„Es werden zweieiige Zwillinge. Glückwunsch." Die Ärztin lächelte sie an, nachdem sie von dem Monitor aufblickte.
Mila war im dritten Monat schwanger. Die Schwangerschaft hatte vieles verändert. Aaron hatte aufgehört sie zu schlagen. Der Gedanke an ein Kind schien ihn geradezu zu besänftigen. Er war wieder der alte Aaron, wie er vor den Flitterwochen war. Allerdings sprach er das Baby mit er an. Es war offensichtlich, dass er einen Jungen wollte. Jeden Tag nach der Arbeit brachte er Spielzeug, Kleidung und Windeln mit. Alles Jungssachen. Mila hoffte ebenfalls auf einen Jungen. Im Grunde war ihr egal was es werden würde. Sie wollte ihr oder ihm bedingungslose Liebe geben. Sie hatte nur Angst was Aaron tun würde, sollte es kein Junge werden. Jetzt, da ihr die Ärztin sagte es würden Zwillinge werden, setzte eine neue Angst ein. Was würde Aaron dazu sagen?
„Möchten sie wissen welches Geschlecht sie haben?" Wieder schaute die Ärztin sie lächelnd an.
Der Moment vor dem sie sich gefürchtet hatte, war gekommen. Angst schürte ihr die Kehle zu und ließ sie gezwungenermaßen schlucken. Mila neigte nur den Kopf nach vorne und nickte. Dabei zwang sie sich zu einem falschen Lächeln.
„Schauen wir mal nach." Sie schaute auf den Monitor. „Es sind zwei Mädchen.", sagte die Ärztin immer noch strahlend.
Mila wurde übel und sie verspürte den Drang sich zu übergeben. Aaron würde sie umbringen. Sie schämte sich, dass sie sich über die Nachricht nicht freuen konnte, doch Angst hatte sich fest um ihr Herz geschlossen und hielt sie gefangen. Doch noch mehr Angst hatte sie davor, was er den ungeborenen Babys antun könnte. Wäre er dazu imstande sie zu töten? Sie schüttelte sich vor Kälte und tat so, als würde sie der Ärztin zuhören. In Wahrheit verfolgten sie düstere Gedanken über Aaron. Einer schlimmer als der andere.
„Wir sehen uns in vier Wochen wieder. Alles in Ordnung soweit." Dieser Satz erreichte gerade noch rechtzeitig ihr Ohr, um Frau Dr. Lewis zu antworten.
„Das freut mich. Bis dann." Sie beeilte sich die Praxis zu verlassen und stieg in ihren neuen Volvo, den Aaron ihr zum Geburtstag geschenkt hatte und fuhr geradewegs zu ihrer Wohnung.
Eins musste man Aaron lassen. Er war überaus großzügig zu ihr, überhäufte sie mit Geschenken, doch Mila deutete diese Gesten falsch. Sie hielt es für Liebe. Doch Materielles kann nicht mit einem Gefühl gleichgesetzt werden, hinter dessen Geheimnis noch kein Mensch gekommen ist. Mila war blind und erkannte nicht, in was sie sich dort eingelassen hatte. Aaron war nicht mehr zu kontrollieren. Er war unberechenbar, niemand konnte vorhersagen was er als nächstes tun würde. Sie zupfte an ihrem Ohrläppchen, als sie die Haustür betrat und stellte sich Aaron, der schon vor der Tür stand, als hätte er die ganze Zeit dort auf sie gewartet. Abwartend starrte er sie an.
Mila schluckte und brachte nur ein Krächzen zustande. „Wir bekommen ein Mädchen." Aus Furcht brachte sie es nicht über sich, ihm von den Zwillingen zu erzählen. Ihr Blick ging nach unten auf den Boden und sie schloss die Augen, in Erwartung, er würde sie schlagen.
Doch der Schmerz blieb aus und sie schaute wieder auf. Aarons Augen hatten sich verdunkelt, dennoch erhob er die Hand nicht gegen sie.
Nach einer Weile ergriff er leise das Wort. „Kannst du eigentlich irgendwann mal etwas richtig machen? Ist es denn so schwer einen Jungen zu bekommen? Du hast Glück, dass du schwanger bist, sonst würdest du eine Woche nicht mehr sitzen können."
Mila zuckte unter seinen Worten zusammen wie ein geprügelter Hund. „E-es tut mir leid." Sie wischte sie sich eine Träne aus ihren Augenwinkeln. „Ich wollte doch auch einen Jungen."
„Schweig. Wenn du es wolltest, warum wirst du dann ein Mädchen zur Welt bringen?" Aaron wandte sich zum Gehen.
„Nein. Bitte geh nicht. Ich brauche dich doch. Ich liebe dich. Das war keine Absicht." Dicke Tränen kullerten ihr aus den Augen und rannen über ihre Wangen.
Weinkrämpfe ließen ihren ganzen Körper erzittern und zwangen sie auf die Knie, wo sie anfing Aaron anzubetteln. Sie ließ sich all diese Demütigungen gefallen, nur um von jemandem, von dem sie glaubte er würde sie lieben, nicht verlassen zu werden. Geschickt hatte er es geschafft sie über die Jahre hinweg zu manipulieren, um sie emotional an ihn zu binden. Wann würde sie endlich sein wahres Gesicht erkennen? Trotz ihrem Weinen und Flehen ließ er sie allein zurück.
Zitternd holte sie ihr Handy aus der Hosentasche und tippte etwas hinein. Es sind Zwillinge. Zwei Mädchen. Ich dachte, du würdest das vielleicht wissen wollen. Sie klickte auf Senden und schickte die Nachricht an Adam.
Komm bitte zu mir. Es ist wichtig. Seine Antwort kam innerhalb von wenigen Sekunden.
Was konnte den so wichtig sein, dass er sie sehen wollte? Seit dem Ende ihrer Affäre hatten sie so wenig Kontakt, wie möglich zueinander gehabt. Trotzdem beschloss sie seiner Bitte nachzukommen, denn ihre Neugierde wurde geweckt. Unter dem Vorwand noch etwas besorgen zu müssen, schnappte sie sich ihre Autoschlüssel und fuhr zu Adam. Sie klingelte an der Haustür und wurde von Leonora hereingebeten. Adam erwartete sie bereits, doch zu ihrer Überraschung sagte er nichts, als sie die Wohnstube betrat.
„Ich habe dich hergebeten." Mila drehte sich zu Leonora um, die von hinten an sie herangetreten war.
„Ich versteh nicht." Ihre Augen weiteten sich. Sie musste Bescheid wissen, wenn sie die Nachrichten gesehen hatte.
„Ich weiß alles. Von euch. Eurer Affäre. Einfach alles." Sie presste ihre dünnen Lippen fest zusammen, so dass sie noch schmaler erschienen.
„Es ist schon lange vorbei." Mila sah, dass es kein Zweck hatte alles abzustreiten. Sie wusste es ja sowieso.
„Das weiß ich. Adam hat mir alles gebeichtet, nachdem er es beendet hat. Wir haben uns deswegen fast getrennt..."
„Stimmt das?" Mila schaute zu Adam.
„Ja." Er blickte zu Boden und traute sich nicht ihr in die Augen zu schauen. Das machte Mila wütend.
„Doch ich habe eingesehen, dass es nicht seine Schuld war, sondern deine. Du hättest uns fast auseinandergebracht. Du wirst es wiedergutmachen, indem du uns einen von den Zwillingen überlässt."
„Niemals." Mila hielt ihre beiden Hände schützend vor ihren bereits leicht runden Bauch.
„Dann werde ich Aaron erzählen von wem die Kinder wirklich sind." Ihre dünnen Lippen zogen sich zu einem schadenfrohen Grinsen.
„Das kannst du nicht machen." Ihrem Gesicht entwich alle Farbe.
Aaron würde beide Mädchen, Adam und sie umbringen, wenn er davon erfuhr. Um sich machte sie sich am wenigsten Sorgen, aber die beiden Ungeborenen konnten nichts für all das. Es wäre nicht fair, wenn sie schon so jung sterben mussten.
„Oh doch. Ich habe schon alles geplant. Du wirst die Kinder hier bekommen. Ohne Hebamme oder Zeugen. Das eine Baby behältst du und das andere wirst du im Krankenhaus in die Babyklappe werfen, damit Adam und ich es adoptieren können." Ihre Augen verwandelten sich in schmale Schlitze und machten ihren Lippen allemal Konkurrenz.
„Aber..." Hilflos ballte Mila die Hände zu Fäusten. „Sag doch auch mal was." Sie schaute zu Adam hinüber, der immer noch teilnahmslos auf der Sofalehne saß.
„Du hast sie gehört. Gib uns eine von den Zwillingen und sie wird den Mund halten." Er schaute immer noch auf den Boden, als würde es dort etwas Interessantes zu sehen geben.
„Adam...Was?" Er ließ sie im Stich und sah seelenruhig zu, wie Leonora sie erpresste, ihr Kind abzugeben.
Er unternahm nichts und Mila verließ der Kampfgeist. Was sollte sie auch tun? Vielleicht war es sogar am besten so? Nur ein Kind würde Aaron als Vater haben müssen.
„Einverstanden.", hörte sie sich sagen, bevor sie den Inhalt der Worte begriffen hatte.
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Der Wahrheitsfinder
Mystery / Thriller„Schluss mit den Spielchen", donnerte seine Stimme durch den Raum. „Ihr wisst was ich davon halte, wenn ihr nicht die Wahrheit sagt. Ich frage euch jetzt ein letztes Mal. Wer von euch beiden war es?" Schweigen. Seinem Vater lief der Kopf rot an...