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Ella saß mal wieder in ihrem Zimmer und langweilte sich. Heute war wieder ein Tag, an dem sie nicht wusste, was sie machen sollte. Sie hatte alles versucht. Zeichnen. Lesen. Computerspiele. Musik hören. Serien schauen. Doch auf all das hatte sie einfach keine Lust. Zurzeit lag sie in der Mitte ihres Zimmers auf ihrem flauschigen Teppich und starrte Löcher in die Luft. Kurz schloss sie ihre Augen und versuchte sich zu entspannen, doch dazu war sie viel zu aufgewühlt. Irgendwie hatte sie schon seit dem Aufstehen so ein komisches Gefühl in ihrem Bauch, als würde heute etwas ganz Furchtbares passieren. Die Tür ging auf und Leonora betrat ihr Zimmer. Ella zuckte zusammen und setzte sich ruckartig auf. Angst machte sich in ihrem Bauch breit.

„Ja, Mutter?" Sie stand auf und klopfte sich die Fusseln ihres Teppichs von ihrem Pullover ab.

„Hast du die Wäsche zusammengelegt?" Ella zuckte wieder zusammen.

„N-nein tut mir leid, das habe ich vergessen.", stammelte sie und wurde rot.

Leonora seufzte. „Du bist wirklich ein schwieriges Kind, weißt du das? Womit habe ich nur so ein Kind wie dich verdient."

„Ich fange gleich damit an. Tut mir leid." Ella machte sich auf den Weg nach unten.

Schuldgefühle erfüllten sie. Wieso hatte sie daran nicht gedacht? Unten angekommen bemerkte sie, wie die Tür sich langsam öffnete. Schnell sprang sie wieder einige Treppenstufen nach oben und schaute zwischen den Geländerstäben hindurch nach unten. Wer kam dort? Ihr Vater kehrte immer erst viel später nachhause zurück. Zuerst sah sie einen Schuh. Ein klobiger, schwarzer Wanderschuh. Dann folgte der zweite und ein schmaler Körper schob sich durch die Tür. Der Mann trug eine schwarze Jacke und eine Jeans in derselben Farbe. Seine schwarzen Haare fielen ihm lässig ins Gesicht und als er das Gesicht hob, bemerkte sie die Ähnlichkeit zu ihrem Vater. In seiner linken Hand hielt er eine Pistole.

„Was sitzt du hier so faul auf der Treppe herum?" Ellas Herz war kurz davor stehen zu bleiben, als sie sich zu Leonora umdrehte.

„Da ist jemand mit einer Waffe.", flüsterte sie und deutete nach unten.

Mittlerweile hatte Aaron sie bemerkt und richtete seine Waffe nun auf Leonora. Diese hatte ihn erkannt und fürchtete nun um ihr Leben.

Sie schubste Ella mit voller Kraft, so dass sie das Gleichgewicht verlor. Als sie fiel, sah sie wie Leonora die Treppen hinaufrannte und aus ihrem Sichtfeld verschwand. In ihrem Herzen zerbrach etwas. Auf dem Weg nach unten hörte sie Knochen brechen und spürte kurz darauf ein schmerzhaftes Stechen in ihrem Bein. Sie landete am Fuße der Treppe mit ihrem Gesicht auf dem Boden. Sie stützte sich mit ihren Ellenbogen auf dem Boden ab und richtete sich mit ihrem Oberkörper auf. Aaron stand nun vor ihr und richtete die Waffe auf sie. Sie schaute direkt in die Mündung der Neunmillimeter. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals und ihre Hände fingen an zu schwitzen. Sie sah zu Aaron. Kurz glaubte sie in seinen Augen so etwas wie Mitleid aufflammen zu sehen, doch der Ausdruck verschwand viel zu schnell aus seinem Gesicht, um ihn richtig deuten zu können. Einige Sekunden starrten sie sich nur an. Schließlich senkte er die Waffe und sprang die Treppenstufen hinauf, immer zwei auf einmal nehmend. Wieso hatte er sie verschont? Sie versuchte aufzustehen, musste aber feststellen, dass es mit einem gebrochenen Bein in dieser Position unmöglich war. Dann hörte sie einen Schrei. Kurz darauf einen Schuss. Dann Stille. Ella spürte, wie sie anfing zu zittern. Angst kroch abermals ihren gesamten Körper empor, bis sie schließlich an ihrem Hals ankam und sie das Gefühl hatte an ihr zu ersticken. Doch nicht nur Angst machte sich in ihrem Körper breit. Auch Wut auf Leonora. Sie hatte Ella all die Jahre wie ein Stück Dreck behandelt, nun hatte sie es verstanden. Sie die Treppe hinunterzustoßen war das Schlimmste, was sie jemals getan hatte. Jetzt wusste Ella endlich, wie wenig sie ihrer Mutter bedeutete. Nach einigen Sekunden in denen es beunruhigend leise war, hörte sie auf einmal wieder Geräusche. Irgendjemand kam die Treppe hinuntergerannt. Eine weitere Person kam hinterher. Dann ein weiterer Schuss. Ein erschrockenes Aufseufzen und schließlich ein schwerer Körper, der auf dem harten Boden aufkam und nun die Treppe hinunterrollte. Ella schrie auf, denn Leonoras Leiche lag nun halb neben, halb auf ihr und hatte ihr verletztes Bein bewegt. Sie spürte die warme Berührung von Fleisch und ihr stieg der süßliche Duft des vertrauten Parfums in die Nase. Ihr Hosenbein wurde von einer warmen Flüssigkeit durchtränkt und sie wollte sich lieber nicht vorstellen, was genau dort ihr Bein hinunterlief.

