksamkeit fuhr er das Kind um. Er traute sich nicht nachzuschauen ob es noch atmete. Er konnte es nicht wahrhaben. Zehn Minuten saß er einfach nur da. In Schockstarre umklammerte er das Lenkrad fest mit seinen zunehmend schwitzenden Händen. Er hatte eine Familie zerstört. Er konnte sich die Trauer der Eltern bildlich vorstellen, wenn sie realisierten das ihr Kind tot war. Sie würden ihn hassen. Es kam wieder Bewegung in seine steifen Glieder. Niemand zu sehen. Bevor er überhaupt darüber nachdenken konnte, was er tat, drückte er auf das Gaspedal. Er fuhr und fuhr und fuhr. Immer weiter. Nur weg. Weit weg. Bis er nach einer gefühlten Ewigkeit endlich bei seiner Schwester ankam. Sie öffnete ihm erfreut die Tür.
Ihr Lächeln zerfiel allerdings, als sie ihn sah, „Wie siehst du denn aus?"
„Ich habe eine Erkältung.", speiste er sie etwas zu schroff ab und merkte erst jetzt das sein ganzer Körper unkontrollierbar zitterte.
Er war feige gewesen, das wusste er. Er hätte sich stellen sollen, aber er tat es nie. Die Schuld fraß ihn auf. Sein Leben war kein Leben mehr. Das Ganze war jetzt einen Monat her und er war zu einem leblosen Wrack geworden. Alle Lebensenergie war aus ihm herausgesaugt worden. Er hatte Alpträume von den anklagenden Blicken der Eltern und manchmal sah er sogar das anklagende Gesicht des Kindes selbst. Diese Träume waren viel schlimmer und hielten ihn die ganze Nacht wach. Er traute sich nachts nicht mehr zu schlafen und Augenringe zierten sein Gesicht. Jeden Tag fürchtete er geschnappt zu werden. Immer wenn er ein Polizeiauto sah, befürchtete er festgenommen zu werden. Das sie ihm auf die Schliche gekommen waren, aber nichts passierte. Er war feige. Feige, dass er Angst vor den Eltern des Kindes hatte. Feige. Dieses Wort schwirrte ihm ständig in seinem Kopf herum. Er wollte sterben und nichts konnte schlimmer sein, als dieses Wrack, zu dem er geworden war, dass er kaum noch Körper nennen wollte. Er hatte seine Entscheidung gefällt. 10...9...8...7...6...5 Der Countdown zählte unbarmherzig weiter.
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Der Wahrheitsfinder
Mystery / Thriller„Schluss mit den Spielchen", donnerte seine Stimme durch den Raum. „Ihr wisst was ich davon halte, wenn ihr nicht die Wahrheit sagt. Ich frage euch jetzt ein letztes Mal. Wer von euch beiden war es?" Schweigen. Seinem Vater lief der Kopf rot an...