Die neuen Informationen prasselten auf mich ein wie eine Lawine. Ich spürte wie Panik sich in mir breit machte und ich die absolute Kontrolle über die Situation verlor.
"Mum, ich muss hier raus." presste ich schließlich hervor und entwand mich sanft aber bestimmt aus ihrer Umarmung.
"Ist schon Okay. Mir ging es genauso als ich es heraus gefunden habe." sagte sie leise und ich spürte die innere Unruhe in mir wachsen.
"Tut mir leid, dass ich nicht da war." sagte ich doch sie winkte ab.
"Ich hab dich nicht gelassen. Ein Kind sollte sich nicht mit sowas beschäftigten müssen." seufzte sie leise.
"Du musst das trotzdem nicht alleine durchstehen." versicherte ich ihr.
"Ich weiß."
"Aber ich muss meinen Kopf jetzt einfach frei bekommen. Ich kann das alles grade schwer ertragen." gab ich dennoch zu und sie strich mit liebevoll übers Haar.
"Geh ruhig. Ich weiß es jetzt schon etwas länger und komme klar. Ehrlich gesagt, geht es mir jetzt wo wir endlich Nägel mit Köpfen gemacht haben etwas besser." lächelte sie zaghaft und ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange bevor ich schließlich aus dem Sessel sprang und auf die Tür zu rannte.
Binnen weniger Sekunden war ich auch schon aus der Tür und atmete die frische Luft ein. Doch sie half nicht wirklich mich zu beruhigen, sondern schien das Feuer in mir nur noch weiter anzufachen.
Die Wut, die Trauer und die Fassungslosigkeit drohten mich zu übermannen und zerriss mich beinahe von innen.Als ich dann auch noch zu dem Platz sah, an dem das Auto meines Vaters noch vor wenigen Minuten gestanden hatte, brach alles in mir zusammen.
Ein lauter wütender Schrei entfuhr meiner Lunge der in der ganzen Straße widerhallte und meine Hand griff nach einem der Blumentöpfe die neben dem Haus standen und warf ihn mit voller Wucht auf den leeren Platz.Ich wich den Scherben nicht aus die mir entgegen schlugen und verhinderte es auch nicht, das eine davoneinen dünnen Strich auf meiner Haut hinterließ. Die Tränen waren wieder da und strömten über mein Gesicht. Wie eine Furie schoss ich die Scherben über den grauen Stein und scherte mich einen Scheißdreck darum, was andere von mir dachten.
Ich war so unglaublich wütend auf diesen Mann und wusste nicht wie ich ihn los werden konnte. Der Schmerz über seinen Verrat saß so tief das ich nicht anders konnte als ihn heraus zu schreien.
"Du elender Wichser." schrie ich abschließend bevor ich den nächsten Blumentopf packen wollte, um ihn auf dem Boden zu zerschellen bis mich eine laute Stimme unterbrach.
"Was zur Hölle geht hier ab?!" rief eine ebenfalls wütende Stimme von der anderen Seite der Straße.
Blitzschnell drehte ich mich in die Richtung aus der die Stimme kam und sah wie Matteo in der Tür stand. Augenscheinlich hatte er geschlafen, denn er trug eine Jogginghose und ein Shirt, dass er sich wohl nur schnell übergeworfen hatte. Auch seine Haare standen zerzaust in alle Richtungen ab.
"Kann man hier nicht mal in Ruhe schlafen?!" rief Matteo wütend von der anderen Straßenseite rüber doch das schürte nur das Feuer in mir. Als er dann auch noch begann auf mich zu zu kommen, sah ich nur noch Rot.
"Verpiss dich Matteo! Ich habe grade absolut kein Bock auf deine dummen Sprüche!" fauchte ich ihn an als er mich beinahe erreicht hatte.
Als er mich nun deutlich sah, blieb er abrupt stehen und musterte erst mich, dann die Scherben auf dem Boden unter mir.
"Ich frag lieber nicht." seufzte er schließlich und ich schnaubte wütend.
"Besser ist es!" zischte ich doch anstatt das er sich wieder umdrehte und in sein Haus zurück ging, lief er die letzten Schritte auf mich zu bis er nur noch einen halben Meter von mir entfernt stand.
"Geht es dir gut?" fragte er nach einem kurzem Schweigen, indem ich ihm am liebsten die Augen ausgekratzt hätte, doch die Frage überraschte mich. Sie war ohne jede Ironie und er sah beinahe so aus, als würde ihn die Antwort tatsächlich interessieren.
"Sehe ich so aus?" fragte ich zurück. Mein Körper verlor inzwischen deutlich an Kraft, doch das lodern in mir beruhigte sich nicht.
"Nicht wirklich."
"Na siehst."
Matteo drehte sich schließlich wieder um und stapfte auf sein Haus zu. Fassungslos sah ich ihm nach bis er sich auf der Türschwelle zu mir herum drehte.
"Was ist? Willst du da drüben Wurzeln schlagen?" rief er zu mir hinüber und bedeutete mir mit einem Kopfnicken ihm zu folgen.
Überrascht über diese Geste, vergaß ich für einen kurzen Augenblick meine Wut. Ich zögerte einen Augenblick doch als ich erneut auf die Scherben sah, entschied ich mich kurzerhand ihm zu folgen. Wenn er mich heute nervt, könnte ich ihm ja wirklich den Topf an den Schädel schmeißen. Win-Win Situation.
"Na endlich." begrüßte er mich als ich die Tür hinter mir schloss.
"Wo sind deine Eltern?" fragte ich und presste das Wort "Eltern" wie ein Fremdwort über meine Lippen.
"Die sind mit Lucy im Kinderparadies. So schnell kommen sie nicht wieder, Lucy hat ihre beste Freundin mitgenommen." erklärte er und ich sah überrascht, dass ihm tatsächlich so etwas wie ein kichern entwich.
"Und was soll ich jetzt hier?" fragte ich schließlich als ich ihm quer durchs Haus folgte bis wir zum Keller kamen.
"Wir gehen jetzt da runter." sagte er und zeigte auf den Keller.
"Wenn du mich umlegen möchtest, dann mach es bitte hier. Ich möchte wenigstens etwas schönes sehen wenn ich sterbe." maulte ich und ein Lächeln huschte ihm über die Lippen.
"Verlockend. Aber nicht heute." antwortete er und stieg vor mir die Treppe in den Keller hinunter.
"Hast du da etwa grade einen Witz gemacht?" fragte ich ungläubig und er zuckte die Schultern als er unten angekommen war und das Licht anschaltete.
"Ich hab einen guten Tag. Ganz im Gegensatz zu dir wie es scheint." sagte er und warf mir einen schnellen Blick zu.
"So kann man es auch nennen." seufzte ich traurig.
"Also, was machen wir hier unten?" fragte ich und er sah mich durchringend an.
"Nun, du sahst so aus als müsstest du dich dringend abreagieren. Und bevor du weiter unsere Straße demolierst, dachte ich, dass es besser wäre dich hier runter zu bringen. Am Ende hättest du dich noch an unseren Blumentöpfen vergriffen und das wäre meiner Mum bestimmt nicht so lieb gewesen." antwortet er und zeigte mit einer lockeren Handbewegung auf den Sandsack der mitten im Raum hing.
"Ich geh hier auch manchmal runter wenn ich mich abreagieren muss. Ist auf Dauer besser als jemanden auf die Fresse zu hauen." sagte er plötzlich kühler. "Oder sich an unschuldigen Blumentöpfen zu vergehen." fügte er jedoch wieder freundlicher hinzu.
"Und das hilft?" fragte ich und er nickte.
"Aber sicher. Hau einfach ein paar Mal gegen bis du keine Lust mehr hast den Menschen zu Schlagen auf den du so wütend bist."
"Da muss ich aber lange schlagen." knurrte ich und spürte erneut die Tränen in meinen Augen, verscheuchte sie aber schnell wieder.
"Tob dich aus. Ich bin oben, falls der Sack zurück schlagen sollte." sagte er und stieg mit einem kurzen Kichern über seinen eigenen Witz die Treppen hoch wo er die Tür hinter sich leicht anlehnte um mich allein zu lassen.
Noch immer verwirrt, legte ich die leichte Jacke ab die ich trug und trat an den Sack heran. Er war ziemlich hart und die Schläge taten höllisch an den Knöcheln weh aber gleichzeitig auch gut. Mit jedem Schlag spürte ich, wie sich die Last von meinem Herzen ein wenig besser ertragen ließ.
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I thought you said forever
Teen FictionManchmal ist ein Versprechen alles was uns bindet. Manchmal ist ein Versprechen alles was man hören möchte und manchmal bricht einer dieses Versprechen und mit ihm dein Herz. Livie und Matteo waren seit sie denken konnten die besten Freunde. Allerdi...