„Sie hat bekommen, was sie verdient hat." Aaron sprang ganz gelassen die Hände wie beim Laufen haltend, die restlichen Treppen hinunter und zog sich einen Stuhl zu Ella heran.

„Wieso haben sie das getan?" Ella schluchzte und startete einen letzten Versuch aufzustehen, beziehungsweise wenigstens sich hinzusetzen. Stechende Schmerzen in ihrem Bein machten ihr das Vorhaben unmöglich.

„Das will ich dir erklären. Wir haben sowieso Zeit bis dein Vater nachhause kommt." Aaron lehnte sich zurück und machte es sich so bequem wie möglich. Dann erzählte er ihr alles.

Als er am Ende angelangt war, stand er auf und schmiss den Stuhl um. Ella zuckte zusammen. Dann setzte er sich zu ihr auf den Boden und kam ganz nah an ihr Gesicht heran. Sie konnte seinen warmen Atem an ihrer Wange spüren.

„Dann musste ich erfahren, dass meine Tochter gar nicht von mir ist, sondern von meinem ach so perfekten Bruder. Adam sagt immer die Wahrheit. Bla. Bla. Nimm dir ein Beispiel an ihm Aaron. Von wegen perfekt. Ich werde mich rächen. Ihn töten." Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln, dass seine Zähne zeigte.

„Wieso hast du dann meine Mutter getötet? Sie hat doch nichts damit zu tun?" Ella fürchtete sich vor dem Moment, in dem ihr Vater zur Tür hereinkam. Sie wollte nicht, dass er starb.

Sein Blick wurde fast schon mitfühlend. „Sie hat dich die Treppe hinuntergeschubst. Ich denke nicht, dass das eine normale Mutter-Kind- Beziehung ist. Sie wollte, dass du stirbst und ich habe mich für dich gerächt. Ich denke wir sind uns ähnlicher als du denkst. Wir mussten beide in tiefe Abgründe blicken. Du bist jetzt von ihr befreit. Glückwunsch."

Ella fühlte sich aber ganz und gar nicht frei. Gefühle von Unbehagen, Wut, Schuld und Trauer stürzten auf sie ein. Lähmten sie fast gänzlich. Wenn er ihren Vater tötete. Was sollte sie dann tun? Wo war dann ihr Platz in der Welt?

Für die nächsten zehn Minuten sagte keiner etwas. Ella überlegte, wie sie ihren Vater beschützen könnte, doch ihre Möglichkeiten waren auf dem Boden deutlich eingeschränkt.

Aaron hatte ein Klappmesser aus der Hosentasche geholt und strich nun ehrfürchtig über die Klinge. „Weißt du warum ich das Messer zum Töten bevorzuge?" Er wartete die Antwort gar nicht erst ab. „Es ist so viel persönlicher. Man kann die Haut seines Opfers berühren. Ihm nahe sein und kann seinen Angstschweiß riechen." Er schnitt sich leicht in den Finger, bis ein wenig Blut an der Klinge zu sehen war. Ein Geräusch an der Tür ließ ihn damit aufhören.

Ellas Atem fing an schneller zu werden. „Dad! Bleib draußen. Renn weg!" Doch er schien sie nicht zu hören, denn die Tür ging auf und Adam trat herein.

Aaron und Adam standen sich nun gegenüber und starrten sich an. Niemand sagte ein Wort.

Bis Adam seinen Blick abwandte und Ella erblickte. „Was hast du ihr angetan? Ella geht es dir gut? Leonora?" Er schluckte. „Sie ist tot, nicht wahr?"

„Ich habe eine Rechnung mit dir zu begleichen. Du hast damals meine Frau gefickt und sie geschwängert." Anklagend hob er seinen Finger und richtete ihn auf Adam. „Hast du noch was zu sagen. Irgendwelche letzten Worte?"

„Ich liebe dich, Ella und es tut mir leid, dass ich dich nicht vor Leonora beschützen konnte."

„Ich liebe dich auch, Dad." Tränen traten ihr in die Augen und sie fühlte sich nutzlos und hilflos zugleich.

„Leonora ist nicht deine leibliche Mutter. " Er traute sich nicht, Ella in die Augen zu sehen und fixierte stattdessen einen Punkt hinter ihr an der Wand.

„Das versteh ich nicht ganz? Wurde ich adoptiert? Wieso hat mir das dann nie jemand gesagt? Bist du überhaupt mein richtiger Vater?" Eine Menge Fragen tauchten in ihrem Kopf auf.

„Leonora hat damals herausbekommen, dass ich sie betrogen habe. Sie hat Mila erpresst und hat damit gedroht Aaron alles zu erzählen, wenn sie ihr nicht ein Kind abgibt.

Jetzt wandte er sich Aaron zu. „Mila bekam damals Zwillinge."

„Dieses kleine Miststück. Sie schleppt mehr Geheimnisse mit sich herum, als gut für sie sind." Kopfschüttelnd trat Aaron an Adam heran. „Eigentlich wollte ich mir Zeit lassen, aber-" Mit diesen Worten hob er das Messer über seinen Kopf und schlitzte Aaron in einem Zug die Kehle auf. 

Der WahrheitsfinderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt