#34

7 2 0
                                    

„Ich versteh das nicht. Warum hast du Aaron nie verlassen wegen dem was er dir angetan hat?" Chloe hatte ein großes Fragezeichen in ihrem Gesicht zu stehen.

Sie seufzte. „Ich weiß es selbst nicht so genau. Er hat es immer geschafft mir das Gefühl zu geben, dass ich an allem schuld war. Ich war jung. Er gab mir zu verstehen niemand anderes würde mich je lieben können. Also blieb ich, denn ich glaubte ihm." Mila dachte an all die Schläge zurück und erschauderte.

„Ich habe also eine Zwillingsschwester?" In ihrem Gesicht erschienen weitere Fragezeichen.

„Ja." Mila sah keinen Grund mehr es zu verschweigen.

„Wie heißt sie? Wie sieht sie aus? Wie geht es ihr? Wo wohnt sie?" Sie ließ einen Schwall Fragen auf Mila los.

„Ella ist deine Schwester. Du hast dich bereits mit ihr angefreundet." Mila hielt sich die Hand vor den Mund, um erneut ein Husten loszulassen.

Chloe klappte der Mund auf. „Deshalb hast du dich gegenüber ihrer Adoptivmutter so seltsam verhalten, weil sie uns Ella weggenommen hat. Eins versteh ich aber immer noch nicht. Wieso hast du ihn dann doch noch verlassen?" Ihre Stirn legte sich in Falten.

„Ich war gerade dabei dir das zu erzählen, bis du mich mit deinen Fragen unterbrochen hast", sagte Mila mit einem leichten Grinsen auf den Lippen.

Doch in dem Moment als sie fortfahren wollte, öffnete sich die schwere Eichentür und Aaron trat hinein.

„Habt ihr mich vermisst? Es ist Zeit zum Frühstücken. Das erste Mal seit langem als Familie." Pfeifend löste er Chloes Fesseln von der Wand und hielt sie wie einen Hund an der Leine. Das gleiche wiederholte er bei Mila.

„Versucht gar nicht erst euch zu befreien. Ihr werdet es sonst bereuen. Geht vor." Er deutete mit einer Handgeste zur Tür.

Mila ließ Chloe vorgehen, so dass sie selbst Aaron in ihrem Rücken hatte und ihre Tochter vor ihm abschirmte. Er wies ihnen den Weg, bis sie an einer kleinen Küche ankamen. Dort bedeutete er den beiden sich auf einen der Stühle zu setzen und befestigte ihre Fesseln an einem Haken an der Wand. Jetzt singend fing er an, Eier in der Pfanne zu braten, als er damit fertig wurde, legte er die Spiegeleier auf Teller und stellte sie vor Chloe und Mila ab. Er goss ihnen noch je ein Glas Orangensaft ein und setzte sich dann zu ihnen. Eine unangenehme Stille entstand, niemand wollte etwas essen.

„Esst." Aaron wippte mit seinem Fuß auf und ab.

„Wie sollen wir essen, wenn unsere Hände gefesselt sind?", fragte Mila.

Er holte ein Taschenmesser aus seiner Tasche, klappte es auf und durchschnitt die Fesseln.

Vorsichtig nahm Chloe ihre Gabel in die Hand und stocherte in ihrem Essen herum. „Woher weiß ich, dass es nicht vergiftet ist?"

Aaron wurde bleich. „Ist es nicht." Er schnitt ein Stück von Chloes Spiegelei ab und steckte es sich in den Mund. „Siehst du? Ich lebe noch."

Chloe nahm nun auch einen Bissen und würgte etwas davon hinunter.

Mila hatte inzwischen auch ihre Gabel in die Hand genommen und war gerade dabei, sich etwas davon in den Mund zu stecken, als Aaron aufsprang und ihr das Besteck aus der Hand schlug. Das Spiegelei, mitsamt Teller, landete scheppernd auf dem Küchenboden.

„Was tu ich hier? Ich kann das nicht. Ich liebe sie doch. Ich kann sie nicht töten, aber sie verdient es. Sie hat dich mit ihrem Bruder betrogen und hat dich ins Gefängnis gebracht. Reiß dich zusammen Aaron. " Er schlug sich selbst ins Gesicht, wie um sich selbst zur Vernunft zu bringen.

