Part 1

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„Schlafenszeit für euch Mäuse!" rief meine Mutter durch die Tür während wir uns leise kichernd unter unseren Bettdecken verstecken. Das leuchten unserer Nintendos erhellte unsere Höhle und der schrille Sound des Spiels schrie nach gemeinen Verrat. Keine Sekunde später wurde die Tür geöffnet und meine Mutter stand im Zimmer. Hektisch steckten wir die bunten Geräte unter unsere Kopfkissen und legten unsere Köpfe auf die weichen Unterlagen, doch der fröhliche Sound dudelte weiter vor sich hin.

Schmunzelnd sah sie auf die Erhöhungen unter den Decken die sich verräterisch schnell hoben und senkten. Fast so, als  würden darunter zwei kleine Kobolde hinter vorgehaltener Hand kichern. Kopfschüttelnd schloss sie die Tür hinter sich ohne uns noch einmal zu ermahnen. Als wir das klicken des Türschlosses hörten, zogen wir uns laut prustend die Bettdecken vom Kopf. Zwei verstrubbelte Schöpfe kamen zum Vorschein, die mit ihren kleinen Händen sofort nach den leuchtenden Geräten unter den Kissen griffen.

"Du hast keine Chance, Valente!" lachte der Junge neben mir und ich versuchte ihn mit dem Ellenbogen in die Flanke zu stechen. Ich wusste schließlich genau wo er besonders kitzelig war.

"Das glaubst auch nur du!" kicherte ich. "Ich bin direkt hinter dir!"

"Und doch zu langsam!" jubelte er, nachdem er nur Millisekunden vor mir die Ziellinie überfuhr und nun feiernd die Arme in die Luft riss.

Schmollend verschloss ich die Arme vor meiner Brust und sah grimmig zu dem kleinen Jungen herüber, bevor ich mein Bein ausstrecke und ihn mit einem dumpfen Geräusch aus dem Bett trat. Überrascht quietschte er auf während er dem Boden entgegen fiel. Nur wenige Sekunden später tauchten seine Locken erneut über dem Bettrand auf. Sein wütender, perplexer Blick funkelt mich an.

"Das hast du jetzt nicht wirklich gemacht, oder?" fragte er und ich spürte, wie sich das Grinsen auf meine Lippen schlich.

"Bin wohl doch nicht zu langsam!" kicherte ich und sein Blick wurde dunkel. Nur wenige Sekunden später wurde ich von einem großen Kissen getroffen, welches mich rücklings aus dem Bett warf. Mit einem genauso dumpfen Knall wie Matteo zuvor, landete ich auf dem Boden, rappelte mich jedoch sofort wieder auf um nun ebenfalls über den Bettrand gucken zu können.

"Rache!" Fauchte ich und suchte im dunkeln den Boden nach dem Kissen ab.

"Oh-Oh." hörte ich von der anderen Seite und nur wenig später befanden wir uns in einem Kissenkrieg, der den Geschichtsbüchern würdig gewesen wäre.

"Okay! Okay! Ich kann nicht mehr!" keuchte ich schließlich und auch seine Brust hob und senkte sich rasant als er zu mir herüber sah.

"Okay. Gleichstand." gab er zu und wir ließen uns nebeneinander in die Kissen fallen. Während sich mein Atem beruhigte, konnte ich die Müdigkeit spüren, die sich wie eine Wolke über mich legte.

"Matteo?" fragte ich mit leiser Stimme und spürte wie auch sein Körper vor Müdigkeit neben mir erschlaffte.

"Ja?" fragte er ebenso leise.

"Wir werden für immer beste Freunde sein, oder?" fragte ich und er drehte seinen Kopf zu mir.

"Natürlich! Beste Freunde für immer!" kicherte er und ich lächelte ihn erleichtert an.

"Dann ist ja gut." murmelte ich und spürte, wie die Müdigkeit mich nun endgültig einholte und mich in einen tiefen Schlaf hüllte.

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"Verdammter Lügner." knurrte ich, als ich meine Augen wieder aufschlug. „Zwölf Jahre später und ich träume immer noch von ihm."

Grummelnd stieg ich aus meinem Bett, welches auch schon bessere Zeiten gesehen hatte und tapste ins Badezimmer hinüber um mich unter die kalte Dusche zu stellen. Das war das einzige, was mich Morgens aus dem Reich der Toten zurück in die Welt der Lebenden holen konnte. Meine langen, blonden Locken fielen mir in nassen Strähnen über die Schultern als ich aus dem Wasser stieg und mich in ein Handtuch hüllte.

Ich warf durch den Spiegel einen schnellen Blick auf die Uhr hinter mir und hätte mich beinahe an meiner eigenen Spucke verschluckt!

"Verdammte Scheiße!" keuchte ich und steckte mir hastig die Zahnbürste in den Mund. Mein Spiegelbild sah mir vorwurfsvoll entgegen. Wie immer, wenn ich nicht aus den Puschen kam.
"Ach, lass mich doch in Frieden." Brummte ich und ignorierte die Tatsache, dass ich mich selbst angiftete.

Wie eigentlich jeden Morgen war ich viel zu spät dran. In Windeseile klatschte ich mir meine Basics ins Gesicht und föhnte die Haare mehr schlecht als recht trocken. Mein Nacken fühlte sich noch verdächtig feucht an, während ich durch das Zimmer raste und nach meiner Jeans suchte.

"Livie! Du kommst zu spät!" rief meine Mutter von unten während ich hektisch nach meinen Schuhen griff und sie mir in Lichtgeschwindigkeit überstülpte. Auf einem Bein hüpfend eilte ich die Treppe hinunter, während ich mir gleichzeitig die Schnürsenkel an dem anderen Fuß zuband. Mein Rucksack hüpfte schmerzvoll auf meinem Rücken auf und ab und ich bekam jedes einzelnen Buch darin zu spüren. Mit Sicherheit bekommt die Ansammlung von blauen Flecken nach dem Morgen neuen Zuwachs.

Meine Mutter stand unten am Fuß der Treppe und beobachtete das Spektakel stirnrunzelnd.

"Kind, irgendwann wirst du dir noch den Hals brechen!" klagte sie doch ich sprintete an ihr vorbei um an den Küchentisch zu gelangen.

Dort saß bereits mein Vater, der noch gemütlich die Zeitung aufgeschlagen hatte und mit seinem Brötchen gedankenverloren im Kaffee rührte. Angewidert verzog bei dem Anblick das Gesicht und schnappte mir im vorbeigehen einen Toast vom Tisch. Kaffee an sich war schon in Ordnung, aber ein Brötchen darein zu tunken grenzte für mich doch an perversion.

"Guten Morgen, Spatz. Wieder verschlafen?" fragte mein Vater und ich nickte mit vollen Wangen.

"Ach Livie, jeden Morgen dasselbe. Warum stehst du nicht einfach mal früher auf?" fragte meine Mutter mitleidig und sah zu, wie ich im Eiltempo durch die Küche sprintete um mir mein Frühstück für die Schule zusammenzusuchen wie eine Wühlmaus.

"Als ob ich das nicht versucht hätte. Mein Körper ist einfach nicht in der Lage so früh aufzustehen." erwiderte ich schulterzuckend.

"Außerdem.." begann ich, während ich einen schon etwas runzligen Apfel in den Rucksack stopfte und ihn schnell wieder verschloss, "funktioniert es doch auch so." grinste ich und mein Vater ließ die Zeitung in seinen Schoß sinken um mir schmunzelnd einen Blick zu zu werfen.

"Na ja nicht so ganz würde ich sagen, du trägst zwei unterschiedliche Socken." grinste er und ich blickte verdattert runter auf meine Füße.

Dort sahen mir zwei völlig gleich aussehende, weiße Socken entgegen. Empört schnaubte ich in seine Richtung. Er jedoch, gluckste nur leise vor sich hin.

"Du Witzbold."Schmunzelte ich leise und gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange bevor ein lautes Hupen von draußen uns unterbrach.

"Oh! Julie ist da! Ich muss gehen!" rief ich während ich auch meiner Mutter einen Kuss auf die Wange hauchte.

"Ich verstehe immer noch nicht, warum Julie immer diesen Umweg fahren muss. Schließlich könnte Matteo dich auch mitnehmen. Er wohnt doch direkt gegenüber." warf meine Mutter ein.
Ich antwortete mit einem genervten Augenrollen.

"Ach Mum. Der Zug ist doch nun mal wirklich mehr als abgefahren." sagte ich leise zu ihr bevor ich nun endgültig aus der Küche verschwand um zu Julie auf die Straße zu laufen.

"Leider." murmelte meine Mutter leise während sie ihren Blick über ein Bild am Kühlschrank gleiten ließ. Dort waren Matteo und ich zu sehen.
Er, wie er frech grinste und wie ein großer Bruder einen Arm um mich legte und neben ihm ich, mit Zahnspange und zwei Zöpfen die der Kamera die Zunge hinaus streckte.

I thought you said foreverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt