Part 35

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Wie von selbst trugen meine Füße mich ins Wohnzimmer. Dort saßen bereits meine Eltern und sahen mich mit regungsloser Miene an.

"Ich bin da." sagte ich überflüssigerweise und endlich regten sich die Gesichter meiner Eltern. Sie saßen beide an der jeweils äußersten Seite der Couch um so viel Abstand wie möglich zwischen ihnen zu waren.

"Schön, dass du dich endlich zu uns gesellst." sagte mein Vater und ich spürte wie sich bereits die Wut in mir staute.

"Tut mir leid. Ich hatte Vorlesungen." knurrte ich und setzte mich in den Sessel der gegenüber der Couch stand.

"Was ist so wichtig?" platze es schließlich aus mir heraus als ich die drückende Stille schließlich nicht mehr ertragen konnte.

Meine Mutter sah betreten auf ihre Finger hinunter. Auch von hier aus konnte ich sehen, dass sie geweint hatte. Sofort tat es mir leid das ich heute Morgen so kalt gewesen war aber ich konnte einfach nicht anders. Auch jetzt legte sich die Kälte wie eine Schutzwand um mich.

"Wir-" begann sie schließlich, unterbrach sich jedoch wieder um zur Stille zurück zu kehren.

"Deine Mutter und ich lassen uns scheiden." sagte mein Vater an ihrer Stelle und mein Herz zog sich so Schmerzhaft zusammen, dass mir ein leichtes Keuchen entfuhr.

Ich hatte damit gerechnet und war dennoch nicht auf dieses Gefühl vorbereitet gewesen. Es war, als würde ein Teil von mir zerrissen werden und ich konnte bereits den Kloß in meinem Hals spüren.

"Aber warum?!" platze es aus mir heraus. Wütend und verletzt sprang ich aus dem Sessel und sah sie vorwurfsvoll an.

"Livie, setz dich bitte-" begann mein Vater doch ich schnitt ihm das Wort ab.

"Nein!" fauchte ich und funkelte sie beide wütend an.

"Jetzt redet endlich mit mir! Eure Streits könnt ihr ja auch ausleben wenn ich da bin aber kein Mensch sagt mir, was hier verdammt noch mal los ist! Redet endlich!" forderte ich lauthals und konnte die Tränen nicht aufhalten.

"Was ist denn passiert? Vor ein paar Wochen war doch noch alles in bester Ordnung." wimmerte ich leise und ich konnte sehen wie meiner Mutter ebenfalls die Tränen über die Wangen liefen.

"Sie mich nicht so an." fauchte meine Mutter meinen Vater an der sie auffordernd ansah.

"Livie, Schatz, es läuft schon länger nicht mehr alles gut zwischen mir und deiner Mutter." begann er und ich sah ihn kalt an. Ich konnte einfach nicht anders.

"Du musst wissen, dass ich einige Probleme in meiner Vergangenheit hatte, die mich nun nach und nach einholen und ich konnte es nicht verhindern, dass ihr beide da mit herein gezogen wurdet." sprach er weiter und ich sah, wie seine Hände zitterten.

"Und was wären das für Probleme?" hakte ich nach und versuchte etwas mehr wärme in meine Stimme zu legen. Er sah so aus als wäre das alles auch für sie nicht einfach.

Doch mein Vater schwieg. Er schien mit sich zu ringen und hob immer wieder die Hände so als wollte er zu einer Erklärung ansetzten, ließ sie jedoch immer wieder fallen.

"Dein Vater hat noch eine Familie." half ihm meine Mutter schließlich leise aus und ich ließ mich fassungslos in den Sessel zurück fallen. Erneut breitete sich die Stille über uns aus.

"Und das ist so schlimm? Wart ihr damals zusammen als das passiert ist oder was? Kannst du nicht mit uns und der anderen Familie zusammen sein?" fragte ich schwach. Das ich eventuell noch Geschwister hatte, ließ sich grade nicht mit meinem Kopf vereinbaren und so verscheuchte ich den Gedanken.

"Kann er nicht." sagte meine Mutter kalt. "Er hätte es gekonnt, aber dein Vater hat sich anders entschieden."

"Wie meint sie das?" fragte ich mit brüchiger Stimme. Noch immer liefen mir die Tränen über die Wangen und tropften auf mein Shirt hinunter.