Mila zuckte von der Heftigkeit seiner Reaktion zusammen. Hatte er sie etwa vergiften wollen? Sie starrte das Spiegelei auf dem Boden und schob es mit ihrem Fuß weiter weg.

„Es tut mir so leid. Bitte verzeih mir. Was geschieht mit mir? Was ist los mit dir, Aaron?" Schluchzend hielt er sich die Hände vor das Gesicht und weinte hemmungslos.

Mila hatte fast schon Mitleid mit ihm, als sie ihn vor ihr auf dem Boden knien sah. Ein Rasseln ertönte. Chloe war aufgestanden und hatte sich an dem Haken an der Wand zu schaffen gemacht, der ihre Ketten hielt. Sie musste sie nur vom Haken nehmen und schon waren sie frei.

„Komm. Mom." Chloe lief auf sie zu und half ihr aufzustehen. „Wir müssen hier weg."

Mit einem letzten Blick zurück auf die jämmerliche Gestalt auf dem Boden setzte sie sich in Bewegung. So schnell sie konnte rannte sie hinter ihrer Tochter hinterher, was gar nicht so einfach war, mit einer Kette am Bein und mit Seilen um ihre Handgelenke. Das Geräusch das dabei entstand war ohrenbetäubend laut. Aaron würde sie überall hören können, egal wo sie sich versteckten.

„Wohin gehen wir?" Vor ihnen gabelte sich der Weg. Hilfesuchend sah Chloe ihre Mutter an.

„Nach rechts.", antwortete sie und versuchte überzeugend zu klingen. In Wahrheit hatte sie keine Ahnung, wohin sie gehen sollten.

Ihr könnt mir nicht entkommen. Aus Lautsprechern, die an der Wand eingelassen waren, ertönte Aarons Stimme. Ihr werdet das bereuen. Zu fliehen während ich euch mein Herz ausschütte. Tsk. Tsk. So geht man nicht mit seiner Familie um.

In dem Moment ertönte ein Klicken. Das Licht ging aus und hüllte alles in schwarze Dunkelheit.

„Mom?", fragte Chloe in die undurchdringliche Schwärze hinein.

„Ich bin hier. Komm. Wir tasten uns an der Wand lang."

Einige Minuten bahnten sie sich so ihren Weg durch die Dunkelheit. Ständig stolperte Mila über ihre Fußfessel. Dann fing das Licht an zu flackern und war auf einmal wieder an. Mila atmete auf. Aaron konnte sie zwar jetzt sehen, aber es fühlte sich mit Licht dennoch sicherer an.

Es tippte ihr jemand von hinten auf die Schulter. „Hab ich euch."

Mila wirbelte herum. Vor ihr stand Aaron mit einem hämischen Grinsen im Gesicht. Ihr blieb vor Angst fast das Herz stehen. Was würde er ihnen antun? In seiner Hand blitze es kurz auf und sie entdeckte ein Messer in seiner linken Hand. Ihr kam in den Sinn, dass er Linkshänder war. Sein Lächeln verschwand. Wortlos packte er Chloe an der einen und Mila an der anderen Hand, das Messer klemmte er sich vorher zwischen die Zähne und führte sie zurück zu dem Raum, in dem sie vorher gefangen gehalten wurden. Dort befestigte er ihre Fesseln an der Wand und band ihre Hände erneut mit einem Seil zusammen. Dann verließ er den Raum ohne sich noch einmal umzudrehen. Er verschloss die Tür hinter sich. Mila konnte das Klicken des Schlosses hören.

„Das war seltsam." Chloe legte den Kopf schräg und lehnte sich an die Wand.

Mila tat es ihr nach und ließ sich in eine sitzende Position gleiten. Das Ganze hatte sie ziemlich erschöpft. Ihr Brustkorb fühlte sich an, als würde er unter Flammen stehen.

„Erzählst du jetzt weiter?" Mila hatte ihre Augen geschlossen, öffnete sie aber wieder, als die Stimme von Chloe sie erreichte.

„Natürlich. Wo war ich stehen geblieben?" Sie versetzte sich in Gedanken zurück an jenen schicksalhaften Tag. 

Der WahrheitsfinderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt