2002

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Die Babys kamen, sie spürte es mit jeder einzelnen Faser ihres Körpers. Die Wehen hatten eingesetzt und in ihrem Unterleib machten sich ziehende Schmerzen breit, die ihr fast den Atem nahmen.

„Leg dich hier auf den Sessel. Die Beine leg auf den Lehnen ab." Leonora half ihr sich hinzusetzen.

„Ich hasse euch.", schleuderte sie ihr entgegen und meinte damit nicht nur Leonora, sondern auch Adam, der nur in der Ecke saß.

Eine weitere Wehe ließ ihren Körper erzittern und Mila fing an laut zu schreien.

„Immer schön pressen.", sagte Leonora zu ihr.

„Sei still!" Mila fühlte sich besser, wenn sie jemanden anbrüllen konnte.

Sie ergriff Leonoras Hand, drückte sie und sah mit Genugtuung, dass diese vor Schmerz zusammenzuckte.

Nach wenigen Minuten sagte Leonora. „Ich sehe schon den Kopf. Schön weiterpressen."

Genau das tat Mila auch. Sie presste so fest sie konnte. Trotzdem dauerte es noch eine weitere halbe Stunde, bis sie hörte wie ein Baby schrie. Doch sie hatte es immer noch nicht geschafft. Kaum war ihre Tochter draußen, kündigte sich die nächste Wehe an und zwang sie zum weiterpressen. Schließlich wollte ihre Schwester auch noch hinaus. Diesmal dauerte es nur knappe fünfzehn Minuten bis ein weiteres Babyschreien ertönte. Leonora wickelte beide in eine warme Decke und drückte sie Mila in die Arme. Überglücklich schaute sie auf ihre beiden Töchter. Sie sahen sich nicht besonders ähnlich. Das eine Baby war groß und das andere war sehr klein. Beide hatten die gleiche Augenfarbe.

„Du darfst dir aussuchen welches du uns überlässt." Leonoras Stimme drang in ihr Bewusstsein vor.

Sie hatte so getan als wäre alles gut. Als könnte sie beide behalten, doch die Erinnerung an das was ihr bevorstand, drängte sich zurück in ihr Gedächtnis. Sie würde eins ihrer Kinder verlieren. Doch sie konnte nicht entscheiden, welches bleiben und welches gehen sollte. Das kam ihr nicht gerecht vor.

„Such du dir eins aus." Mila senkte den Blick.

Das war nicht richtig. Das klang als würde sie sich für einen Hund entscheiden müssen, doch hier ging es nicht um ein Tier. Sondern um einen Menschen. Ein hilfloses kleines Baby.

„Ich nehme das größere. Das sieht stärker aus." Leonora entriss ihr das Baby.

Kaum löste sich der kleine Körper aus ihren Armen, fing Mila an heftig zu weinen. Das Baby schloss sich ihr an und schrie wie am Spieß. Daraufhin fing ihre Schwester ebenfalls an zu weinen. Es war ein Abschied. Vielleicht für immer. Adam und Leonora beabsichtigten wegzuziehen. Mila wünschte, sie niemals mehr wiederzusehen, auch wenn sie ihre Tochter vermissen würde. Sie konnte nur hoffen, dass sie es gut bei den beiden haben würde.

„Ich werde das Baby selbst in die Babyklappe legen." Leonora verschwand und kurze Zeit später hörte sie, wie die Tür ins Schloss fiel.

Zurück blieb Mila mit nur noch einem Kind. Sie wischte sich die Tränen weg und zwang sich zu einem Lächeln mit dem sie Chloe ansah. Sie hatte sich für einen Namen entschieden. Sie fasste einen Entschluss. Ihr eines Kind konnte sie vielleicht nicht retten. Jetzt aber würde sie alles tun, um Chloe zu beschützen. Das schwor sie sich bei ihrem Leben. 

Der WahrheitsfinderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt