Eddie wurde durch das Klingeln seines Weckers geweckt. Schläfrig tastete er mit seiner linken Hand nach seinem Handy und drückte den Aus-Knopf. Er drückte seine Hände ins Kissen und richtete sich auf. Als er dann daran dachte, was ihm heute bevorstand, hätte er sich fast wieder hingelegt. Er überlegte ob er krank spielen sollte. Doch diesen Gedanken verwarf er wieder. Sie würde ihm sowieso nicht Glauben. Sie durchschaute seine Lügen viel zu schnell. Deshalb zwang er sich aufzustehen und schleppte sich in die Schule. Ein Lehrer stand vor dem Eingang und hatte Aufsicht. Eddie war heute das erste Mal froh seinen Mathelehrer zu sehen. Hier würde ihn noch niemand angreifen. Allerdings hatten die Jungen es trotzdem immer geschafft, ihn allein zu erwischen, um ihn fertig zu machen. Eddie beschleunigte seine Schritte und drehte sich oft um, aus Angst gleich von ihnen aufgehalten zu werden. Als er fast im Klassenraum war, hörte er Schritte hinter sich und drehte sich um. Doch zu seiner Erleichterung war es nur Tessa, die versuchte ihn einzuholen. Er blieb stehen und sie holte nach Luft schnappend auf. Gemeinsam betraten sie den Raum und begaben sich auf ihre Plätze im hinteren Teil des Zimmers. Wie sich herausstellte, war Markus heute gar nicht in der Schule. Er würde sich doch niemals die Gelegenheit entgehen lassen ihn zu demütigen. Eddie zuckte nur mit den Achseln und freute sich darüber. Heute würde er nichts zu befürchten haben. Er bemerkte Tessas überraschten Blick und erwischte sich selbst dabei, wie er seine Mundwinkel sich zu einem Lächeln verzogen. Das tat er in der Schule so gut wie nie. Der Tag verging heute wie im Flug. Er schwebte fast von Klasse zu Klasse und fühlte sich frei, wie schon lange nicht mehr. Es wurde sogar noch besser, als die letzten beiden Stunden spontan ausfielen, da ein Lehrer krank wurde. Noch eine Stunde und der Unterricht wäre für heute beendet. Leider galt in Eddies Schule die Regel in der Hofpause auf den Hof raufgehen zu müssen. Doch als sie auf dem Schulhof ankamen, erwartete sie dort bereits eine große Menschenmenge, die sich um etwas oder jemanden versammelt hatte.
„Was ist denn dort los?" Tessa deutete mit ihrer Hand hin.
„Woher soll ich das denn wissen? Ich weiß genauso wenig wie du." Eddie grinste sie nur an.
„Idiot", murmelte sie zu ihm, ließ aber die Schüler nicht aus den Augen während sie dem Treiben langsam näherkamen.
„Ach du scheiße." Eddie schlug sich seine Hand vor den Mund, als er sah, was sich mitten auf dem Schulhof abspielte.
Markus, der Anführer der Schule saß blass und total verschwitzt auf einem Stuhl. Seine Hände waren hinter seinem Rücken zusammengebunden und seine Beine, jeweils an einem Stuhlbein festgemacht. Die Schüler, die wie Eddie immer von Markus schikaniert wurden sowie seine sogenannten Freunde schossen Bilder von seiner Lage. Niemand machte Anstalten ihn loszubinden, zu seinem Glück, denn das wäre bombensicher schiefgegangen. Eddie tat nichts Anderes, als einfach nur zu starren. All die Jahre, war er der verletzliche gewesen und jetzt Markus in seiner eigenen Lage zu sehen, machte ihn sprachlos. Er hatte nie auch nur in Erwägung gezogen, dass der Junge vor ihm verletzlich sein konnte. Angreifbar. Markus' Überlegenheit versteckte seine wahren Gefühle, die er zu verbergen wusste. Trotzdem rechtfertigte es nicht, was er einigen Schülern all die Jahre angetan hatte. Es gab genug Menschen, die mit ihrem Leid keinen Schaden anrichteten. Doch einige andere fühlten sich erst besser, wenn andere ihr Schicksal teilten. Deshalb hatte Eddie ein wenig Mitleid mit Markus. Klar, wünschte er sich manchmal Rache, aber nicht in dieser Form. Das verdiente keiner, selbst Markus nicht.
„Hey. Hört auf damit." Eddie schnappte einem seiner Mitschüler, das Handy aus der Hand und hielt es außer Reichweite des Besitzers.
„Gib das sofort wieder her, Cripple X. Hast du nicht allen Grund ihn zu demütigen, wie er es mit dir seit der ersten Klasse tut?"
Er zuckte zusammen, denn der andere Junge hatte seinen Spitznamen verwendet, der in der dritten Klasse hängengeblieben war. Es war Englisch und bedeutete „Krüppel." Das X bezog sich noch auf seine X-Beine. Jetzt war alle Aufmerksamkeit auf das Gespräch der beiden Schüler gerichtet. Eigentlich hasste Eddie es im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, doch heute spürte er, wie eine unglaubliche Ruhe sich in seinem Inneren ausbreitete.
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Der Wahrheitsfinder
Mystery / Thriller„Schluss mit den Spielchen", donnerte seine Stimme durch den Raum. „Ihr wisst was ich davon halte, wenn ihr nicht die Wahrheit sagt. Ich frage euch jetzt ein letztes Mal. Wer von euch beiden war es?" Schweigen. Seinem Vater lief der Kopf rot an...