"Die Frau, die Mutter meiner anderen Tochter-" begann mein Vater weiter zu sprechen und ich wimmerte bei der Erwähnung der anderen Tochter leise auf doch er ließ sich nicht beirren sondern sprach weiter.

"Sie hat mich aufgespürt und ist zu mir ins Büro gefahren. Dort haben wir viel miteinander geredet und-" erzählte er weiter, schluckte jedoch einmal anstatt den Satz auszusprechen doch er musste ihn nicht beenden. Ich wusste wie er endet.

"Und du hast mit ihr geschlafen." vollendete ich seinen Satz und von meiner Mutter kam ein undeutlicher, verletzter Ton.  Mein Vater widersprach mir nicht, was Bestätigung genug war.

Plötzlich sah ich meinen Vater in einem anderen Licht. Die ganzen Streits ergaben plötzlich Sinn und auch sein langes Fortbleiben war logisch.

"Du warst die ganze Zeit bei deiner anderen Familie." presste ich hervor und meine Tränen versiegten so wütend wurde ich plötzlich.

"Du warst die ganze Zeit bei denen." fauchte ich schließlich und er zuckte unter meinem wütenden Blick zusammen.

"Livie, versteh mich doch! Ich hab meine Tochter seit zwanzig Jahren nicht gesehen! Ich musste sie kennen lernen. Ich konnte nicht anders." bettelte er doch ich gab nicht nach. Fassungslos sah ich ihn an.

"Ich glaube dir, dass du sie kennen lernen musstest und natürlich wäre es nicht einfach für mich gewesen es zu verstehen, aber wenn du ehrlich mit mir gewesen wärst, dann hätte ich es auch ehrlich versucht und dich unterstützt. Du bist doch mein Vater." begann ich und ein Hoffnungsschimmer legte sich in seine Augen.

"Aber stattdessen hast du meine Mutter, deine Frau, angelogen und betrogen! Du bist zu deiner anderen Familie gegangen ohne dich zu verabschieden ohne dich bei uns zu melden! Ohne dich einmal bei mir zu melden!" schrie ich schließlich und schon waren die Tränen wieder da.

"Livie, Schatz, versteh doch, ich musste-" begann er wieder doch ich hob die Hand.

"Ich bin nicht dein Schatz! Ich verstehe das du musstest was du tun musst, aber du hättest einen anderen Weg gehen können. Du hast mir das Herz gebrochen, versteh das doch! Und nicht weil noch jemand anderes in deinem Leben ist, sondern weil du uns ohne weiteres aufgeben wolltest. Und sag jetzt nicht, dass das nicht stimmt. Wäre es so gewesen, dann hättest du mit uns geredet. Und du hättest Mum nicht betrogen." flüsterte ich.

"Lern sie doch wenigstens kennen." flehte er doch ich schüttelte hart den Kopf.

"Ich möchte nichts mit diesen Menschen zu tun haben. Meine "Schwester" kann für all das vielleicht nichts aber sowohl du als auch ihre Mutter. Und das kann ich dir jetzt einfach nicht verzeihen." weinte ich leise und er sah mich weiterhin verletzt an.

"Ich denke du solltest jetzt gehen. Es ist alles gesagt." mischte sich jetzt auch meine Mutter ein, als ich mich weinend im Sessel einrollte.

"Livie, ich-" begann er wieder doch meine Mutter fuhr ihn harsch an.

"Raus jetzt! Sie wird selber entscheiden wann sie wieder bereit ist dich zu sehen! Nimm ihr nicht auch noch diese Entscheidung!" schrie sie und er stand vom Sofa auf. Er warf einen letzen Blick zu mir und meiner Mutter hinüber bis er sich schließlich abwandte und das Haus verließ.

Meine Mutter stand noch so lange vor meinem Sessel bis sie die Tür zu fallen hörte. Dann erst ließ sie auch ihren Tränen freien lauf und quetschte sich sanft neben mich in den Sessel. So hatten wir nicht mehr zusammen gesessen seit ich noch ein kleines Mädchen gewesen war.

Ihre Arme schlossen sich vorsichtig um mich und sie zog mich näher an ihre Brust. So saßen wir dort bis meine Tränen schließlich versiegten.

"Es tut mir leid." flüsterte ich ermattet doch sie strich mir sanft über die Haare.

"Nein, mir tut es leid."

I thought you said foreverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt