1990

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„Aaron? Kommst du mal!" Sein Vater brüllte lauthals zu ihm hinauf.

Aaron hörte auf an die Decke zu starren und stand lustlos auf. Seit das Internat wegen des „Vorfalls" geschlossen wurde, wohnte er wieder bei seinem Vater. Das alles nur, weil Simons Vater, ein hohes Tier in der Politik, dem Internat die Schuld am Tode seines Sohnes gab. Er verbreitete Lügen über die Schule, sodass sie aufgrund zu weniger Interessenten schließen musste. Außerdem wurden sämtliche Geldhähne zugedreht. Ohne Geld wurde das Internat pleite, was ein weiterer Grund für die Schließung war. Aaron hasste es, wieder zuhause wohnen zu müssen. Nicht nur, dass sein Vater ihn die ganze Zeit tyrannisierte. Nein, seine Freunde durfte er auch nicht sehen. Das Mädchen seiner Träume miteingeschlossen. Es nagte an ihm und er tat manchmal nichts anderes, als einfach nur den ganzen Tag an die Decke zu starren. Hätte sein Vater ihm nicht einen Hauslehrer eingestellt würde er vermutlich gar nicht mehr aufstehen. Nun schleppte Aaron sich mühsam, die schier endlos lange Treppe hinunter.

„Kannst du mir mal sagen, was das hier ist?" Sein Vater schaute ihn durch seine Lesebrille verächtlich an.

Er zuckte nur mit den Schultern. Keine Ahnung, was sein Vater schon wieder von ihm wollte.

„Gut, dann helfe ich dir mal auf die Sprünge. Deine Jacke liegt hier auf dem Boden, mitten im Flur. Da gehört sie aber nicht hin. Häng sie sofort auf oder willst du etwa, dass ich mich bücke?" Schon wieder wurde er scharf angeschaut.

„Bück du dich doch, wenn es dich stört." Patzig blickte Aaron ihm ins Gesicht.

Ihm war inzwischen alles egal geworden. Als er aus dem Internat zurückgekehrt war, hatte er noch eine weitere böse Überraschung erlebt. Seine Mutter hatte sich während seiner Abwesenheit erhängt. Sein Vater behauptete zwar, sie sei so enttäuscht von ihm gewesen, dass sie es nicht mehr ausgehalten hatte, aber er wusste, was der wirkliche Grund gewesen war. Sein Vater hatte sie mit seinen Schlägen und Misshandlungen bis in die Verzweiflung getrieben. Sie hatte keinen anderen Ausweg mehr gesehen, als sich das Leben zu nehmen.

„Was fällt dir ein! Du Nichtsnutz." Auf seiner Stirn fing eine Ader gefährlich zu zucken an.

Er holte aus, doch Aaron sah die Faust kommen und hielt sie auf. Überrascht schaute er auf seine eigene Hand, die die seines Vaters eisern umklammert hielt. Auch sein Vater hatte das nicht kommen sehen und schaute mit offenem Mund zu Aaron. Kurz, sah er so etwas wie Angst in den Augen seines Vaters aufblitzen. Doch das hielt nicht lange und machte einer neuen Emotion Platz. Wut.

Mit voller Wucht entriss er ihm die Hand und funkelte seinen Sohn sauer an. „Wie kannst du es wagen? Die Hand gegen deinen eigenen Vater zu erheben?"

„Ich bin stärker, als du. Du bist alt und schwach. Lass mich in Ruhe oder du wirst es bereuen." Aaron entschloss sich dazu, alles auf eine Karte zu setzen.

„Ich war dir immer ein gutes Vorbild, so mit mir zu reden, was für eine Frechheit." Die Stimme seines Vaters war leiser geworden.

Er schien jetzt ein wenig Respekt vor Aaron zu haben.

„Du warst nie ein guter Vater und wirst es auch nie sein." Aaron schnaubte verächtlich durch die Nase aus.

„Undankbares Gör.", murmelte sein Vater. Doch wagte es nicht ein weiteres Mal zuzuschlagen.

Ohne ein weiteres Wort lief Aaron wieder hoch in sein Zimmer und legte sich ins Bett. Dann begann er wieder damit, an die Decke zu starren. 

Der WahrheitsfinderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt